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Sonderheft | B
Sonderheft „Onanie‘“, einleitende Bemerkungen / Federn:
Die Wiener Onaniediskussion IQ / Meng: Das Problem der ©. ©
von Kant bis Freud / Landauer: Zwei Vorbemerkungen zur O-
B Diskussion / Friedjung: Zur Frage der ©. des Kindes / Hitsch- +] }
4 mann: Beitrag zu einer O.-Diskussion / Sadger: Neue Forschungen Er ji:
zum O.-Problem / Chadwick: Die allgemeine Verschwörung zur. ge
2 Verleugnung / Landauer: Die Formen der Selbstbefriedigung |
Zulliger: Schule und ©. / Schneider: Die Abwehr der Selbs-
> befriedigung / Reich: O. im Kindesalter / Vera Schmidt: O.
bei kleinen Kindern / Graber: O. und Kastration / Hitschmann: |
- Auf der Höhe der Entmannungsangst / Landauer: Die O.-Selbst-
- beschuldigung in Psychosen / Hirsch: Eine Feuerphobie als Folge |
unterdrücter ©. / Ziegler: Soll man die ©. bekämpfen? /G.Behn-
- Eschenburg: Zur Entstehung der O. und der Ödipussituation |
Schaxel: Drei Beobachtungen / Tamm: Die Eltern und die O.
% ihrer Kinder / L. Schwarz: Onanie / ‚*, Erinnerungen an O. / Bu:
- -E. St: Beitrag zur analen Masturbation / Kleist: Sehnsuht und |
Erfüllung / W. Cohn: Psychoanalytische Literatur über ©. / Berichte
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ang der Zeitschrift für psychoanalytische Be
en VII, Andreasgasse 3
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Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
Unter Mitwirkung von August Aichhorn (Wien) / Lou Andreas-Salom& (Göttingen) / Siegfried
Bernfeld (Berlin) / Marie Bonaparte (Paris) / Mary Chadwick (London) / M. D. Eder (London)
/ Paul Federn (Wien) /S. Ferenczi (Budapest) / Anna Freud (Wien) / JosefK. Friedjung (Wien)
/ Albert Furrer (Zürich)/ Wilhelm Hoffer (Wien) / Karl Landauer (Frankfurt a. M.) / Barbara Low
(London) / C. Müller-Braunschweig (Berlin) / Oskar Pfister (Zürich) / J. Piaget (Neuchätel) / Vera
Schmidt (Moskau) / A. J.Storfer (Wien) / Alfhild Tamm (Stockholm) / Fritz Wittels (Wien) /
M. Wulff (Moskau) / Hans Zulliger (Ittigen-Bern) herausgegeben von
Dr. Heinrich Meng und Dr. Ernst Schneider
Arzt in Stuttgart Universitätsprofessor in Riga
‚12 Hefte jährlih: M. 10°- (schweiz. Frk. 1250). Der Jahrgang beginnt im Oktober
Einzelheft M. 1°- (schweiz. Frk. 125)
Alle geschäftlichen Zuschriften sind zu richten an den
„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik “
Wien, VIL, Andreasgasse 3,
alle für die Schriftleitung bestimmten Zuschriften, Manuskripte, Rezensionsexemplare an
Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart, Sonnenbergstraße 6D, oder an
Univ.-Prof. Dr. Ernst Schneider, Riga, Wisby-Prospekt 14, Waldpark
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werden durch Postanweisung, Bankscheck oder durch Einzahlung auf eines der
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Einbanddecken zum I. Jahrgang in Halbleder können vom „Verlag der
Zeitschrift für psychoanalytishe Pädagogik“ zum Preise von Mark 3'20
(schw. Frk. 4°—) bezogen werden 3
Preis des I. Jahrganges in Halbleder gebunden M. 13°60 (schw. Frk. 17'—)
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Das nächste Heft (Nr. 7) erscheint anfangs April und wird u. a. folgende Beiträge enthalten:
Ep -_ Ist Psychoanalyse eine Weltanschauung? — Georg Büttner (Meißen): Psychoanalyse und
neider: Mutter und Kind in den Dramen Ibsens — Kuendig: Psychoanalytische Streiflichter
> 3 er Sekundarschulpraxis (Fortsetzung) — Mannheim: Zur infantilen Geburtstheorie — usw.
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Sonderheft „Onanie“
Einleitende Bemerkungen
Das vorliegende Heft unserer Zeitschrift möchte an die Diskussion über
ÖOnanie, veranstaltet von der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung im
Jahre 1918, anschließen. Auf die Einladung hin, sich an der Besprechung
-der Frage in unserer Zeitschrift zu beteiligen, schrieb uns Freud: „Ich
habe meinen Beitrag zur damaligen Onaniediskussion durchgesehen und mit
Erstaunen gemerkt, daß meine Kenntnisse seither keine Fortschritte ge-
macht, daß ich also nichts hinzuzufügen habe.“ Freuds Meinungen werden
in dem Bericht von Federn über die Wiener Diskussion von 1912 mit-
geteilt.
Es sind besonders die auf anderen Gebieten seither erzielten Fort-
schritte der psychoanalytischen Forschung, die klärend auf die Probleme
der Onanie eingewirkt haben. Es sei hier nur auf die Untersuchungen
über das Schuldgefühl hingewiesen. Und vor allen Dingen können wir
sagen, daß jene Kreise, an die wir uns wenden (Eltern, Lehrer, Pfarrer,
Kinderärzte) und die mit der Onanie der Kinder zu tun haben, der
Psychoanalyse und besonders der Beurteilung sexueller Fragen gegenüber
weit ruhiger und sachlicher geworden sind. Man beginnt vor allem die
unwissenschaftliche Scheu vor der beobachtenden Nachprüfung der von
andern gefundenen Tatsachen zu überwinden. Uns liegt besonders daran,
daß sich die pädagogischen Kreise einer sachlichen Beurteilung befleißigen,
damit sie auch einen entsprechend sachlichen pädagogischen Standpunkt
gewinnen können, von dem aus erfolgreich erzieherisch vorgegangen werden
kann. Wir dürfen wohl hoffen, daß die folgenden Aufsätze in dieser
Hinsicht nützlich sein werden.
Hitschmann begleitet die Zusendung seines Beitrages mit folgenden
Worten, die wir gerne den Lesern zur Kenntnis bringen: „Indem ich
meinen Beitrag zur Onaniefrage einsende, spreche ich meine Meinung
dahin aus, daß eine allgemeine Vorbemerkung den Leser auffordern sollte, zu
beachten, ob die geäußerten Ansichten vom Psychoanalytiker und praktischen
Arzt oder vom Pädagogen und Lehrer stammen, da das Beobachtungsmaterial
(Kranke, Gesunde) und die Eindringlichkeit der Untersuchung eine so
verschiedene ist. Das Gros der Menschen ist praktisch gesund, wenn auch
nicht immer im idealen Grade, aber es kommt nicht in die Ordination!
Auf den Arzt macht aber ein Kranker, dessen Krankheit hätte vermieden
werden können, besonderen Eindruck. Anlage und Vererbtes, die Disposition,
ist für uns Analytiker gegenüber dem Früherlebten allzuschwer erfaßbar.“
LLNEEELTTTTETEETEETTUEFEETEETTTTTTETEUTUTIEEEEELUUUEEEETUTEIEEEFEEUPUEEEEETUUUPEEEETTEEEEEFEEFEUPE EEE EEUUU IP PEEUPUUU TEE ELDPUUTUUUUUUEUU TUT EETTUTTLUUUUELTTTTTTTEETTELTTEETT EEE ETT
Die Wiener Diskussion aus dem Jahre IO12'
Von Dr. Paul Federn, Wien
Bei dem im Jahre ıgı2 abgehaltenen „Symposion“ über die Onanie
standen alle Teilnehmer einig auf dem Boden der damaligen Lehren der
Psychoanalyse: Die Trieblehre, die dynamische, ökonomische und topische
Auffassung des Seelenlebens, der Gegensatz „Ich- und Sexualtriebe“ als
Schauplatz der Neurosen und Psychosen, die Angst als Folgeerscheinung
unerledigter Libido. Die Probleme des Ichs waren noch nicht formuliert.
Den meisten Teilnehmern stand der Ödipuskomplex noch als Neuerwerb
vor Augen; eine Erklärung, die über ihn hinausging, schien nicht nötig.
Nur Einzelne haben noch unformulierte Probleme und weiter gehende
Lösungen vorgebracht.
Bei voller Einschätzung dieser Leistungen einzelner hat man den Ein-
druck, daß doch allein des Meisters Methode und vorwiegend seine Befunde
verwendet wurden; auch dort, wo ihm widersprochen wurde, war der
Widerspruch erst durch seine positive Ansicht möglich geworden. Auch
der am meisten widersprechende Teilnehmer, Stekel, konnte nur den
Weg Freuds weitergehen, um zur Meinung zu kommen, daß auch die
Neurasthenie ausschließlich durch psychogene Mechanismen verursacht
werde.
Wenn wir aus allen noch sehr lesenswerten Beiträgen das Positive vereinen,
so kommen wir zum Gesamtergebnis, daß wir über die damalige Klärung
nicht hinausgekommen sind. Aber in einem sind wir wesentlich weiter:
Wir, die Psychoanalytiker selbst, haben die volle Objektivität gegenüber
dem Problem erworben. Während damals noch die Schädlichkeitder
Onanie gegen unsere Absicht zum Hauptproblem geworden war, kann
heute die Bedeutung der Onanie unser unbefangenes Interesse erwecken
und die Frage ihrer Schädlichkeit und ihres Nutzens als Teilproblem
behandelt werden. Vor ı5 Jahren hörte man noch in unserem Kreise
Worte wie „Laster“ und „fallen“, „Unzucht“, „Abnormität“, auch Ratschläge,
durch Aufklärung vorsichtig „abzuschrecken“ und vor der Onanie zu
ı) Die Onanie. Vierzehn Beiträge zu einer Diskussion der „Wiener Psycho-
analytischen Vereinigung“. I. F. Bergmann, Wiesbaden, ıgı2.
— 100 —
„warnen“. Ich denke heute uns alle einig, daß die hygienische Hilfe bei
der Sexualentwicklung solche Worte nicht kennen darf. Aber wie damals,
sind wir auch heute noch nicht darüber einig, ob und wann man über-
haupt die Onanie zu bekämpfen hat, und ob die Art und Häufigkeit der
Onanie bloß als Symptom oder auch als Ursache von Krankheit zu gelten
hat. Immer wieder sprechen die unmittelbaren Folgen der Onanie bei
manchen Personen, die sonst nicht oder kaum neurotisch sind, auch hier für
eine körperliche Wirkung. Ferenczi hat damals zuerst von der „Eintags“-
Neurasthenie gesprochen.
In bezug auf die Formulierung vieler Probleme wurden aber große
Fortschritte gemacht. Das ist ein Zeichen unserer größeren Objektivität,
Das Verdienst daran hat die Aufdeckung des Kastrationskomplexes und die
Erforschung der Ichstruktur. Nur von zwei Autoren, Ferenczi und
Sachs, wurde schon damals der Kastrationskomplex als Hauptmotiv zur
Erklärung des Önanie-Angstproblems herangezogen, von den anderen
Autoren nur die Androhung der Kastration als schädliches Einzelfaktum
besprochen. |
Wir würden heute jede Krankengeschichte viel mehr um den Kastrations-
komplex zentrieren, wir würden in der Angst und in dem Schuldgefühl
den passiven und aktiven Kastrationskomplex suchen — die Größe seines
Anteils könnten wir aber auch nur theoretisch feststellen. Erst wenn
nicht nur der Analytiker, sondern wenn jeder Erzieher psychoanalytisch
wird beobachten können, werden die 1912 ungelösten Probleme wirklich
gelöst werden können. Heute bleibt nichts übrig, als uns mit dem
Aufdecken des Nebeneinander vieler Motive zu begnügen. Die Gefahr
besteht immer, daß ein gerade modern gewordenes Motiv überschätzt
wird.
Diesen Vorwurf nun kann man der Wiener Diskussion als Gesamt-
leistung nicht machen. Obgleich das „Wort“ Identifizierung nur einmal
gebraucht wird, ist doch auch die Ichentwicklung reichlich zur Sprache
gekommen. Rank stellt wie Sadger Charaktertypen auf, die speziell
durch die Art des Abgewöhnungskampfes der Onanie bedingt seien, so den
lügenhaften Charakter, der die Verlogenheit im Ableugnen und Verbergen
des sexuellen Geheimnisses auf alle Gebiete überträgt, obgleich er sich
seiner Lüge schämt. Die Fixierung des Zwanges zur Ableugnung der
Wahrheit sei eine Reaktion gegen den verdrängten Selbstvorwurf der
Masturbation. Im Gegensatz dazu sei die Umwandlung in Wahrheits-
fanatismus eine Sublimierung. Wir würden heute den Wahrheitsfanatismus
als Reaktionsbildung bezeichnen.
Im Gedächtnis blieb mir eine Bemerkung Freuds anläßlich eines
früheren Vortrags Ranks über die Onanie, bei der Tausk vom
Wahrheitsfanatismus der Onanisten sprach. Freud teilte eine besondere
Bedingung dafür mit: daß nämlich die Onanie unentdeckt geblieben und
aus eigener Kraft aufgegeben worden war.
— 107 —
Im Wahrheitsfanatismus erkennen wir heute die sadistische Kraft, die
sowohl die Onanie als die Lüge mit Strenge unterdrückt, und finden sie
durch die Identifizierung mit einem strengen Vater in diese Richtung
gelenkt — nach Freuds Bemerkung, eines Vaters, der die Onanie des
Sohnes nicht entdeckt und ihm dadurch die Lüge erspart hatte. |
Rank fand auch die Kleptomanie durch die Verheimlichung der Onanie
bedingt und als Fortsetzung und Steigerung der onanistischen Lüge. Der
aktive Kastrationskomplex und der Penisneid werden nach früheren
Angaben Stekels als Quellen der Kleptomanie erkannt, wenn auch noch
nicht mit diesem Namen benannt.
Manche Eigenschaften des Analcharakters finden nach Rank eine zweite
Quelle in Resten der Reaktion gegen die Onanie. Der Waschzwang ergänzt
und bestärkt die analerotische Sauberkeit, der Hang zur Lüge den anal-
erotischen Trotz; die analerotische Pünktlichkeit findet ihre Fortentwicklung
im Zwang zum 'Terminsetzen, das nach Freud vom Abwehrkampf gegen
die Onanie ebenso herzuleiten ist wie die Neigung so vieler Kinder, das
Beste für zuletzt aufzuheben. Der Zusammenhang der Naschsucht mit der
Onanie, der hysterischen Anorexie, Nahrungsverweigerung mit ihrer Abwehr
(Binswangers „Hysterie-Analyse“)' sind wichtige Beiträge.
In der Diskussion wird noch vom „Masturbanten“, vom „Onanisten“
als Typus gesprochen. Wir würden heute das nicht mehr tun, weil wir
in der Onanie etwas Normales zu sehen gewohnt sind. Diese „moderne“
Anschauung fand auch in der damaligen Diskussion schon ihre Vertreter,
(Freud, Tausk, Stekel, Federn.) Daß ein normaler Vorgang auch für
Störungen das ursächliche Moment enthält, erklärt sich dadurch, daß die
Neurosen die Kultur notwendig begleitende Störungen sind.
Freud selber betont aber, daß die Onanie „weder biologisch noch
psychologisch etwas Letztes, kein wirkliches Agens, sondern nur ein Name
für gewisse Tätigkeiten“ sei, „aber trotz aller Weiterführungen bleibt das
Urteil über die Krankheitsverursachung doch mit Recht an diese Tätigkeit
geknüpft — Onanie ist nicht gleichzusetzen mit der Sexualbetätigung
überhaupt, sondern ist solche Betätigung mit gewissen einschränkenden
Bedingungen. Es bleibt also möglich, daß gerade diese Besonderheiten der
onanistischen Betätigung die Träger ihrer pathogenen Wirkung seien.
Die klinische Beobachtung mahnt uns, die Rubrik: schädliche Wirkungen
der Onanie, nicht zu streichen.“ Ich weiß, daß Freud auch heute noch
derselben Meinung ist.
Während Rank Charaktertypen hervorhob, sprach Tausk
ausführlich über die Einwirkung der Onanie auf jedermanns
Gesamtpersönlichkeit. Die Onanie selbst und ihre Wirkung sind nur eine
Funktion des Verhältnisses der Ich- zur Sexualentwicklung. — Werden
die Entwicklungsstufen, die zu den sexuellen Nebenzonen und zur
ı) Jahrbuch für Psychoanalytische Forschung, I., $S. 262, 1909, Wien, Deuticke.
— 108 —
am u
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' Genitalität gehören, vom Ich schon verlassen, vom Trieb noch besetzt
gehalten, dann wird entweder die Befriedigung inadäquat oder aber das
Ich muß in seiner Entwicklung gehemmt werden.
Solch ein kurzer Satz wird den reichen Gedanken Tausks nicht gerecht. Als
Beispiel für seine logische Diktion zitiere ich seine Abgrenzung der Onanie als:
„... jene Art sexueller Betätigung am Genitale oder an einer sexuellen
Nebenzone, die keinen Partner zur wesentlichen Voraussetzung hat, und
deren Ziel es ist, die sexuelle Erregung direkt zu entspannen. Nicht
hieher zähle ich die symbolische Darstellung der sexuellen Lust (neu-
rotisches Symptom, Sublimierung). Die Tatsache, ob die onanistische
Aktionsvorstellung bewußt oder unbewußt ist, ist für den Begriff der
Onanie irrelevant.“
Tausk vertrat die Wichtigkeit und Nützlichkeit der Reizung der
erogenen Zone im Säuglingsalter. Sie wird der Anlaß dazu, daß das Kind
seine Lustbedürfnisse von anderen Menschen abhängig macht und bei
anderen Menschen zu befriedigen sucht; sie sind „...Bedingung für die
Entstehung der Neigung zu Menschen, für die Entstehung der Liebe“.
Damit übertreibt vielleicht Tausk die Ansicht Freuds, daß die Reizung
der Genitalzone durch die Säuglingspflege das spätere Primat des Genitales
vorbereitet; in der Diskussion verteidigte Freud diese Ansicht gegen
Reitlers Einwendungen, gab aber zu, daß es richtiger sei, die „Absicht“
der Natur nicht als Argument heranzuziehen.
Sadger führte, damit dem allgemeinen Stand des Wissens voraus
eilend, alle spätere Onanie, insbesondere alle mit ihr verbundenen,
bewußten und unbewußten Phantasien, auf die Erlebnisse mit der Mutter
in dem ersten Jahre zurück. — „Die letzten Wurzeln jeder Selbstbefriedigung
ruhen in der notwendigen Säuglingspflege. Und dieser Quelle zur Mastur-
bation entgeht kein Kind, wie trefflich auch sonst Erziehung und Wartung. E
Die strenge Abgewöhnung der Kinderonanie hielt er für nötig.
Mit vollem Rechte meint er mit mehreren Autoren, daß die Onanie
nur gegen Liebeseintausch aufgegeben wird.
Ob die Pädagogik — die richtige Pflege in den ersten zwei Jahren ist
vielleicht der wichtigste Teil aller Pädagogik — aus diesen Anschauungen
die Förderung der Reizung der erogenen Zonen lernen soll, oder, wie Meng,
Federn und Schneider es im Volksbuch vertreten haben, diese auf ein
Minimum beschränken soll, ist heute noch ebensowenig zu beantworten
wie früher, Die Tradition der guten Kinderstube spricht für Zurückhaltung
von zuviel Zärtlichkeit. Aber gehen aus der guten Kinderstube die
Menschen weniger neurotisch hervor, wenn sie auch sympathischer sind ?
Sadger kommt auf die sexuelle Konstitution, d. h. die angeborene
Größe der einzelnen Partialtriebe, zu sprechen. Sexuelle Konstitution und
Einwirkungen der frühen Kindheit sind aber nur durch unmittelbare
Beobachtung am Kinde voneinander zu scheiden. In der Psychoanalyse
ist nur ihre subjektive Abschätzung möglich ; wir greifen auf Konstitution
zurück, wenn uns die psychoanalytisch erforschten Außenbedingungen das
Vorherrschen oder das Fortdauern eines Partialtriebes nicht genügend
zu erklären scheinen. — Die Minderwertigkeitszeichen eines Organsystems,
wie sie Adler und andere Forscher angeben, sind zur Beantwortung der
Konstitutionsfrage wertvoll. Für die richtige Beobachtung und die Beant-
wortung der Frage brauchen wir viele psychoanalytisch ausgebildete
Kinder- und Hausärzte, Kinderpfleger und psychoanalytisch eingestellte
Mütter. Freud ironisierte in seinem Schlußworte die Annahme einer
abnormen Konstitution auf Grund des üblen Entwicklungszieles, das ein
Individuum erreicht.
Nach Sadger werden die Eindrücke der ersten Kinderjahre nicht
einfach auf spätere Objekte und Inhalte übertragen. Wichtig ist, daß die
Kinderszenen mit Umkehrung der Personen wiederkehren, insofern als in
den onanistischen Phantasien, ebenso wie bei der Objektwahl, die Rolle
der Mutter eingenommen wird, während die eigene Person als Objekt
phantasiert, respektive gesucht wird. Daß die Kinderonanie auf diese Weise
zur Homosexualität führen kann, ist gleichfalls Sadgers Befund. Der
Zusammenhang von mutueller Onanie und Homosexualität wird auch von
Hitschmann hervorgehoben.
Ich muß viele sonstige interessante Teilprobleme weglassen zugunsten
des Streitpunktes, auf welchen die Diskussion sich zuspitzte. Ist die Quelle
der Schädlichkeit das Schuldgefühl, das sie begleitet ? Der Schädigung des
Charakters durch die Onanie wurden viele nützliche Reaktionen auf das
Schuldgefühl entgegengestellt. Die Quellen dieses Schuldgefühls wurden
von fast allen Autoren erörtert.
*
An und für sich war das Schuldgefühl damals ein noch völlig ungeklärtes
Thema. Manche Diskussionsredner, vor allem Stekel, haben nur die
schuldbeladene Onanie für schädlich erklärt und nur das Schuldgefühl
für den Schaden verantwortlich gemacht. Mehrere Autoren (Dattner, Federn,
Roffenstein) schreiben der Hemmung durch das Schuldgefühl eine direkte
Einwirkung auf den noch nicht genug studierten Ablauf der körperlichen
Vorgänge in den Geschlechtsorganen und den dazugehörigen Drüsen und
Nervenzentren zu. — Roffenstein verglich die Schädlichkeit der Onanie
mit solchen Magenleiden und Appetitverlust, wie sie entstehen, wenn man
während des Essens sich kränkt oder ärgert, oder aber auch nur sich
geistig zu sehr anstrengt.
Federn hat schon damals behauptet, daß die Onanie schädlich wirken
kann, nicht muß, wenn sie nicht zur vollen Befriedigung führt. Dann
wird der Rhythmus der sexuellen und aller anderen psychischen und
somatischen Abläufe gestört; statt der sexuellen Pause bleibt halbe Erregt-
heit zurück; Verstimmungen — man könnte sie Eintagsmelancholien
nennen — sind bei neurotischen Individuen die Folge. Das Schuldgefühl
ist die wichtigste Ursache für die Unbefriedigtheit durch den onanistischen
10
Akt. Das Schuldgefühl führt zur vorzeitigen neuerlichen Onanie, um in
der Verstimmung Trost zu finden.
Heute kann ich auf Grund vieler Erfahrungen hinzufügen, daß die
seelische Hilfe die Onanie in der Pubertät durch Befreiung vom Schuld-
gefühl zur harmlosen Notonanie reduziert und sie oft ganz aufgeben läßt.
Die Diskussion wurde durch ein Resume Freuds abgeschlossen, in dem
er sagt: „Einig sind wir wohl alle:
a) über die Bedeutung der den onanistischen Akt begleitenden oder
ihn vertretenden Phantasien,
b) über die Bedeutung des mit der Onanie verknüpften Schuldbewußtseins,
woher immer dieses stammen mag,
c) über die Unmöglichkeit, eine qualitative Bedingung für die Schäd-
lichkeit der Onanie anzugeben. (Hierüber nicht ohne Ausnahme einig.)
Unausgeglichene Meinungsverschiedenheiten haben
sich gezeigt: |
a) in Betreff der Leugnung des somatischen Faktors der Önanie-
wirkung. i
b) in Betreff der Abweisung der Onanieschädlichkeit überhaupt,
c) in Bezug auf die Herkunft des Schuldgefühls, das die einen von
Ihnen direkt aus der Unbefriedigung ableiten wollen, während andere
soziale Faktoren oder die jeweilige Einstellung der Persönlichkeit mit
heranziehen,
d) in Bezug auf die Ubiquität der Kinderonanie.
Endlich bestehen bedeutungsvolle Unsicherheiten:
a) über den Mechanismus der schädlichen Wirkung der Önanie, falls
eine solche anzuerkennen ist,
b) über die ätiologische Beziehung der Onanie zu den Aktual-
neurosen.“ — — —
„Der Schaden der Onanie scheint sich auf drei verschiedenen Wegen
durchzusetzen: |
a) als organische Schädigung nach unbekanntem Mechanismus,
wobei die von Ihnen oft erwähnten Gesichtspunkte der Maßlosigkeit und
der inadäquaten Befriedigung in Betracht kommen.
b) auf dem Wege der psychischen Vorbildlichkeit, insoferne
zur Befriedigung eines großen Bedürfnisses nicht die Veränderung der
Außenwelt angestrebt werden muß. Wo sich aber eine ausgiebige Reaktion
auf diese Vorbildlichkeit entwickelt, können die wertvollsten Charakter-
eigenschaften angebahnt werden.
c) durch die Ermöglichung der Fixierung infantiler Sexual-
ziele und des Verbleibens im psychischen Infantilismus. Damit ist dann
die Disposition für den Verfall in die Neurose gegeben. Als Psychoanalytiker
müssen wir für diesen Erfolg der Onanie — gemeint ist hier natürlich
die Pubertätsonanie und die über diese Zeit hinaus fortgesetzte — das
größte Interesse aufbringen. Halten wir uns vor Augen, welche Bedeutung
— 1»
die Onanie als Exekution der Phantasie gewinnt, dieses Zwwischenreiches,
welches sich zwischen dem Leben nach dem Lust- und dem nach dem
Realitätsprinzip eingeschaltet hat, wie die Onanie es ermöglicht, in der
Phantasie sexuelle Entwicklungen und Sublimierungen zu vollziehen, die
doch keine Fortschritte, sondern nur schädliche Kompromißbildungen sind.
Dasselbe Kompromiß macht allerdings nach Stekels wichtiger Bemerkung
schwere Perversionsneigungen unschädlich und wendet die ärgsten Folgen
der Abstinenz ab.“
Schließlich macht Freud darauf aufmerksam, daß die Formen der
unbewußten Onanie zu wenig behandelt wurden, die Onanie im Schlafe,
in abnormen Zuständen, in Anfällen. Ferner sagt er: „Man kann auch
von einer therapeutischen Wiederkehr der Onanie sprechen. Mehrere von
Ihnen werden bereits wie ich die Erfahrung gemacht haben, daß es einen
großen therapeutischen Fortschritt bedeutet, wenn der Patient sich während
der Behandlung wiederum der Onanie getraut, wenngleich er nicht die
Absicht hat, dauernd auf dieser infantilen Station zu verweilen.“ ..
„auch hat eine große Zahl grade der schwersten Neurotiker in den
historischen Zeiten ihrer Erinnerung die Onanie vermieden, während sich
durch die Psychoanalyse nachweisen läßt, daß ihnen diese Sexualtätigkeit in
vergessenen Frühzeiten keineswegs fremd geblieben war.“
Bekanntlich hat Freud in seinen allerersten. Arbeiten die Aktual-
meurosen und Psychoneurosen nach ihrer Verursachung getrennt. In der
Diskussion von 1912 verteidigte er diesen Standpunkt gegenüber Stekel.
— Vor wenigen Wochen hat ihn Freud neuerdings festgehalten, sowohl
gegenüber denjenigen, welche auch die Aktualneurosen (Neurasthenie,
Angstneurose, Hypochondrie) auf psychogenem Wege erklären wollen, als
denen gegenüber, welche dem körperlichen Faktor der Unbefriedigt-
heit ein zu großes Maß in der Frage der Verursachung und Heilung der
Psychoneurosen zuschreiben. Freud widersetzt sich heute wie damals
den Tendenzen, Fragen zu vereinfachen, um sie einseitig zum Scheine
zu lösen.
Wir wollen seinem Beispiel folgen und anerkennen, daß die im Jahr
1912 offen gebliebenen Fragen auch heute noch nicht endgültig
beantwortet sind.
ANENNNNKNNNNNUNENLRREUNNERUENIIUERNNNEE
Das Problem der Onanie von Kant bis F reud
Von Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart
Die Wertung der Onanie bei Ärzten und Nichtärzten ist in den letzten
hundertfünfzig Jahren starker Wandlung unterworfen. Kant spricht an
der Wende des achtzehnten Jahrhunderts von der „wollüstigen Selbst-
schändung“, er verwirft dies „Laster“ aufs schärfste und spricht überhaupt
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dem Menschen das Recht ab, seine Geschlechtseigenschaften der bloßen
tierischen Lust zu widmen, für ihn ist die Selbstschändung noch schlimmer
als Selbstmord, schon deshalb, weil man von letzterem sprechen könne,
von ersterer nicht oder nur mit Beschämung. Zur Zeit Kants hatte ein
berühmter Arzt, Tissot, ein Buch über Onanie veröffentlicht, in dem er
viele Krankheiten aufzählte, die von der Onanie herrühren sollten, ein
Buch, das auf Ärzte und Nichtärzte einen nachhaltigen Eindruck machte.
Er ist auch der Schöpfer des Wortes „Onanie“. Theologen, Ärzte, Pädagogen
waren der Meinung, daß Onanie eine seltene, nur bei abnorm veranlagten
Menschen auftretende Unart sei, und verbanden zum großen Teil damit
den Begriff der Sünde. Sie wiesen immer wieder darauf hin, daß viele
Gehirn- und Rückenmarksleiden damit in Zusammenhang stünden,
Millionen von Menschen des neunzehnten Jahrhunderts reagierten auf
diese Lehre mit Krankheitssymptomen. Populäre Schriftsteller, darunter
auch Kurpfuscher, malten das Bild des Leidens so grell aus, daß mancher
'schwankende Jüngling, wie nach der Lektüre von Werthers Leiden, seinem
Schuldgefühl durch Selbstmord nachgab.
Es geht immer sehr lange, bis Arzt und Volk ihre Meinung ändern ;
manchmal hat das Volk früher die gute Einsicht, manchmal der Arzt.
Erb, ein bedeutender Nervenarzt in Heidelberg, hat schon in den acht-
ziger Jahren des letzten Jahrhunderts darauf hingewiesen, daß viele
angeblich der Onanie zur Last gelegten Krankheiten gar nichts mit ihr
zu tun haben, und daß Onanie harmloser und verbreiteter sei, als Ärzte
und Laien annehmen. Die Tierbeobachter konnten zeigen, daß die Onanie
auch im Tierreich, sowohl in der Natur wie unter bestimmten Bedingungen
der Gefangenschaft oder der Domestikation, häufig sei, so daß die Spezihität
dieser „Menschensünde“ sehr in Frage gestellt wurde. Die Onanie bildet
aber weiterhin für breite Schichten die Ursache für viele Leiden, eine
Art Opferlamm, vergleichbar dem Juden, auf den in der Progromstimmung
alle Schuld geworfen wurde, oder vergleichbar der Frau, die als Hexe
dem Aberglauben des Mittelalters zum Opfer fiel. Hatte Kant an der
Wende des achtzehnten Jahrhunderts die Onanie als Sünde schlimmster
Art gebrandmarkt, bei der sich der Mensch „unter das Vieh herabwürdigt“,
so trat mit der Forschung Freuds an der Wende des neunzehnten Jahr-
hunderıs eine Forschung ins Leben, die im Laufe der letzten dreißig
Jahre die Grundlage zu einer menschenwürdigen und affektfreien
Betrachtung des Problems gab. Freud und seine Schule haben, auf den
„Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“, die Freud vor rund zwanzig Jahren
herausbrachte, aufbauend, die neue Lehre der Sexualität des Menschen
begründet und dadurch auch das Dunkel der alten Onanielehre aufgehellt.
Für den Pädagogen, für den Arzt und für die Eltern ist ein genügendes
Wissen von der Forschung Freuds notwendig, um über ÖOnanie mit
Kindern sprechen zu können und Ungeschicklichkeiten bei ihrer
Bekämpfung zu vermeiden. Er muß in der Lage sein, das Werden des
Kindes ruhig zu beobachten und durch sein Wissen so zu leiten, daß die
Fehler der alten Erziehung vermieden werden. Zur Orientierung über unser
heutiges Wissen von der T’riebentwicklung des Kindes und ihre Bedeutung
für die Pädagogik empfiehlt es sich, die Originalarbeiten von Freu d,
Anna Freud, Aichhorn, Bernfeld, Friedjung, Hug-Hellmuth,
‚Pfister, Schneider zu lesen. Die im Buchhandel erschienenen
üblichen „hausärztlichen Berater“ enthalten fast ausnahmslos noch die
Urteile der alten Medizin und der alten Pädagogik, also Anschauungen,
wie ie Kant und Tissot vertreten haben. Freud fühlte schon vor
Jahren die Trostlosigkeit dieses Zustandes, als er sich entschloß, bei dem
Sammelwerk von Koßmann-Weiß („Die Gesundheit“, Union, Stuttgart),
einem volkstümlichen :Aufklärungswerk, mitzuarbeiten. Er schrieb einen
Beitrag über Psychoanalyse, der ziemlich vereinzelt in seiner fortschrittlichen
Gesinnung unter zahlreichen anderen Arbeiten von Fachgelehrten steht.
Schreibt doch im selben Werk der Kinderarzt Prof. Johannsen, daß
man bei Onanie durch Behandlung mit elektrischen Strömen meist rasche
und endgültige Heilung sehe. Federn und ich suchten eine neue
Phase in der volkstümlichen medizinischen Literatur einzuleiten. Wir
machten im „Ärztlichen Volksbuch“ und später im „Psychoanalytischen
Volksbuch“ die Freudsche Lehre nicht nur zur selbstverständlichen Grund-
lage der Kapitel über die sexuelle Frage, sondern wir suchten auch in
den Kapiteln über Pädagogik und Behandlung Kranker den Erwachsenen
aufzuklären über die tiefe Bedeutung der durch Freud begründeten
Psychologie für die gesamte Wissenschaft.
Um nur einiges hervorzuheben, was der moderne Erzieher wissen muß,
sei folgendes gesagt: Daß Säuglinge, kleine Kinder und Halberwachsene
in bestimmten Phasen ihrer Triebentwicklung onanieren, ist nicht nur
auf psychoanalytischer Seite, sondern auch von zahlreichen anderen
Beobachtern bestätigt und erscheint heute als eine notwendige und
verständliche Entwicklungsphase. Die Onanie ist kein einheitlicher Begriff,
sondern Symptom vieldeutiger Art, nur in Ausnahmsfällen Symptom einer
Erkrankung. Der psychologisch geschulte Arzt ist meist schon jetzt
imstande, und wird durch weitere Erfahrung immer sicherer sein, durch
Beobachtung und Untersuchung hierüber zu entscheiden. Störungen der
Gesundheit, die im Zusammenhang mit onanistischen Phasen auftreten,
sind meist bedingt durch die Phantasien und durch den Abwehrkampf und
nicht durch die direkte körperliche Schädigung des betreffenden Kindes.
/u intensive Beschäftigung mit den Geschlechtsteilen des Kindes,
2. B. übertriebene Reinlichkeitsprozeduren, überflüssige, lokale und falsche
Bekämpfung von Stuhlverstopfung, Bettnässen, Appetitstörungen, rein auf
dass Organ gerichtete therapeutische Eingriffe, andererseits aber
auch alle Methoden der Drohung, Einschüchterung, ferner die Bewunderung
des Kindes und seiner Leistung durch übertriebene Zärtlichkeit der
Pflegepersonen, das ungeschickte Verhalten der Erzieher in sexuellen
— I4U —
Dingen (Schlafzimmermilieu), die Verführung des Kindes durch Haus-
angestellte, die zweifellos häufiger ist, als man allgemein annimmt, können
unter Umständen die natürliche Entwicklung, auch seine sexuelle
Entwicklung heftig stören und die konstitutionelle Veranlagung für
Hysterie, Zwangsneurose, Impotenz, geschlechtliche Gefühlslosigkeit
entscheidend beeinflussen. Angst und Schuldbewußtsein sind der Nährboden
für viele Selbstvorwürfe, die das zeitweise onanierende Kind, wenn es von
dem Erwachsenen falsch geführt wird, schüchtern, unsozial, verlogen.
bzw. wahrheitsfanatisch, in beiden Fällen eigenbrödlerisch und meist unproduktiv
machen. Die Frühonanie ist Ausdruck eines mächtig einsetzenden Impulses
in Richtung des späteren Sexuallebens und kann zum Antrieb werden
für das spätere Einsetzen der normalen Schamgefühle und für die weitere
soziale Anpassung und Selbstbeherrschung des Individuums. Faktoren, wie
falsche Ernährung, Aufenthalt von Würmern im Darm, Hauterkrankungen
und andere, die das Kind sexuell reizen, müssen zwar entsprechend
ärztlich behandelt werden, aber stets unter Berücksichtigung der jeweiligen
Libidoentwicklung und der Eigenart des Kindes. Die erzieherische
Unfähigkeit vieler Erwachsener besteht in ihrer psychologischen
Ungeschicklichkeit, Stellung zu nehmen zur infantilen Sexualität. Die
Erkenntnis des eigenen Werdens und das Wissen von der biologischen
und psychologischen Entwicklung des Menschen ist die Grundlage einer
gesunden Einstellung zum Kind und damit auch zur Önanie.
AINIRUEIRNELIUIIAIEEIIRINUHLEKIEIIENUIUIEKIENLRLIEILIELIENUENEIEIIEIIEIUUIURUUIUNEIIRIIELRINENIAIEINNUN
Zwei Vorbemerkungen zur Onaniediskussion
Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.
I) Die Bezeichnungen für Selbstbefriedigung
Wenn wir uns mit den Fragen beschäftigen wollen, die sich um den
Begriff der Selbstbefriedigung gruppieren lassen, so werden wir gut daran
tun, uns zunächst die Ausdrücke anzusehen, welche dafür in der Literatur
geläufig sind. Am häufigsten wohl wird das Wort Onanie benützt, d. h. Tat
des Onan. Wie wir uns ı. Mose, 38 überzeugen können, handelt es sich
jedoch bei Onan um einen vorzeitig abgebrochenen Geschlechtsverkehr,
etwas, was wir Coitus interruptus zu bezeichnen gewohnt sind und was man
auch unter Überdehnung des Begriffes Onanie — Selbstbefriedigung mit
Onanie conjugalis (eheliche Onanie) benannt hat. Der Ausdruck Onanie
beruht also auf einer Begriffsentstellung.
Weiter ist sehr gebräuchlich das Wort Masturbation. Dieses Kunstwort
ist zusammengezogen aus manu stupratio, gleich Schändung mittels der
Hand. Bei dieser Wortbildung ist nicht nur „nu“ vor „s“ ausgefallen,
sondern auch „pr“ in „rb“ verwandelt, Nun haben sich allerdings im
Lateinischen im Laufe jahrhundertelangen Sprachgebrauches vor einem
— 15 —
„s manchmal Laute abgeschliffen. Eine derartige Ausschaltung in einem
Kunstwort dürfte jedoch wohl nicht die Regel sein, zum mindesten
bestand kein sprachlicher Zwang dazu, wie sich aus dem Wort Manuskript
ergibt. Vertauschungen von „pr“ in „rb“ werden wohl auch anderwärts
zu finden sein, aber sie sind gleichfalls nicht zwingend, wie das Beibehalten
des Wortes stuprum ergibt. Ich möchte offen lassen, ob bei der Verwelschung
des Wortes eine Klangangleichung an mas-turbatio, etwa zu übertragen
mit: Störung des männlichen (Gliedes), mitgewirkt hat. Sicher ist: dieses
zweite, für Selbstbefriedigung gebräuchliche Wort Masturbation beruht
auf einer Lautentstellung.
Die Tatsache, daß von den zwei für einen Begriff üblichen Ausdrücken
der eine eine Entstellung des Begriffes, der andere eine solche der Laute
zeigt, muß stutzig machen. Es sind nicht eben Dinge, denen wir kühl
— sine ira et studio — gegenüberstehen, welche wir entstellen oder
entstellt weiter gebrauchen. Warum brachte die bekannte Vorliebe der
Gelehrten, immer neue Termini technici zu prägen, hier kein affektloseres
Wort zustande als Tat des Onan, ein todeswürdiges Verbrechen, wie die
Bibel sagt, stupratio, Schändung, ein Vergehen? Ebenso deutlich nimmt
das in der Popularwissenschaft vielgebrauchte Wort: Selbstbefleckung,
Beschmutzung also, bereits ein Urteil vorweg,
Die Betrachtungen der Bezeichnungen für Selbstbefriedigung lehrt uns
also, die Resultate bisheriger Wissenschaft sehr skeptisch zu betrachten.
II) Stammesgeschichtliche Vorläufer der Selbstbefriedigung und
deren Verdrängung
Bei tief bewußtlosen Kranken, noch zu einer Zeit, da der Hornhaut-
und andere Fluchtreflexe bereits erloschen sind, beobachtet man oft ein
Spielen einer Hand am Genitale. Gewisse Eigentümlichkeiten der Finger-
und Handstellung (Streckung des Handgelenks und der Zwischenfingergelenke
bei spitzwinkliger Beugung der Fingergrundgelenke und Heranführung
des gestreckten Daumens: sogenannte Pfötchenstellung) weisen darauf hin,
daß diese Bewegungskombinationen in einem sehr alten Gehirnteil, den
sogenannten Stammkernen, ihr Zentrum haben. Nur bei Wegfall des
Großhirns und seiner Hemmungsfunktionen tritt also die Bewegungsunruhe
ein. Dies lehrt uns, daß einem uralten Drange nach Spielen am Genitale
ein schon erblich überkommener Hemmungsapparat gegenübersteht. Es ist
wahrscheinlich, daß er funktionieren wird, wenn wir nicht mit läppischer
Hand in das natürliche Getriebe eingreifen.
Ist schon die Tatsache an sich interessant, so scheint es mir fast noch
bemerkenswerter, daß die häufig zu machende Beobachtung in der wissen-
schaftlichen Literatur nicht verwertet wird. Wie ich mich durch Rundfrage
bei zahlreichen Ärzten vergewissert habe, ist die Kenntnis der Tatsache
geläufig. Aber man spricht nicht davon. Soll man nicht wissen, daß in
jedem Menschen ererbte Antriebe zu Spielen am Genitale bestehen ?
— 16 —
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Zur Frage der Onanie des Kindes
Von Josef K. Friedjung, Wien
Ungefähr zu derselben Zeit, da jene bekannte Diskussion über die |
Onanie in der Wiener Psa. Vereinigung geführt wurde, erschienen kurz
nacheinander zwei Arbeiten aus der Feder von Kinderärzten, Neter und
Friedjung, über die Onanie im Kindesalter. Beide Autoren stellten die
eroße Häufigkeit der Kinderonanie, auch schon im zartesten Alter, fest,
beide konnten nichts über schädliche Folgen davon berichten. Heute möchte
ich rückschauend prüfen, wie sich denn die Kinderärzte unserer Tage zu
dieser wichtigen Frage stellen, und jene Fragen, die ich vor fünfzehn Jahren
unbeantwortet lassen mußte, neuerlich aufwerfen.
Seit jener Zeit habe ich wiederholt im medizinischen, insbesondere
pädiatrischen Zeitschriften die Sexualität des Kindes in mannigfachen
Zusammenhängen erörtert und manches davon, wie die sogenannten Milieu-
schäden und ihre Wirkungen, hat wohl allgemeine Annahme gefunden.
Daß meine Darstellungen immer wieder darlegen mußten, wie meine
unmittelbaren Beobachtungen an Durchschnittskindern die Thesen Freuds
zur Sexualtheorie fast in allen Einzelheiten bestätigt haben, konnte ihrer
Anerkennung begreiflicherweise nicht nützen. Das hatte nur zur Folge,
daß mich pädiatrische Kritiker immer wieder unter die Psychoanalytiker
einreihten, um vom offenbar viel zuverlässigeren „kinderärztlichen Stand-
punkte“ solche verstiegene Darstellungen auf das richtige Maß zurück-
führen zu können. Solch ein „richtiges Maß“ wird immerhin bereits
zugestanden, ja, man stellt es gelegentlich so dar, als hätte man dies seit
jeher gewußt, und als ziehe man nur gegen die „unzulässigen Ver-
allgemeinerungen”, gegen die „Pansexualisierung“ und ähnliche Irrtümer
zu Felde. Ich muß dann immer von neuem betonen, daß ich ja auch Kinderarzt
sei und die ehrende, aber nicht ehrend gemeinte Zugehörigkeit zu den Psycho-
analytikern in der Beweisführung ablehnen müsse. Und so ringt sich denn
allmählich die Anerkennung der Tatsachen durch, und kleine Mitteilungen
da und dort, so von Bodek über Aggressionen von normalen Kindern
mit dem Ziele des Beischlafs, von F alkenstein über einen zwei-
jährigen Masturbanten, ohne Affekt, höchstens noch mit Verwunderung
dargestellt, wirken dabei dankenswert mit. In einer größeren Arbeit hat
Villinger zur Onanie des Kindes Stellung genommen. Er anerkennt
zuerst Freuds großes Verdienst um die Erkenntnis der Sexualität des
Kindes, kritisiert aber im weiteren Gange seiner Arbeit fast alles wieder
weg, was er eingangs anerkannt hat. Er stellt wohl fest, daß die kindliche
Onanie keine sichtbaren Schäden zur Folge hat; wenn er aber zum
Schlusse fordert, man müsse „die Schlange der Onanie abwürgen“, so fällt
er zweifellos aus der Rolle ruhiger Sachlichkeit. Ein neuerlicher Versuch
der Flucht vor den Tatsachen ist eine kürzlich erschienene Publikation
von Faerber und Demetriades. Ihrem Lehrer Czerny war es
' aufgefallen, daß die Darstellung des Orgasmus onanierender Kinder bei den =
Autoren öfters an die eines epileptischen Anfalls gemahnt. Wird also nicht
etwa manchmal ein Geschehen am Säugling für Onanie gehalten, das in
Wahrheit ein epileptischer Anfall ist? Bei der Untersuchung dieser gewiß
berechtigten Frage gehen die Schüler über die Absichten ihres Lehrers,
der die Säuglingsonanie natürlich nicht anzweifelt, weit hinaus. Sie halten
es für zulässig, die von Neter und von Frie djung vorgeführten
Beispiele als epilepsieverdächtig zu bezeichnen, und fordern die Nachprüfung
der Onaniefrage von diesem Standpunkte aus. Erst dann könne man der
Frage nähertreten, „ob und wann wir überhaupt von einer Onanie bej
Säuglingen sprechen dürfen“. So stark hat sich hier die unbewußte Tendenz
durchgesetzt, daß es für die beiden Autoren fast eine Genugtuung wäre,
wenn alle die gesunden Säuglinge, die bisher arglos onanierten, soweit sie
es bis zum Orgasmus brachten, epileptisch wären.
Es bleibt nichts anderes übrig, als solchen Veröffentlichungen immer wieder
die eigenen Erfahrungen entgegenzustellen. Allen unbewußten Verdunke-
lungen zutrotz setzt sich die Wahrheit doch allmählich durch.
Und nun seien die alten Fragen neuerlich aufgeworfen! Wenn der
Kinderarzt von der Onanie im allgemeinen keine üblen Folgen sieht, läßt
sich dies auch von den Fällen sagen, welche regelmäßig in Orgasmus
gipfeln oder welche ein exzessives Betreiben der Gewohnheit zeigen? —
Ich habe nun schon eine recht große Zahl solcher Kinder heranreifen
sehen ohne sichtbare Folgen solcher Onanie. Es scheint also, daß die
Befürchtungen auch für sie unangebracht sind. — Zur Beantwortung der
zweiten Frage, welches wohl die Gründe seien, warum manche Individuen
später den Übergang von der Onanie zum normalen Sexualverkehr nicht
finden können, vermag der Kinderarzt nichts beizutragen. Dies fällt in
den Aufgabenkreis der Analyse derart Gehemmter. Wenn hier die Begleit-
phantasien wirklich eine Erklärung geben können, dann wirft sich die F rage
auf, ob sich auch bei onanierenden Kindern zugehörige Phantasien nachweisen
lassen. An sehr jungen Kindern gelingt ein solcher Nachweis nicht; an älteren
Kindern läßt er sich zuweilen erbringen. Ich kann Villingers Angaben
nur bestätigen, daß etwa vom achten Jahre an solche Phantasien einbekannt
werden. Sie sind bei Knaben auf ein weibliches Wesen gerichtet, enthalten
etwa die Vorstellung der möglichst engen Annäherung des eigenen Genitales
an das ähnlich gedachte der weiblichen Partnerin. Ein Knabe der Beobachtung
Villingers dachte an das Genitale eines Freundes. Er hat sich später
nicht homosexuell, sondern normal entwickelt. Auch mutuelle Onanie von
Knaben führt nach diesem Autor nicht zur Inversion.
Ich habe in meiner Monographie auch darauf aufmerksam gemacht, daß die
ziemlich häufige Angabe, ein Kind werde bald nach dem Einschlafen schweiß-
bedeckt angetroffen, nicht auf Tuberkulose hindeute, sondern meist Mastur-
bation vermuten lasse. Feer hat diese Angabe bezweifelt, ich kann sie dagegen
mit vielen Beobachtungen stützen, und auch Falkensteins Fall bestätigt sie,
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Beitrag zu einer Onanie-Diskussion
Von Dr. med. E. Hitschmann, Wien
Unsere moderne Stellung zur Onaniefrage ist das Ergebnis vermehrter
und vertiefter analytischer Erfahrung.
Ob eine Onanie genital, extra- oder prägenital ist, ob sie gehemmt
oder sorglos und voll befriedigend abläuft, macht einen großen Unterschied
in deren Bewertung.
Nicht eigentlich die Onanie gehört in die Pathologie, sondern der
Zwang zur Onanie oder die Angst vor ihr und ihren Folgen; diese
gehören in die Psychopathologie.
Wichtig zu betonen scheint mir, daß es sozusagen ein physiologisches
Minimum an Onanie gibt. Denn ein Ausbleiben der infantilen geni-
talen Onanie, sei es durch Entwicklungshemmung, sei es durch Einschüch-
terung, scheint nach Erfahrungen an Kranken ein erstes Zeichen einer
- unvollkommenen Sexualentwicklung und oft von einschneidender Bedeutung
zu sein. Die meisten Ärzte und Erzieher wissen nur die Genitalonanie zu
verbieten (am Gliede und der Klitoris) und wissen gar nichts von der
Onanie am After, Hodensack, Damm und bei Mädchen vom sitzenden
Wetzen mit der unteren Kommissur (Winkel) der Scheide und dem
Zusammenpressen der Schenkel. Diese entgehen daher der Beobachtung.
Eine mäßig ausgeübte, in der Latenzzeit unterbrochene, an der dem
Geschlecht entsprechenden Leitzone sich abspielende Onanie, ohne
wesentliche hypochondrische oder ethische Skrupel und mit vollem Orgasmus
ablaufend, zeitigt keine Folgen für Neurose oder Sexualstörung, wenn sie
mit nicht perversen, heterosexuellen Phantasien einhergeht. Ob und zu
welchem seelischen Problem die Onanie führt, hängt natürlich vom
Ichideal des Kindes ab. Ein Glück, wenn sie überhaupt nicht zum
Problem wird!
Im Sonderheft „Sexuelle Aufklärung“ dieser Zeitschrift hat ein Psycho-
analytiker erklärt: „Krankhaft ist nicht, wie allgemein angenommen wird,
das Onanieren, sondern das Ausbleiben der Onanie“. Es ist jedoch festzustellen,
daß praktisch in vielen Fällen keine Onanie zu beobachten ist, da sie
unbemerkt und bald verschwindend gehandhabt wurde, d. h. die Genitalität
kann doch erreicht sein, ohne daß klinisch Onanie festgestellt worden ist.
Meiner Ansicht nach ist es in mancher Hinsicht günstiger, wenn ein Kind
spontan wenig onaniert, nicht früh befriedigungsbedürftig ist, sondern die
Frühreife ausbleibt.
Was die seinerzeit von Freud beschriebene (sexuelle) N eurasthenie
anlangt, die auf gehäuften Pollutionen oder exzessiver Onanie beruhen
sollte, so sehen wir diesen Symptomenkomplex von Kopfdruck, Spinal-
irritation, Ermüdbarkeit, Obstipation, Dyspepsie und Flatulenz jetzt nur selten,
und dann nicht als Folge exzessiver Onanie, sondern im Gegenteil bei
solchen Menschen, die unvollkommen sexuell entlastet sind, weil sie-
extragenitale und unvollkommene Masturbation treiben und einer vollen
orgastischen Befriedigung entbehren. Sie leben eher in sexueller Stauung,
und es scheinen die Symptome der Obstipation, der Flatulenz und des
sekundären Kopfdruckes dem analerotischen Symptomkreis anzugehören
(spastische, vielleicht reflektorische Obstipation).
Patienten, auch beobachtet in Perioden exzessiver Onanie, wie sie
gelegentlich im Verlaufe von Psychoanalysen eintreten können, zeigen
keine neurasthenischen Folgen; ebensowenig Perverse, die durch die Selbst-
befriedigung die schwer erreichbaren realen Befriedigungen Jahrzehnte
hindurch ersetzen. Wenn Haarmann und Denke, die Massenmörder und
Sadisten, ihre Befriedigung durch Masturbation zu finden gewußt hätten,
wäre viel Unglück vermieden worden!
Bei der Behandlung der Impotenz und Frigidität ist es manchmal
günstig, dem Patienten (während der Psychoanalyse), die Onanie wieder
aufzunehmen, mindestens zu gestatten; so gut wirkt diese als Überwindung
der einstigen allzuheftig gewesenen Onanie-Angst.
Noch erzieht und berät im allgemeinen eine Generation von Ärzten
und Eltern, die unter dem Irrtum der Medizin und Pädagogik aufgewachsen
sind, daß die Onanie körperlich schade, schwäche und auch Folgen für
die geistigen Fähigkeiten bringe. Wenn eine spätere Generation besser
orientiert sein wird, so wird ein wesentlicher Grund für die Entwicklung
eines sexuellen Schuldgefühles bei den Heranwachsenden wegfallen. Andere
Gründe, wie die Phantasien des Ödipuskomplexes, bleiben weiter bestehen.
Man muß aber noch bedenken, daß es auch für die Ausbildung von
Schuldgefühl und Kastrationsangst ererbte Anlagen verschiedenen Grades gibt.
Die Erkenntnis von der Unschädlichkeit der Onanie, die eine
über den Menschen liegende Verdüsterung zu vertreiben geeignet ist, wird
ein freieres und schonungsloseres Liebesleben herbeiführen. Die Potenz
wird eher eine größere sein. Nun hat aber Freud mit Recht gesagt:
„Lugend bei voller Potenz wird meist als eine schwierige Aufgabe
erfunden.“ Und weiter: „Eine gewisse Herabsetzung der männlichen
Potenz und der mit ihr verknüpften brutalen Initiative ist kulturell recht
verwertbar. Sie erleichtert dem Kulturmenschen die Einhaltung der von
ihm geforderten Tugenden der sexuellen Mäßiegkeit und Verläßlichkeit.“
Man wird aber erwarten müssen, daß für die psychische Gesundheit die
günstigen Folgen der neuen Erkenntnis überwiegen. Die charakterologischen
Folgen des neuen Zustandes sind ebenfalls sehr zu bedenken; ist doch die
‚Onanie ein wichtiger Kampfboden für „Geist“ und „Fleisch“.
Die Devise des Arztes und Erziehers heißt jetzt nicht mehr: Behüte das Kind
vor allem vor jeder Onanie! Sondern sie lautet: Behüte das Kind vor den Folgen
der Einschüchterung. Denn auch längere Onanie-Perioden hören spontan auf.
Die Zwangsonanie und die Angst vor Folgen der Onanie erfordert
psychoanalytische Behandlung und Aufklärung. |
Bei intensiver kindlicher Onanie eingreifend, darf der Arzt die Unter-
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suchung des Genitales nicht unterlassen und Phimose, Balanitis sowie
eventuelle Konkremente auch am weiblichen Organ beachten. Die
Abgewöhnung einer exzessiven Onanie geschieht am besten durch eine
liebevoll geduldige Pflegeperson, die besonders abends, am Bette des Kindes,
ablenkend, aber ohne jede Drohung bis zum Einschlafen wartet.
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Neue Forschungen zum Onanieproblem
Von Dr. I. Sadger, Wien
Zwei Dinge bestimmen die Masturbation des Menschen entscheidend:
der Kastrationskomplex und ein bisher noch wenig verstandenes Schuld-
gefühl. All jene, die wegen Onanie mit Entmannung bedroht wurden,
sind in diesem Tun fortab gehemmt. Entweder sie können es überhaupt
nicht mehr oder machen es in ungeschickter Weise: sie können die Hand
nicht mehr zu Hilfe nehmen. Wenn solche Leute nicht masturbieren, so
rührt dies nicht daher, daß sie braver sind, sondern weil sie frühzeitig
in der Onaniebetätigung gestört wurden. Es ist auch sehr wichtig, ob“
einer beim Masturbieren erwischt ward oder nicht. In jenem Fall wird
er zumindest ausgescholten und hat dann seine Strafe dahin. In diesem
hingegen entwickelt sich ein schweres Schuldbewußtsein, das immer wieder
zum Geständnis drängt. Aber freilich wirkt noch ein anderes mit, was
später ausgeführt werden soll: die Phantasien nämlich. Und auch hier
entscheidet, daß man bei diesen nicht erwischt ward, richi’ver gesagt,
nicht erwischt werden konnte.
Wir wissen, daß der Säuglings- und Kleinkinderonanie kein Sterblicher
entgeht, wenn jene gemeinhin auch nur leidend erfahren wird. Die
Masturbation der Reifezeit ist ferner so häufig, daß man sie mit Grund
geradezu als Regel bezeichnen darf. Gleichwohl gibt es Menschen, die in
Wahrheit und ehrlich behaupten dürfen, sie hätten jener Selbstbefriedigung
niemals gefrönt, d. h. natürlich in der Pubertät und späteren Kindheit,
die von der Erinnerung noch beleuchtet werden. Geht man diesen Fällen
nach, so stellt sich heraus, daß auch ihnen kaum je die typischen sexuellen
Wünsche fehlten, bloß daß sie nie zur peripheren Reizung der Geschlechts-
teile führten. Trotzdem werden die Nervenärzte einer solchen Bravheit
nicht recht froh. Lehrt doch die Erfahrung, daß Leute, die einer Pubertäts-
onanie nicht unterlagen, durchaus nicht die gesündesten sind, vielmehr
überwiegend einer schweren Neurose oder gar der Schizophrenie verfallen.
Wir sind darum im Verlauf einer psychoanalytischen Behandlung direkt
angenehm berührt und betrachten es als Erfolg derselben, wenn jene
Kranken wieder zu masturbieren anfangen.
Dies hat einen tief-psychologischen Grund. Was ging denn in jenen
Leuten vor, die von der Regel abwichen und in der Reifezeit keine
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onanistischen Gelüste verspürten ? Daß auch sie nicht frei waren von den
verschiedensten sexuellen Wünschen, lehrt jede Nachprüfung. Sie haben
also bloß die Betätigung an den Genitalien verdrängt, und zwar, wie sich :
ausnahmslos herausstellt, infolge von Entmannungsdrohungen einer frühen :
Kindheit. Versagten sie sich nun um dieser willen die lustvolle Reizung
der Geschlechtsteile, so schwelgten sie dafür meist um so stärker j in
geistiger Onanie. Sie jedoch ist dann regelmäßig mit schwerem Schula-
bewußtsein behaftet, weit mehr als etwa die Önanie selbst exzessiver
Masturbanten und wird auch von Laien trotz gegenteiliger ärztlicher
Belehrung stets wieder als Quelle der Neurose und Psychose betrachtet.
Und, wie mich dünkt, mit vollem Recht. Jede Masturbation geht
ursprünglich ja auf Eltern und Geschwister, an deren Stelle von der
Pubertät ab erst andere treten. Diese Übertragung auf sozusagen erlaubte
Objekte fällt nun bei geistiger Onanie meist weg. War doch die Drohung
mit Kastration, um derentwillen man später der äußeren Betätigung ent-
sagte, ausgesprochen worden zu einer Zeit, da man andere Liebesobjekte &
kaum noch kannte, als bloß die genannten Inzestpersonen. Außerdem galt
das strenge Verbot nur dem Spielen am Genitale, die eigentlich gefähr- :
"lichen Begleitphantasien blieben jedoch den Eltern unbekannt, so daß sie
der Verwerfung entgingen. Unterdrückte man später in nachträglichem
Gehorsam das periphere Tun, so blieben dann die Inzestgedanken von jener
Unterdrückung völlig verschont und konnten ihre verhängsnisvolle Wirk- in
samkeit entfalten. Ursprünglich hafteten die Kastrationsdrohung und das =
schwere Schuldgefühl bloß an der manuellen Betätigung. Nun wich man
nach der psychischen Seite aus und merkte erst zu spät, daß sich das =
Schuldgefühl auch auf diese verschob, ja, sich da erst recht festsetzte.
„Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben!“ &
Ganz anders erging es dem gewöhnlichen Wald- und Wiesenonanisten, 5
Dieser hat der Kleinkindermasturbation genau so gefrönt wie der andere,
sich dann aber nicht abschrecken lassen, in der Reifezeit need ee
seinen Gelüsten nachzugehen. Nur ist ihm unterdessen unumstößliche | 7
Überzeugung geworden, daß Inzestpersonen nicht begehrt werden dürfen,
weshalb er dann auf andere erlaubte Sexualobjekte überträgt, an denen
naturgemäß kein Schuldbewußtsein haftet. Ist jener der Erledigung de =
Onaniekonfliktes ausgewichen, indem er aus Kastrationsangst jedes periphere
Tun unterdrückte, um dafür desto ärger und andauernder in Phantasien
zu schwelgen, so hat dieser bloß seine Inzestgedanken unterdrückt, was
sozusagen der stammesgeschichtlichen Entwicklung entspricht, dafür sich aber
das Spielen am Genitale gestattet." Man begreift jetzt, wie ausnehmend wichtig
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ı) Sehr gut erklärte einer meiner Kranken die Ursache des großen Schulqd-
gefühls bei der geistigen Onanie: „Da ich noch ein Säugling war, hat Mutter mich
oft gereinigt, indem sie mein Glied in die Hand nahm und daran riß. Beim
Onanieren jetzt wiederhole ich bloß das Tun der Mutter und brauche mir darum
keine Vorwürfe zu machen. Ganz anders stand es um die geistige Onanie, welches
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. es ist, daß die Masturbation der kleinen Kinder nicht gewaltsam unter-
drückt wird, damit dann die Wege offen bleiben für die Onanie der Reifejahre.
Hier dünkt mich auch ein Verständnis erschlossen für einen offen-
kundigen Nutzen der Masturbation, Sie ist ein wahres Sicherheitsventil,
dessen Fehlen zu schweren Schädigungen führen kann, zumal wenn früh-
zeitige und allzu heftige Verbote der körperlichen Onanie erfolgten. Man
braucht für sein Schuldgefühl, das zunächst aus dem Ödipuskomplex
quillt, ja unbedingt eine verhältnismäßig harmlose Abfuhr. Wenn jenem
die Neigung zur Selbstbestrafung durch Kastration entspringt, so wird diese
am leichtesten und so gut wie unschädlich durch einen Masturbationsakt
‚vollzogen. Den Masturbanten erscheint die Onanie tatsächlich als Akt von
Selbstkastration, man reißt sich sozusagen selber das Glied aus. Oder sie
nehmen die Schmerzen nach exzessiver Onanie als F olge der Entmannung.
So meinte ein Kranker: „Ich habe als Kind oft derart heftig onaniert, daß
ich mir den Penis aufrieb, starke Schmerzen empfand, ja, gelegentlich
sogar Blut aus ıhm floß. Dies sah ich dann als Beweis dafür an, daß auf
die Onanie Kastration erfolgt.“ Und von einer Masochistin, die besondere
Lust vom Geschlagenwerden hatte und mit solchen Vorstellungen auch
masturbierte, hörte ich folgendes Geständnis: „Als ich beim Vater meine
ersten geschlechtlichen Gefühle beim Geschlagenwerden hatte, verband ich
damit den Begrifil, wenn man schon das schlimme Sexuelle tut, so muß
man wenigstens gleichzeitig die Bestrafung dabei haben. Später, wenn ich
ganz bewußt onanierte, tat ich es nicht aus masochistischem Vergnügen,
sondern um mein Schuldgefühl herabzudrücken, in einer Weise, die mir
eigentlich nicht angenehm war. Ich habe etwa daran gerissen oder mich
mehr gestoßen, nicht die einfache Vergnügungsonanie, die mir recht
angenehm gewesen wäre. Ich dachte: es sollen schon die Säfte heraus-
kommen, die mich so belästigen, — von innerer Sekretion hatte ich gehört,
_— aber es soll wenigstens möglichst unangenehm ausfallen, um mich gleich-
zeitig auch ein bißchen abzuschrecken. S
In meiner „Lehre von den Geschlechtsverirrungen“ habe ich in ‚großen
Zügen Nutzen und Schaden der Onanie zusammengestellt. Hier noch ein
paar Ergänzungen: Wir sind nicht imstande, mit Sicherheit anzugeben,
wann die Onanie schädlich ist und wann nicht, ebensowenig wie von der
Sexualität überhaupt. Man kann vielleicht drei Faktoren unterscheiden:
ı) die Quantität der Schädlichkeiten; 2) das Zusammenwirken mit anderen
Einflüssen, vornehmlich ob man neben der Sexualität noch Sonderleistungen
zu vollbringen hat. Maßgebend ist da der Gesichtspunkt der Ökonomie.
Um ein Beispiel aus ähnlicher Sphäre zu geben: es ist einem Geschäfts-
manne nicht gerade rätlich, sich eine kostspielige Maitresse zu halten. Und
ich in der Pubertät betrieb. Wenn ich am Gliede etwas mache, das sieht die Mutter.
Doch daß ich Gedanken auf sie habe, kann sie mır nicht ansehen. Da frönte ich
also einer Gedankenlust, von der ich wußte, Mutter würde sie mir jetzt aufs schärfste
verbieten, wenn sie es wüßte. Drum damals mein enormes Schuldbewußtsein.“
doch tun es manche und werden trotzdem immer reicher. Hat der
Betreffende aber einmal ein schlechtes Geschäftsjahr, dann geht er an jener
Maitresse zugrunde An den Masturbanten dürfen auch keine zu großen
Sonderleistungen herantreten, ansonsten versagt er. Der ganze Schaden der
Onanie kommt da zutage. Der dritte und entscheidenste Faktor ist endlich
die besondere Konstitution. Wir nennen nämlich den Rest der Verursachung,
über den keine weitere Auskunft zu geben ist; konstitutionelle Veranlagung,
die also eine Diagnose ex posteriori darstellt. Vermutlich spielt bei dieser
auch mit, wie der Masturbant auf den Kastrationskomplex reagiert. Der
Nutzen der Onanie tritt besonders bei ihrer therapeutischen Wiederkehr
während der psychoanalytischen Behandlung zutage. Soundsoviele Neurosen
beruhen nämlich darauf, daß der Kranke seine Masturbation aufgegeben
hat. Und es ist als Fortschritt zu begrüßen, wenn der Kranke wiederum
zu onanieren anhebt, demnach zum Ausgangspunkt seiner Neurose zurück-
kehrt. Selbstredend muß er dann zum Normalen hinübergeleitet werden.
Ein weiterer Nutzen der Onanie ist, daß sie gleichsam die Exekutive
der Phantasie bildet. Das Reich der Luftschlösser bildet ein Mittelreich
zwischen den Reichen der Lust und der Realität. Das Phantasieren ist
ein Kompromiß, das nur einen vernünftigen Ausweg hat: beim Kinde im
Spiel, beim Erwachsenen in der Kunst. Sonst aber gestattet es dem
Menschen, all jene Fortschritte zu machen, die er eigentlich doch nicht
macht. Er wählt sich z. B. ein Sexualobjekt, lebt für dasselbe, andererseits
aber vermeidet er jede Wirklichkeit und handelt allein nach dem Lust-
prinzip, wie das ganz kleine Kind. Also nach dem Lustprinzip handeln
und dabei sexuelle Fortschritte erzielen, die sonst nur in Wirklichkeit zu
machen sind, erlaubt das Zwischenreich der Phantasie, und das wird erst
möglich durch die Masturbation, mit der die Phantasien meist enden.
Freilich ist es keineswegs gleichgültig, ob man einen Fortschritt der Ent-
wicklung in Wirklichkeit macht oder in der Phantasie.
Es scheint auch, daß die Kleinkinderonanie, die technisch begründet
ward durch die unerläßliche Säuglingspflege, an der Hand der Einbildung
erst zur Übung wird. So berichtet Hirschsprung von einem dreizehn-
monatigen Mädchen, das nach Angabe der Eltern schon acht Monate seine
„Anfälle“ hatte, d. h. masturbierte. „Während des Anfalles betrachtete das
Kind mich — ich stand dicht dabei und es hatte mich den Augenblick
vorher gar nicht leiden mögen — mit schmachtenden Augen.“ Vermut-
lich erblickte es da in Hirsch sprung den geliebten Vater, den es in
den Arzt hineinpantasierte. Ähnlich berichtet Ludwig Fleischmann von
einem masturbierenden männlichen Säugling, dessen Glied steif wurde bis
zur Größe eines kleinen Fingers und der dann alle Zeichen des Orgasmus
zeigte: „Dabei ist das Kind gegen alle Liebkosungen der Eltern taub und
unempfänglich.“* Das heißt wohl: was diese ihm an Liebe gewähren,
ı) Beide Fälle sind ausführlicher beschrieben in meiner „Lehre von den
Geschlechtsverirrungen“, $, 43.
— 1724 —
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geht lange nicht so weit und ist entfernt nicht so lustvoll wie seine
Önaniephantasien. Wenn der kleine Bub in seiner sexuellen Blütezeit,
zwischen drei und fünf Jahren, abermals zu masturbieren anhebt, stellt er
sich dabei die sonst unerreichbare Mutter vor, das kleine Mädchen wieder
den Vater, was dann beides in der Reifezeit zunächst wiederholt wird. Im
Reich der Luftschlösser wird demnach sonst völlig Unmögliches möglich
gemacht, zunächst auf sexuellem Gebiete, in der späteren Kindheit und
der Pubertät dann auch auf anderen.
Nun ein weiterer Beitrag zum Schuldgefühl und zur Kastrationsangst
aller Masturbanten. Wir wissen, daß jahrelang betriebene Onanie die
geschlechtliche Leistungsfähigkeit stark herabsetzt, und zwar sowohl
irgendwie organisch (toxisch oder endokrin), als auf dem Umweg über die
Psyche. Letzteres regelmäßig als Ausfluß mächtiger Kastrationsangst wegen
verbotener Inzestphantasien. Wenn ein solcher Masturbant zum erstenmal
dem Weibe beiwohnen soll, pflegt sein Glied sich förmlich zusammen-
zuziehen, aus Selbstkastration von infantiler Kleinheit zu werden. Ganz
unbekannt ist uns noch zur Stunde der toxische oder endokrine Mecha-
nismus, welcher die Potenz der Onanisten schädigt. Doch hüte man sich,
die Bedeutung desselben zu unterschätzen. Es gibt da eine Analogie zur .
Angst. Diese gehört bekanntlich zu den schwer deprimierenden Affekten,
und sie vermag ausnehmend toxische Wirkung hervorzurufen. Wer in
chronischer Angst und Sorge lebt, verliert an Gewicht und Turgor der
Gewebe, Gefäße und Herz gehen ziemlich rasch einer Degeneration ent-
gegen. Ausgenommen ist da bloß der Fall, daß jene Angst rein neuro-
tischer Art ist, der Libido entsprungen. Denn eine solche Angst ist
trophisch unschädlich. Man kann Patienten mit jahrelanger neurotischer
Angst ohne diese schädigende Wirkung sehen. Hier ist die Angst nur ver-
wandelte Libido, während die normale Angst mit Libido nichts zu tun
hat. Das Schuldgefühl des Onanisten ist nun nichts anderes als eine
psychisch gebundene Angst vor der Kastration. Die Verdrängung geht hier
von sexuellen Faktoren aus. Auch hängt das Schuldgefühl davon ab, ob
der onanistische Akt befriedigend war oder nicht.
Es ist auffallend, daß fast sämtliche Menschen, die nicht gerade Medi-
ziner sind, die Masturbation erst gegeben erachten, wenn zum Schlusse ein
Erguß erfolgt.‘ Nach dieser Anschauung gibt es demnach keine wahre
Onanie vor der Pubertät. Sollte dieser Anschauung, so wenig sie sachlich
gerechtfertigt erscheint, nicht doch eine Wahrheit zugrunde liegen? Wie,
wenn der Abgang des Sekretes eine ganz maßgebende Bedeutung hätte,
die Masturbation überhaupt erst vollendete? Der Verlust des Samens gilt
ia so vielen gleichzeitig als Sühne und Kastration. Da wäre also in einem
Tun sowohl Lust als Strafe und jene durch diese neutralisiert, was das
ı) Einer meiner Kranken, der mit dreizehn Jahren zu einem regelrechten Koitus
verleitet wurde, und diesen ohne Schwierigkeit vollzogen hatte, wollte ihn doch nicht
als Geschlechtsakt gelten lassen, weil er damals noch keinen Samen produzierte.
N‘ er a: 2
beladener pflegt er zu sein. Wir wissen ferner: je mehr die Phan
"überhaupt nur Phantasien ohne andere Absonderung als Urin. Schon da
Schuldgefühl aufhebt und damit auch den seelischen Schaden, zumindest
für einen Großteil der Fälle. Je minder ein Mensch sich physisch ausgibt, =
desto eher betreibt er dann geistige Onanie und desto schuld-
tasien an die Mutter oder eine andere Inzestperson fixiert sind, desto
höher steigt auch das Schuldbewußtsein. Nun gibt es in der Kindheit
aber wird der Grund gelegt zu einem oft mächtigen Schuldgefühl aus
dem Ödipus-- und Kastrationskomplex heraus und, wenn da gar -z _
Elternteil verstirbt, kann jenes sich ganz maßlos steigern, bis zu schweren i
kindlichen Depressionen. Für gewöhnlich bleibt es allerdings in gemäßigten 3
Grenzen und wird in der späteren Pubertät beim Jüngling durch reich- & '
liche Ejakulationen (Onanie und Pollutionen) neutralisiert, bei der Jung- |
frau durch die — Menstruation, welche ihr als symbolische Kastration
erscheint. Man erkennt auch hier die große entlastende Bedeutung der :
Pubertätsonanie und der Pollutionen und wie verhängnisvoll es werden
kann, wenn jene allzu heftig bekämpft wird.
Noch eins ist beachtenswert: die wechselnde Konsistenz des Samens, je
nach der begleitenden Phantasie. „Wenn man an nichts denkt“, sagte mir a
ein solcher Masturbant, „dann ist er wässerig und dünn, stellt man ich Su
aber etwas Besonderes vor, z. B. die Mutter, wird er dick wie Kleister.“
Auch das Schuldgefühl wird durch diese Beschaffenheit mitbestimmt, War
der Samen dünn wie Urin, dann hat man die Mutter bloß angepißt, was ja das
Kind aus Liebe tut, ohne dafür gemeiniglich bestraft zu werden. Der dicke
Samen aber kann die Mutter befruchten, und das ist Tabu. Man hört nicht
selten von seinen Kranken, in der Jugend hätten sie geglaubt, mit der Mutter E 4
den Geschlechtsakt oder etwas Analoges auszuführen, sei nicht verboten,
verpönt sei nur, ihr — ein Kind zu machen. Ersteres tat man ja nicht selten, = S 4
indem man sie anschiffte, letzteres blieb ausschließlich Recht des Vaters,
Von den Masturbationsphantasien auf die Eltern und dem sie bepler . E
tenden Schuldbewußtsein rühren auch allerlei sonderbare Vorstellungen
der Pubertät. So erzählte eine Kranke: „Mit zehn, elf Jahren redete ichs ER
mir ein, wenn man onaniert, ist man Kehas Jungfrau mehr und kann =
davon auch Kinder kriegen, offenbar wegen meiner Wünsche auf den
Vater. Wenn ich dann eine Zeitlang nicht unwohl wurde, dachte ich: jetzt 3 F
kommt wirklich ein Kind!“ Und eine andere, die ich in meiner Lehre
von den Geschlechtsverirrungen anführte (S. 100), klagte einmal: „Mich
dünkt, ich habe durch die Onanie für immer die Fähigkeit zu lieben
verloren und aus Mangel an Liebe kann ich vom Manne nicht empfangen. 3
Mir war, infolge der Selbstbefriedigung sei innerlich etwas zerstört in mir
und darum könne ich keine Kinder kriegen. Auch hörte ich, daß Mädchen,
die onanierten, für den normalen Geschlechtsverkehr keine Empfindung |
mehr haben. Dann würde ich auch deshalb kein Kind mehr bekommen,
so als ob ich den Samen des Mannes nicht aufnehmen könnte, Ich
En
u
— 76 —
dachte: nur wenn man etwas empfindet, kann man schwanger werden.“
Endlich möchte ich an jene Ehemänner erinnern, die trotz des befrie-
digenden Beischlafs nachher noch masturbieren müssen. Das erklärt sich
nach dem Ausspruch eines Kranken so: „Das Unbewußte hat zur Mutter
gedrängt, das Bewußte aber zeigte mir, daß es die Mutter doch nicht ist,
und dann habe ich einfach in der Onanie meiner Mutter beigewohnt.“
Bei der Masturbation spielt die Hand, die onaniert, die Rolle der
pflegenden, säubernden Mutter,’ was nebenbei auch eine Wurzel der
Identifikation bildet, während sie in den Begleitphantasien masturbierender
Mädchen auch die Hand des Vaters darstellen kann. Deshalb ist auch der Koitus
ein so schlechter Ersatz für die Onanie. Denn jenen treibt man ja nie
mit den Eltern, sondern lediglich mit einer fremden Ferson, gewöhnlich
auch einer kindheitsfremden, die bestenfalls ein dürftiger Elternersatz ist.
Je häufiger man mit der Vorstellung jener masturbiert hat, desto schwerer
fällt es, zu vollem Genuß bei Ersätzen zu kommen. Man wird dann sehr
leicht impotent oder mindestens anästhetisch, selbst als Mann. Bekannt ist
auch die regelmäßige Leistungsunfähigkeit des Jünglings, wenn er das erste-
mal eine Dirne besucht. Sie wird gewöhnlich erst dann behoben, wenn
die Dirne sein Mutter-Ideal erfüllt, d. h. ihm an den Phallus greift und
dort onaniert, was auch einst bei der Kinderpflege die Mutter besorgte.
Neben der bewußten, lehrbaren Selbstbefriedigung gibt es auch eine
unbewußte, z. B. die im Schlaf geübte, von der der Betreffende dann
nichts weiß. Auch sie hat nützliche und schädliche Wirkungen. Zur
unbewußten Onanie sind auch die neurotischen Anfälle zu rechnen, in
welche sich der Kranke versetzt, um masturbieren zu können. Dies scheint
das Geheimnis vieler hysterischer Anfälle zu sein, die oft nur darum
veranstaltet werden, damit der Patient onanieren kann. Auf der Höhe des
Anfalls findet unter den Zuckungen auch die Onanie statt. Ebenso ist es
auch mit manchen Zwangsbewegungen. Eine Reihe von solchen ist so weit
verändert, bis sie die ursprüngliche Selbstbefriedigung wieder herstellen.
Zum Schlusse will ich noch zwei Erkennungszeichen infantiler Onanie
anfügen, die wenig bekannt sind. Wenn Kinder sich gute Sachen aufheben, _
De REENENTUL LLLET BB. SEE a ee : re E BBERERBER AFFEN ar ae
sie sich zu essen nicht gönnen, ist dies_ein untrug liches Zeichen von
tet
unentdeckter Selbstbefriedigung,., Diese Kleinen warten, bis bessere Zeiten
kommen, dh bis sie besser werden und nicht mehr masturbieren. Das
Kind macht sich Vorwürfe, daß seine Onanie nicht entdeckt und bestraft
wurde, es steht im Abwehrkampf dagegen. Friedjung hat ferner aufmerk-
sam gemacht, daß die Genitalien ‘m Zusammenhang mit der Selbst-
befriedigung eine besondere Betonung erhalten. Ein Kind, das sich nicht
sehr mit seinen Geschlechtsteilen beschäftigt hat, wird nichts daran finden,
sie herzuzeigen, sobald es etwa vom Arzt verlangt wird. Demonstriert
es Schamgefühl, dann ist Onanie vorausgegangen.
ı) Es ist auffallend, wie oft die Onanie aus freien Stücken aufgegeben wird,
sobald man in der Psychoanalyse den Mutterkomplex bewußt gemacht hat.
— 177 —
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Die allgemeine Verschwörung zur Verleugnung' 1
Von Mary Chadwick, London E
Aus verschiedenen Gründen habe ich der folgenden Abhandlung diesen
Titel gegeben. In erster Linie, weil eine Generation von Eltern nach der
andern fortfährt, ihre traditionelle Haltung von Mißbilligung und
Entsetzen gegenüber den onanistischen Betätigungen der kommenden
Generation aufrechtzuerhalten, indem sie so entweder stillschweigend oder
mit Worten verleugnet, ihnen selbst jemals gefrönt zu haben. Sie ermahnt
das Kind oder den Jugendlichen unter Androhung von Strafe und
schrecklichen Folgen, davon abzulassen, obgleich sie keinen wirklichen
Beweis für die Wahrheit ihrer Behauptungen hat, und verlangt gleichzeitig
vom Kind, auf ein offensichtliches Vergnügen zu verzichten, ohne ihm
dafür eine hinreichende Entschädigung zu bieten, außer der Vermeidung
von Schuldgefühl, böser Folgen oder Bestrafung. Dieses elterliche Verbot,
das vom Kinde auf die autoerotische Befriedigung wie auch auf den späteren
Geschlechtsverkehr ausgedehnt wird, wird nach Ansicht der Psychoanalyse
zu einer wichtigen Ursache von Schuldgefühlen, die die spätere Libido-
entwicklung belasten. |
Eltern und andere für Kinder verantwortliche Personen treiben
gelegentlich die Unehrlichkeit noch weiter und leugnen, daß ihre Kinder,
die offenbar unter zu strengen Maßnahmen, die jene Gewohnheit unter-
drücken sollten, leiden, jemals bestraft oder auch nur in der Ausübung
gehemmt worden seien, während man späterhin die volle Überzeugung
gewinnt, daß sie tatsächlich zuweilen die energischesten Schritte unter
nommen haben, um Rückfälle zu verhindern, und andererseits vernimmt 7
man von ihnen die Klage, daß ihr Kind dieser Gewohnheit verfallen ist, EN
ohne daß sie imstande sind, eine Auskunft über die Gründe zu geben, ne
welche sie zu dieser Schlußfolgerung geführt haben.
Diese allgemeine Verschwörung zur Verleugnung ist ebenso weit verbreitet,
als sie vollständig ist bei denen, die sich ihrer bedienen. Eltern, Lehrer
und sogar Ärzte (mit sehr wenigen Ausnahmen) halten an den Trug-
schlüssen über die schrecklichen Folgen der Masturbation fest und schreiben,
freilich oft anonym, Bücher, um vor den Gefahren der Selbstbefleckung BE
zu warnen, wobei sie sich einer Sprache bedienen, die kein gewöhhlicker
junger Mensch verstehen könnte, der nicht über eine ungewöhnliche ;
Erfahrung in diesen Dingen verfügt.
Wir müssen uns wohl fragen, warum Eltern und andere Erzieher auf
dieser kurzsichtigen Politik beharren und sich weigern, die Dinge zu
sehen, wie sie sind, da es ja augenscheinlich ist, daß die physiologischen
Folgen der Masturbation von sehr geringer Bedeutung sind, gemessen mit
denen, die durch das Schuldgefühl und die Konflikte in der Seele des
ı) Aus dem englischen Original übersetzt.
— 78 —
Kindes entstehen als Folgen der vorbeugenden Maßnahmen der Erzieher.
Nach den Ergebnissen der psychoanalytischen Forschungen ist die Antwort
darauf nur zu finden in der frühen Entwicklungsgeschichte dieser selben
Leute hinsichtlich ihrer eigenen Unterdrückung dieser fast allgemeinen
Libidoentladung. In der Behandlung der ihnen anvertrauten Kinder wieder-
holen sie gläubig und ohne zu zweifeln das Betragen der Erwachsenen,
welche für ihre eigene Erziehung in der Kindheit verantwortlich gewesen
waren, ohne sich an ihre eigenen Erfahrungen, Konflikte und Nöte jener
Zeit zu erinnern, und ohne jeglichen Versuch, diese Angelegenheit im
Lichte ihres eigenen Gedächtnisses wieder zu erwägen. Ein, von Freud
in „Hemmung, Symptom und Angst“, Seite s6, so klar unter dem Namen
„Ungeschehenmachen“ beschriebener infantiler Mechanismus ist aller
Wahrscheinlichkeit nach die Wurzel dieses Phänomens, welches wir, ohne
Kenntnis der unbewußten Prozesse und des Schuldgefühls, als Heuchelei
aufgefaßt hätten, und der analog ist der von Nietzsche in „Jenseits
von Gut und Böse“ beschriebenen Übung in dem Streit zwischen dem
Gedächtnis und dem Stolz des Menschen: ‚Das habe ich getan‘, sagt mein
Gedächtnis. ‚Das kann ich nicht getan haben‘, sagt mein Stolz und bleibt
unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach.“ — Wenn man also
klare Tatsachen verleugnet und solche aktive Schritte unternimmt, um
das auszulöschen, was einst ein persönliches Vergnügen war, so mag es
wohl zu gleicher Zeit auf der unbewußten Stufe eine Sühne für vergangene
kindliche Schuld sein durch den Prozeß des „Ungeschehenmachens“, als
ob es niemals vorgekommen wäre, und andererseits auf der bewußten
Stufe dazu dienen, die Tatsache zu verbergen, daß sogar jetzt die
Angelegenheit von überwiegendem Interesse ist, aber sich infolge Unter-
drückung nur in negativer Weise äußern darf.
Die psychoanalytische Forschung hat uns durch den Mechanismus der
Reaktionsbildung belehrt, aus der Summe der gegen eine seeliche Tendenz
gerichteten Feindseligkeit auf die frühere Stärke des ursprünglichen Impulses
im Seelenleben zu schließen, und so müssen wir annehmen, daß diese
jetzt so strengen Eiferer gegen die Masturbation einst besonders stark
dieser Gewohnheit verfallen waren. Ihre Drohungen und Strafen scheinen
mehrfachen Zwecken zu dienen, zuerst dem der Rechtfertigung, als ob
sie sich sagten: „Ich bin es nicht, der dieses Vergnügen wünscht, ein
anderer ist der Schuldige“, dann der Selbstbestrafung durch Identifikation
mit dem Sünder, und wohl auch einer Flucht vor der Versuchung, welche
sie wieder überfallen könnte, wenn sie sich nicht die vermeintlichen
schrecklichen Folgen beständig vor Augen hielten.
Diese Tendenz, eigene Impulse bei anderen anstatt bei sich selbst zu
sehen, kann häufig bei Erwachsenen beobachtet werden, während sie
gleichzeitig irgend eine pseudomasturbatorische Betätigung verschleiert,
denn es ist gar nicht selten, daß die streng oder frühzeitig unterdrückte
Onanie in irgend einer Kompromißform fortgesetzt wird, wobei man die
— 79 —
gleiche libidinöse Befriedigung ohne Entdeckung oder Verbot von anderen,
ja zuweilen sogar unbemerkt vom eigenen Über-Ich genießen möchte,
Zu diesen pseudomasturbatorischen Akten kann man manche Tics oder
Zwangshandlungen von rhythmischem Charakter rechnen, auch die Be-
friedigung, die durch das Lesen gewisser Stellen eines Buches gewonne a
wird, sowie Tagträume. Ohne diese Verkleidung würde so mancher, besonders
der heikle Jugendliche, diese Form von Masturbation strikt ablehnen. 3
Wir können für diese seltsame Anomalie viele Beispiele bei den früher ge.
Spielen zwischen Eltern und Kindern sehen. Sie sind in jeder Kinderstube E
zu beobachten, abgesehen von der durch die Entdeckung der Psycho-
analytiker jetzt allgemein anerkannten infantilen Reizung, die bei der =
Säuglingen durch das Waschen und andere Pflegedienste, durch den Gebrauch
von Klystieren und Thermometern verursacht wird. In diesem Zusammenhang
mag es nicht uninteressant sein, festzustellen, daß in manchen englischen
Büchern, die die Pflege kranker Kinder behandeln, gewarnt wird, bei der
Verabreichung von rektalen Injektionen bei Mädchen vorsichtig zu sinn,
damit nicht die Röhre in die Vagina gerät, was also häufig vorkommen e
muß, denn sonst wäre wohl eine Warnung nicht nötig. E- E
Eltern, welche an diesen masturbatorischen Spielen mit ihren Kindern |
teilnehmen oder dazu den Anreiz geben, müssen ebenfalls unter der 2
Triebunterdrückung leiden, welche diese Form der Befriedigung nach sich Be
zieht, denn zweifellos schöpfen sie ebensoviel Vergnügen daraus wie das ce
Kind. Man braucht nur manche Spiele, die Erwachsene mit Kinde n a
spielen, z. B. Huckepackreiten, Kitzeln, Tragen und ähnliches zu beobachten, ee .
um diese Tatsache bestätigt zu sehen. Die augenscheinliche Freude, der 4
Eifer und das Behagen, womit der Erwachsene in die Sache eintritt, un 1 ne
die‘ dabei sich entwickelnde Erregung beweisen zur Genüge, daß hier
mehr als ein gewöhnlicher Spaß vorhanden ist. e: _-
Dieses Problem zeigte sich ganz klar bei einem kleinen Patienten von
mir, einem zehneinhalbjährigen Knaben, der wegen nächtlichen Auf- e
schreckens, Zurückbleibens im Lernen und mangelhaften Verhaltens in
der Schule zur psychoanalytischen Behandlung geschickt worden war. Bea
gehört zu seinen Hauptbelustigungen im Leben, auf die mannigfachste
Weise und von den verschiedensten Leuten eine direkte genitale Reizung
zu erzielen, sei es durch Pferdchenspielen, Huckepackreiten, Herumgetragen-
oder Herumgeschlepptwerden, oder indem er sich auf einen Stuhl hinter
die Leute setzte, so daß sein Genitale sich gegen sie rieb. Dies wurd N
zu Hause ohne weiteres erlaubt und von den Eltern nicht bemerkt, bis sie
darauf aufmerksam gemacht wurden. Als ich es dem Kinde klar machte,
wurde es von ihm als etwas Selbstverständliches hingenommen, und es.
schien zuerst mit keinerlei Schuldgefühl für ihn verknüpft zu sein. Er
hatte auch die Gewohnheit, sich am Abend durch Befingern seines
Genitales in den Schlaf zu bringen, indem er erklärte, er täte es, weil
„es angenehm sei, er esliebe und es ihn zum Einschlafen bringe“. =
RR,
rc
"E 2,92 5
RN:
— 130 —
Man hat sich gewöhnt, anzunehmen, daß diejenigen Kinder, welche
frühzeitig einer strengen Behandlung wegen Masturbation unterworfen
waren, ausgedehnte Hemmungen im anderweitigen Gebrauch ihrer Hände
entwickeln, und daß bei ihnen der Tastsinn sowohl wie das autoerotische
Vergnügen im Zusammenhang mit dem kinästhetischen Sinn geschwächt
ist. Doch bei diesem Kind wurde als Ausnahme von dieser Regel scheinbar
ein vollständiger Mangel an Schuldgefühl, die Masturbation betreffend,
und keine typischen Hemmungen der Handbewegungen sefunden, aber
späterhin wurde aus dem langsam zuströmenden Material ersichtlich, daß
dieser offenbare Mangel an Schuldgefühl in betreff der bewußten Mastur-
bation dem Zwecke eines mächtigen Abwehrmechanismus dienstbar war,
der im Zusammenhang stand mit einem Pavor nocturnus, seiner lodesangst
und den Todeswünschen gegen seinen Vater. Das nächtliche Aufschrecken
und die Angstträume schienen immer irgend eine Vorstellung der Urszene
auszudrücken. Da war eine gewaltige Maschine, welche eine eiserne Spitze
in die Menschen hineintrieb oder von jedermanns Vorderseite ein Stück
wegschnitt; Soldaten brachen durch das Dach ein und töteten alle, denen
es nicht gelungen war, sich zu verstecken. In dem Maße, als ihm diese
Dinge klarer wurden, nahmen die Masturbation, sowohl wie die Angst-
träume an Häufigkeit ab, deren Zusammenfallen uns einen weiteren
Beweis für ihre nahe Beziehung auf einer frühen Entwicklungsstufe zu
liefern scheint. Es ist auch interessant, in diesem Zusammenhang iestzu-
stellen, daß unter den Kindern und Erwachsenen, welche am meisten
dem Trieb zur Selbstbefriedigung frönten, nach meiner Beobachtung solche
waren, die in der Kindheit ein Entwöhnungstrauma erlitten oder an
gastrischen Störungen gelitten hatten. Von diesem Kind war berichtet
worden, daß es in der Kindheit an außerordentlicher Verdauungsschwäche
litt, und daß es sehr schwierig gewesen war, es aufzuziehen. Wir wissen,
daß der Säugling während des Sauggeschäftes gewöhnlich die weiche Haut
der mütterlichen Brust, einen ihrer Finger, ihr Ohr oder einen Teil
seines eigenen Körpers bearbeitet. Dieses Spiel stellt deutlich einen Ersatz
für Selbstbefriedigung dar. Kinder, die während des Saugens eine
Enttäuschung erfahren, indem sie nicht stark genug saugen können, um
eine genügende Menge Milch zu erhalten, oder es ist davon nicht genug
vorhanden, vertauschen oft ihre zärtlichen Handbewegungen gegen böse
und zornige. Sie schlagen, kratzen oder kneifen die Mutterbrust, und
zuweilen wollen sie auch die Brustwarze beißen, welche die begehrte
Erfrischung zurückhält. Nun, diese beiden Formen der Berührung, die
liebende und die hassende oder sadistische, findet man bei der Masturbation
wieder. Das Kind wird seine Haut lieben, küßen oder streicheln, oder sich
beißen, kratzen und schlagen. Man kann beiden Formen auch einen gewissen
Wert als magische Gebärden beimessen, der einen, um aus der Mutter
die gewünschte Nahrung herauszuschmeicheln, der anderen, um sie mit
Gewalt zu erlangen oder die Versagung zu bestrafen. Die Berührung wird
se 131 Ze
in jedem Falle mit der Art der Erfahrung innig verknüpft werden ei = s E
sich eventuell im Gemüt des Kindes als Gedanke festsetzen: „Was ich
auch tue, ich kann das Gewünschte nicht erreichen, meine Hände ind
unnütz.“ Es darf nicht vergessen werden, daß auch die stillende Mutter en
das Kind an ihrer Brust oft zu streicheln oder sonst zu liebkosen pflegt,
durch diese lustvolle Hautreizung das Vergnügen noch erhöht, so daß das
Kind später bestrebt sein wird, sich selbst diese Lust zu verschaffen. Ina
diesem Zusammenhang wird die masturbatorische Betätigung geeignet, auf = 5:
dem Wege der Phantasie die Gegenwart, die Liebe und den Schutz der ae
Mutter wieder erleben zu lassen, indem sich das Kind als in den Armen der = =
Mutter liegend vorstellt, — und auf diese Weise wird der onanistische
Akt verwandt mit den Zauberformeln der Primitiven, welche in Zeiten
des Unglücks sich die ersehnte Situation durch eine symbolische Handlung
herbeizuzaubern versuchen. — Während der im Jahre ı9ı2 in Wien
stattgefundenen Onaniediskussion haben mehrere hervorragende Psycho-
analytiker die Ansicht vertreten, daß Wiederkehr der Masturbation in der
Kindheit am wahrscheinlichsten immer in einer Zeit der Versagung
auftritt, zuerst durch die Entwöhnung, später durch eine Ungewißheit, ein
Unglück oder eine Erniedrigung. Ich möchte meinerseits auch die Zeit des
Zahnens dazurechnen. Wir müssen uns erinnern, daß für viele Kinder
die Entwöhnung mit dem Durchbruch der ersten Zähne zusammenfällt
und für solche Kinder praktisch die Einführung in den Schmerz bedeutet.
Dieser betrifft nun den Mund, welcher bisher nur eine Quelle der Lust
gewesen war, und das Kind versucht die Schmerzen des heißen,
geschwollenen Zahnfleisches durch Reiben mit den Fingern zu lindern.
Bei einem anderen meiner Patienten wechselte dieser Vorgang mit
analer Masturbation ab. Der Mund und der Anus wurden in diesem Falle
so sehr mit einander identifiziert, daß er im halbwachen Zustande den
Sphinkter ani ext. von innen zu reiben pflegte, indem er nach dem Zahn
als der Ursache der Störung suchte, und auch in wachen Masturbations-
phantasien sich dieser Form der Reizung bediente und sich selbst als Mann
und Frau zugleich vorstellte. Dies wurde gewöhnlich vor einem Spiege]
ausgeführt. Es scheint, daß er als kleines Kind häufig Gelegenheit hatte,
den Koitus seiner Eltern zu beobachten.
Es ist schwierig, festzustellen, wie man die durch die notwendige
Körperpflege der kleinen Kinder erzeugte Reizung gänzlich vermeiden
könnte, aber es scheint, daß sie sehr verstärkt wird in solchen Fällen,
wo sie nicht nur der Notwendigkeit der Kinderpflege entspricht, sondern
zugleich einen verkappten Lustgewinn für den Erwachsenen bedeutet,
als eine unbewußte masturbatorische Befriedigung der Person, die das
Kind wartet, — ein Standpunkt, der nicht oft genug berücksichtigt werden
kann mit Rücksicht auf die Mechanismen der Unterdrückung
Reaktionsbildung und des Ungeschehenmachens, und der zutiefst den Zweck
der „allgemeinen Verschwörung zur Verleuenung“ erklärt.
Die Formen der Selbstbefriedigung
Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.
Das Genitale* ist durch seinen anatomischen Bau charakterisiert als ein
Organ, das dem Menschen zahlreiche Empfindungen zu vermitteln hat.
Diese sind für leichte Berührungen und Reibungen mit hohem Lustgefühl
ausgestattet, So aber kommt der Mensch auf die Welt. Da das Kind in
Umhüllungen gehalten wird und sich in ihnen bewegt, muß es unbedingt
die Lust erfahren. Lust verlangt nach Wiederholung. So ergibt es sich,
daß die Erneuerung dieser Lust sehr bald mittels des feinsten Instrumentes,
über das das Kind verfügt, der Hand, gesucht wird, sobald sie eben
einigermaßen imstande ist, geordnete Bewegungen auszuführen. Onanie
ist also nicht erklärungsbedürftig.. Dementsprechend ist bei allen tief
stehenden Idioten (ebenso wie bei den Tieren) die Lustbefriedigung durch
Reiben des Genitales wichtige Lebensäußerung.
Beim gesunden Kind fehlt bald, wenigstens normalerweise, die au f-
dringliche Betätigung am Genitale. Hemmungen, wie ich an anderer
Stelle gezeigt habe, wohl auf Grund ererbter Mechanismen, durch
Erziehungsmaßnahmen aber in — meist übermäßige — Funktion gebracht,
lassen die Selbstbefriedigung am Genitale zurücktreten, oft so weit, daß
sie überhaupt mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr nachweisbar ist.
Berechtigt scheint die Frage, ob das Kind denn in der Tat auf jede
Genitallust verzichtet hat, und auf Grund welcher anderen körperlichen
Lustgewinne das Verschwinden erfolgt. Denn auf Lust wird nur zugunsten
einer anderen Lust Verzicht geleistet, und in diesen frühesten Lebenszeiten,
von denen wir hier sprechen, gibt es noch kaum „entkörperlichte“ geistige
Lustmöglichkeiten,
In weitaus den meisten Fällen finden wir Lustgewinne noch aus dem
Genitale, allerdings nicht mehr so unverhüllt wie beim Idioten, ruhig
weiter bestehend. Das Verbot der Selbstbefriedigung, das ungefähr so
gelautet hat: „Tuw’ deine Hände da unten weg!“, wird, wie die meisten
Verbote, nur wörtlich befolgt. An Stelle der Hände treten einfach Schenkel,
Kleider, Stuhlecken, Bettstücke usw. Der Befehl z. B., die Hände nicht
unter der Bettdecke zu haben, wird getreulich befolgt, indem die Kinder
das Kolter über dem Genitale hin und her reiben oder drücken. Manche
halten sich schon strenger an das Verbot, das Genitale zu berühren. Auch
dann sind Befriedigungsmöglichkeiten noch genug vorhanden: Die Zurück-
haltung von Harn, aber auch Stuhl, bewirkt eine Überblutung der Becken-
gegend und Erektion des Genitales.” Eine der wichtigsten Wurzeln des
Zurückhaltens des Urins ist die Herbeiführung einer Schwellung des Genitales
ı) Wenn im Folgenden vom Genitale gesprochen wird, ist stets das äußere Genitale,
und zwar beim Mann nur das Glied gemeint.
2) Beim Mädchen der Klitoris. Die frühkindliche Onanie des Weibes ist zunächst
fast ausschließlich Klitorisonanie.
und der daraus notwendig folgenden unwillkürlichen, bald auch unbewußt
gewordenen Lust. Namentlich auch Reibungen und Erschütterungen des
Gesäßes führen reflektorisch zur Versteifung. Des ferneren ist Angst außer-
ordentlich häufig mit ihr verknüpft (wobei ich allerdings hier die Fre So
nicht erörtere, ob die Erektion primär als Ausdruckserscheinung der Ano Ist
eintritt, oder nicht vielmehr umgekehrt, die Angst an die Selbstbefriedigun, ı 2 2
geknüpft wurde). =
Bei dieser Gelegenheit muß darauf hingewiesen werden, daß di &
Erektionen durchaus gesunde Erscheinungen schon vom
ersten Lebenstag an sind. Da zahlreiche Eltern fälschlicherweise
meinen, daß das Glied sich normalerweise erst von der Reifung der
inneren Genitalien, von der Pubertät an, versteife, suchen sie aufgeregt
Rat bei Ärzten, die zum großen Teil, dank der heutigen Ausbildung, von $
diesen normalen Vorgängen nichts wissen. a
In sehr vielen Fällen wandert die Reizung und Befriedigung auf einen |
anderen Körperteil ab. So behandelte ich einmal (wegen einer Zwangs- ER
neurose) einen jungen Menschen, der morgens immer erst eine Zeitla ge
seine Oberschenkel reiben mußte, weil sie ganz steif seien. Das Phänomen
entpuppte sich als Kompromiß des Wunsches nach Unterdrückung der 3
genitalen Onanie mit der Unlust, auf den Reiz zu verzichten. Gar nicht
selten sind es weiter abgelegene Organe, die die Rolle des Penis (Rlitoris),
bzw. der Vagina übernehmen müssen. Die häufigsten sind für das männ- |
liche Glied die Nase, die Zunge, das Ohrläppchen, das Kinn, die Hände,
bzw. Finger, unter ihnen besonders der Daumen; für das weibliche die e
Augen, der Gehörgang, der Mund und die Höhlen und Falten, vor allem
die Achselhöhle, die Gesäßspalte und Afteröffnung. Man kann jedoch“
sagen, daß es kein Organ gibt, das nicht unter gewissen Umständen für
die Genitalien — und zwar für beide — eintreten kann. Und all diese
Organersetzungen finden wir nicht nur in zwangsmäßigen Perversionen
deutlich an die Stelle der Genitallust getreten, sondern vor allem auch
als Anlockungen und Vorspiele zum gesunden Geschlechtsakt. Be:
In diesen tausend Verkleidungen also tritt uns die ÖOnanie immer
wieder entgegen. Alle Versuche, sie an einer Stelle zu unterdrücken, lassen 2
sie nur an einer anderen Stelle um so zwingender, um so unbeherrsch- a
barer, meist auch um so unlustvoller und störender, häufig zu Schmerz- |
empfindung entstellt, auftreten. Aus eben der Unterdrückung erwachsen nn
auch viele Kinderfehler, indem die Lust, die aus der betreffenden 1 =
Betätigung, z. B. Lutschen, quellen würde, nun auch noch Ersatz für das.
andere verdrängte, unbeherrschbar gewordene Luststreben schaffen muß,
Das Auftreten eines starken Kinderfehlers zeigt, daß der Triebhaushalt des
Kindes nicht in Ordnung ist, weil man den Erziehungsfehler gemacht
hat, Lustquellen jäh zu verstopfen, die, zurückgestaut, das ganze Gebäude
bedrohen. Ihnen eine nicht störende Abflußmöglichkeit zu schaffen, muß
die Aufgabe der Erziehung sein. Lust verbieten ist leicht, aber us
— 134 —
befriedigung schaffen, damit das Lustbegehren nicht übermäßig, zwangs-
mäßig werde, eine schwere Kunst. Am besten wohl dürfte es sein, nicht
Herrgott spielen zu wollen und zu warten, bis der Lustquelle durch eine
andere, die der immer besser funktionierenden Wirklichkeitsanpassung
gerechter wird, das Wasser von selbst weggenommen wird.
TESTER TLLIELLITLLLIEIUTTEUTTEUTEETTITLETLLLITEELLIELIUTF EL JE PTTTT PETE TTUU UI PU IUIUUUTTPEETUU EEE EEE EP ELITE IPPUUUUTUU PETE PETE EEE ETUI
Schule und Onanie
Von Hans Zulliger, Ittigen-Bern
I
Die völlig „neuen“ Tatsachen über das Kind und seine Entwicklung,
die uns durch Freuds „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ bekannt
geworden sind, dringen nach und nach durch. Die Erwachsenen können,
auch wenn sie die Psychoanalyse ablehnen, nicht länger blind sein für
die Äußerungen der kindlichen Sexualität, nachdem es einer gewagt hat,
eine jahrhundertealte Illusion zu zerstören und auf Erscheinungen hinzu-
weisen, die jeder beobachten und nachprüfen kann, der mit der Jugend
zu tun hat.
Die Schule aber, so heißt ein Wort, hinkt dem Leben nach. Dem
Lehrer ist am wohlsten, wenn er von der Sexualentwicklung seiner Zög-
linge ebensowenig merkt, wie diejenigen, die noch völlig in der Illusion
von der „Unschuld” und „Reinheit“ der Jugend leben. Er hat gute
Gründe, sich so zu stellen. Wir wollen später darauf zurückkommen. Vor-
läufig dürfte uns klar sein, daß die Lehrerschaft, welche sich bestrebt,
vom sexuellen Leben der Jugend nichts zu merken, auch von der Onanie
der Kinder gar nichts ahnt. Und wo ein „Fall“ entdeckt wird, weiß sich
die praktische Pädagogik — heute noch — nicht anders zu helfen, als
daß sie in ihrer Angst mehr oder weniger große Dummheiten begeht und
den Kindern dadurch unendlich schadet, obgleich Freud! gezeigt hat,
daß die Jugend während drei Entwicklungsphasen mit großer Wahrschein-
lichkeit der Onanie erliegt, und obgleich Ferenczi,” Federn? und
Reich* durch ihre Publikationen vermuten lassen, daß es sich bei den
Ausnahmefällen, wo ein junger Mensch im Pubertätsalter der Versuchung
der Selbstbefriedigung dauernd widersteht, meist um Leute handelt, die
schon zu diesem Zeitpunkt an schwersten Verdrängungen leiden. Anders
gesagt, daß ihre „Reinheit“ keine freiwillige ist, keine sittliche Tat
bedeutet, sondern eine Manifestierung ihrer bereits begonnenen Neurose.
ı) Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. (Ges. Schriften, Bd. V.)
2) Ferenczi: Versuch einer Genitaltheorie. (Internat. Psychoanalyt. Bibl.,
Bd. XV.)
3) Federn: Im „Ärztlichen Volksbuch“, I. Band, Stuttgart, 1925.
4) Reich: Die Funktion des Orgasmus. (Neue Arb. z. ärztl. Psychoanalyse
Bd. VI.)
I
Derjenige Teil der Lehrerschaft, der es mit Schülern des Entwicklungs- ss
alters zu tun hat, kommt am ehesten dazu, gelegentlich einmal etwas
davon zu merken, daß eines ihrer Pflegebefohlenen onaniert. Es handelt
sich gewöhnlich um ein Kind, das weniger schlau und raffiniert vorgeht
als seine Kameraden und darum erwischt wird.
Den Eltern ergeht es nicht anders als den Lehrern: in der Regel wissen
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sie, daß Kinder onanieren, aber daß ihre Kinder es auch tun könnten, das
erscheint ihnen als ausgeschlossen; denn sie haben diese ja sorgfältig
erzogen, und sie müßten sich in ihrer Erzieherehre arg enttäuscht und
gekränkt fühlen, wenn ihnen nicht einmal so viel Erfolg beschieden wäre,
daß ihre Sprößlinge „rein“ bleiben. Bei den Mädchen setzt man diese
Reinheit als etwas Gegebenes einfach voraus. Bei den Knaben nimmt man
sie an, wenn sich bei der Durchsicht der Bett- und Leibwäsche durch die
besorgte Mutter keine „verräterischen“ Flecken zeigen, als ob solche
untrügliche Zeichen bedeuteten, daß ein gewitzigter und angsterfüllter =
Junge der „Unart“ nicht erlegen sei.
Wenn man als Lehrer einmal weiß, daß ein sehr großer Prozentsatz
der Schüler im Entwicklungsalter — wenn nicht überhaupt alle —
onanieren, so müßte man auch darüber unterrichtet sein, daß die durch
die Onanie entstandenen Schuldgefühle die weitgehendsten Veränderungen
ım Wesen des Kindes verursachen, Es handelt sich dabei nicht allein um
Veränderungen in seinem Charakter, sondern auch seiner intellektuellen
Fähigkeiten.
Da ist ein Sechzehnjähriger, der eine höhere Mittelschule besucht und
auffällt, weil er plötzlich für die mathematischen Fächer
keine Begabung mehr zeigt, während er, als er noch um einige
‚Jahre jünger war und das Progymnasium besuchte, von seinen Mathematik-
|lehrern als Phänomen eines für dieses Fach Begabten von einer Klasse
| zur anderen geschleppt und vorgeführt wurde. Niemand kann sich den
| Wechsel erklären, der Jüngling selber auch nicht. Zu Hause spricht man =
‚von beginnender Verblödung. Dann aber kann man dieses Urteil nicht
aufrecht erhalten, weil sich in dem Jungen auf einmal eine außerordent-
liche Begabung für Sprachen zeigt. Man nimmt diese als Kompensation
"und Trost.
Der Jüngling hatte bei seinem Eintritt in die neue Lehranstalt einen
sehr strengen, greisen Mathematiklehrer erhalten. In seinem Straf- und
Sühnebedürfnis wegen „heimlicher Sünden“ nutzte er dessen Strenge aus:
er lud sich dessen ganzen Spott und die beständige Beängstigung einer
Relegierung auf den Hals, indem er „nicht mehr rechnen“ konnte. Der
beständige Druck tat ihm wohl, er entlastete ihn gewissermaßen, indem
er als Bestrafung für die Onanie unbewußt verbucht wurde.
nn ut nn
Ein anderer Jüngling wurde gleichsam ein Don Juan beiden
Berufen. Er beendete seine begonnenen Studien nie, kurz vor den
— 136 —
Prüfungen fühlte er sein Interesse an dem erwählten Berufe schwinden,
empfand Ekel davor und sattelte um. In der Verzweiflung, und bevor man
zu dem letzten Hilfsmittel griff, ihn über den Ozean zu verschicken, ver-
suchte man es mit einer Analyse, aus der hervorging, daß der junge Mann
überschwere Schuldgefühle wegen Onanie in sich trug und sich selbst
beweisen wollte, daß er nicht einmal so viel Willen mehr besitze, um
einen Beruf richtig zu erlernen.
Eine Schülerin des letzten Schuljahres, die zuvor ordentlich und zur
vollen Zufriedenheit ihrer Lehrer gearbeitet hatte, versagte plötzlich
aufder ganzen Linie, sie zeigte auch in ihrem Charakter und
m Verhältnis zu den Mitschülern, Eltern und Geschwistern so merk-
würdige Veränderungen, daß die Eltern psychoanalytische Erziehungs-
hilfe in Anspruch nahmen. Dabei stellte sich heraus, daß das Mädchen
wegen einer Liebesenttäuschung die bereits fallen gelassene Onanie wieder
aufgenommen hatte, sich deswegen als willenlos, schlecht und zu frühem
Siechtum bestimmt vorkam und — wiederum aus Schuldgefühlen — sich
einfach innerlich aufgegeben hatte. |
Eine Schulentlassene, die seinerzeit ein ziemlich lebhaftes und froh-
mütiges Mädel gewesen ist, wird unter dem Eindrucke ihrer ÖOnanie-
schuldgefühle eine Frömmlerin und Muckerin. Sie gesteht zu, daß
sie ihr Glaube und Gottvertrauen über „schwere Sünden“ hinweggebracht
habe. Wenn aber Frömmelei und Muckertum dagegen eingetauscht werden
mußten, dann ist das junge Mädchen nur von einer Unfreiheit in eine
andere gefallen, und es wäre nachzuprüfen, welche der beiden für ihr
Leben die hemmendere, untüchtig machendere, asozialere ist.
Ein Student, der eine Zeitlang in einer Verbindung ein eifriges Mit-
glied war und einen gelegentlichen Rausch nicht scheute, wird unter dem
Drucke seiner Onanie zum Abstinenten. Über die Mitmenschen,
welche auch in mäßigster Weise Alkohol genießen, hat er die härtesten
Urteile und betrachtet insbesondere die Intellektuellen unter den Nicht-
abstinenten als Kreaturen mit moralischer Minderwertigkeit. Er selber ist
ein Eiferer für die Abstinenz geworden, eg sieht in ihr die Erlösung der
Menschheit aus allen Übeln.
Ein Junge kam mit seinem kleineren Bruder nicht mehr aus. Es gab
zu Hause beständig Streit. Wenn dann die Eltern zwischen den beiden
Kampfhähnen vermitteln wollten, so verteidigte sich der Ältere gar nicht,
oder er reizte seine Erzeuger durch blasierte Antworten, so daß er immer]/
auslöffeln mußte. Das empfand er besonders dann als eine Wohltat, wenn |
er an dem Streite mit seinem Bruder völlig unschuldig war. Denn auch!
er entlastete damit seine Schuldgefühle wegen seiner ÖOnanie.
Andere bestrafen sich direkter, so z. B. jener meiner Schüler, der sich
an der Handdreschmaschine zu Hause einen Finger abquetschte,
obschon er die Maschine „im Schlaf“ hätte handhaben können, wie er
mit Recht sagte. Gespräche nach den Regeln der Psychoanalyse, die nach
geschehenem Unfall mit dem Jungen geführt wurden, ergaben, daß die
Hand gestraft werden sollte, welche die „böse Tat“ jeweilen ausführte.
Der Junge hatte onaniert.
Es scheint keinen großen Zweck zu haben, mehr Beispiele aufzuzählen,
über die Schäden, die auf eine Onanie aufgebaut sind, bzw. eine Onanie
zur Grundlage haben. Es wäre auch falsch, die aufgezählten Beispiele ver-
allgemeinern zu wollen und zu glauben, wenn jemand den Beruf wechsle,
sich in seinem Charakter oder in seinen Fähigkeiten verändere, sich einen
Finger abschneide usw., dann sei dies ein Zeichen dafür, daß er der Onanie
erlegen sei. Das wäre ebenso töricht, wie wenn man jeden Frömmler,
Mucker und Abstinenzfanatiker als ÖOnanierekonvaleszenten betrachten
wollte. Die Beispiele wollten nur darstellen, was alles für Veränderungen
möglich seien.
Nun wird man aber sagen: Wenn die ÖOnanie so schädliche Ver-
änderungen zur Folge hat, dann ist es höchste Notwendigkeit, sie zu
bekämpfen. Sie ist nicht so harmlos, wie man zu Beginn dieses Aufsatzes
hätte vermuten können.
Es ist zu Beginn dieses Aufsatzes darauf aufmerksam gemacht worden,
daß ein hoher Prozentsatz der Kinder onaniert. Aber ein geringer Prozent-
satz dieser Onanisten verändert Charakter und Anlagen, quetscht sich ein
Glied ab oder leidet sonstwie übermäßig infolge seiner „Unart“. Also
muß ein anderer Faktor dabei ausschlaggebend sein.
Dieser hängt mit der Onanie zusammen und ist schon genannt worden:
er ist ds unbewußte Schuldgefühl, das meist viel stärker ist, als
die bewußten Schuldgefühle wegen der Onanie. Nicht der Säfteverlust
ist das Bedenkliche und Krankmachende an der Onanie, sondern die
Schuldgefühle, die sich an sie heften. Und wenn viele Onanisten keinerlei
Veränderungen und innere Kämpfe zeigen oder durchmachen, so unter-
liegen sie eben weniger großen Schuldgefühlen als ihre unglücklicheren
Kameraden, Diese sind eigentlich nicht die Verlotterteren, moralisch
Minderwertigeren: sie besitzen im Gegenteil ein viel strengeres, ein über-
strenges Gewissen. Darum suchen sie ja Strafe als Sühne, und meist ist
diese Strafe sehr grausam, viel grausamer, als durch die „Unart“ eigentlich
. gerechtfertigt ist.
Wo ein Onanierender auf irgendeine Art erkrankt, — an seinem Willen,
an krankhafter Wesensveränderung, an einer neurotischen Einstellung zur
Welt, — da ist also nicht die Onanie an sich schuld, sondern ein quanti-
tativer Faktor anderer Art: es kommt auf die größere oder kleinere Macht
seiner Schuldgefühle an.
Aber die Kinder, die nicht erkranken, onanieren auch, und auch sie
werden von Schuldgefühlen geplagt. Wo solche Leutchen dann noch eines
der berüchtigten „medizinischen“ Bücher erwischen, wie sie in den
Zeitungen durch Inserate angepriesen werden, da wird auch für sie die
Gefahr groß. Ebenso, wenn ein Arzt oder eine andere Respektsperson, die
— 138 —
Eltern, die Lehrer oder der Pfarrer, die von der ÖOnanie etwas merkten
und einen jungen Menschen zum Geständnis brachten, irrtümlicherweise
glauben, durch Drohungen einem Kinde helfen zu können.
m
Wenn ein besorgter Vater, ein Lehrer oder ein Pfarrer, die ohne
jegliche medizinische und psychologische Einsichten sind, einem bei der
Onanie ertappten Kinde durch Drohungen beikommen wollen, weil sie in
ihrer Hilflosigkeit und Angst nichts Gescheiteres wissen, so tun sie in
aller Gutgesinntheit nichts anderes, als was in der Erziehung oft genug
getan wird: sie vollbringen etwas entschieden Verwerfliches und wirklich .
Dummes, ohne dafür getadelt werden zu können. Man könnte ihnen viel-
leicht nur sagen, sie sollten lieber nichts tun.
Hingegen will es mir unverantwortlich erscheinen, wenn heute noch,
nachdem so viel über Sexualität — und nicht etwa nur von Psycho-
analytikern — geforscht worden ist, von Ärzten und insbesondere von
Schul- und Kinderärzten mit Drohungen gegen Kinderonanie gekämpft
wird. Diese Leute haben Medizin studiert, Forel, Hirschfeld u. a. m.
müssen ihnen nicht unbekannt sein, und wenn sie sich Kinderarzt schreiben
lassen, so dürften sie doch sicherlich einiges über Psychotherapie und
Freud wissen. Der Beruf, den sie ausüben, verpflichtet sie dazu. Dies
sei ohne jegliche Polemik, nur im Interesse der Kinder — aber auch in
dem des ärztlichen Erfolges — gesagt.
Ganz schlimm steht es dort, wo eine Erzieherperson ein Kind wegen
seiner Onanie bereits beruhigte, und später ein Arzt hinzukommt und
droht. Ein Arzt ist für ein Kind in bezug auf Onanie der Wissendere,
als der Vater oder ein Schulmeister. Es gerät dann in den alten, bereits
im Abbau begriffenen Onaniekonflikt und überdies noch in einen
Vertrauenskonflikt. |
Ein Lehrer — um konkret zu werden — vernimmt von einer seiner
Schülerinnen, die etwas debil und hysterisch ist, daß sie onaniert, und
zwar immer dann, wenn sie zu Hause mit jemandem Streit hat, besonders
wenn sie vom Vater wegen irgend etwas (das sie wahrscheinlich provoziert)
ausgescholten wird. Die Schülerin erzählt ihren ganzen Jammer unter
Tränen: sie denke dann, sie sei ja überhaupt nichts wert, sie werde von
niemand lieb gehabt, da sei es nicht schade, wenn sie onaniere und
daran vielleicht sterben müsse. Der Lehrer tut verwundert und frägt,
wieso sie auf den Gedanken komme, sie müsse dabei sterben. Ein nam-
hafter Kinderarzt hat es ihr gesagt. Die Mutter bestätigt es. Der Lehrer
sucht das Kind zu beruhigen. Er erklärt ihm, es solle, wenn es nicht
anders könne, ruhig weiter onanieren, das mache nichts. Es komme dann
schon einmal dazu, das zu lassen — die Erwachsenen täten es ja auch
nimmer. Dies sagt er absichtlich, um das andere Ideal dem Kinde aufzu-
stellen — Kinder wollen ja erwachsen werden. Später kommt das Kind zu
einem anderen Arzte. Dieser vernimmt, was der Lehrer zur Onanie gesagt Ze
hat, nämlich, es müsse nicht sterben. Der Arzt sagt ihm (von den Eltern
beglaubigt!): „Gewiß, sterben mußt du deswegen nicht, aber du kommst
in die Irrenanstalt!“ Darauf folgt eine verzweifelte Weinszene vor dem
Lehrer. In diesem Falle wußte er sich nicht anders zu helfen, als daß er
dem Kinde mitteilte: „Du weißt, ich habe dich noch nie angelogen. Ich
halte meine Behauptungen (wegen der O.) aufrecht. Du kannst glauben,
wem du lieber willst!“ In der Folge wurde der Schulbehörde von dem
betreffenden Arzt geraten, das Mädchen anderswo unterzubringen, auf dem
Lande bei Bauersleuten, wo es streng arbeiten müsse und keine Zeit habe, |
seiner Onanie nachzusinnen. So, als ob die „Ansteckungsgefahr“, von der |
auch die Rede war, an einem „anderen Orte“ für die dortigen Kinder
nicht auch bestanden hätte, und als ob die Onanie auf so einfache Art
— durch Ermüdung — hätte beseitigt werden können.
Solche Fälle sind noch weniger schlimm als jene anderen, wo Schüler
aus den Schulanstalten deswegen herausgeworfen wurden, weil es ihnen
einmal nicht gelang, ihre Onanie geheim zu halten. Als ob damit etwas
gewonnen wäre, wenn ein Önanist von der Mittelschule in die Volks-
schule zurückversetzt wird. (Die Volksschullehrer dürften sich etwas ein-
bilden: wo man mit einem Kinde in den Mittelschulen erzieherisch nichts
mehr anzufangen weiß, überläßt man es der Erziehungskunst von Lehrern
auf „unterer“ Stufe!... .)
Noch schlimmer erging es einem Waisenjungen, der bei einem Bauern
verdingt war. Er sollte dem Melker eine Uhr gestohlen haben, wollte
nicht gestehen und wurde deshalb verprügelt. In seinem Elend drückte er
sich in eine Ecke des Heubodens und onanierte dort. Der Meister erwischte |
ihn dabei, die ganze Angelegenheit wurde vor der Schulbehörde erörtert,
und der Junge kam in eine /Zwangserziehungsanstalt. Ausschlaggebend zu
dieser Maßnahme war die bewiesene ÖOnanie, nicht der vermutete und
immer geleugnete Diebstahl. Später, nach Jahren, als man im Stalle des
Bauern ein neues „Läger“ herrichtete und das alte herausriß, fand sich
die Uhr: sie war vom Melker auf einen Balken zwischen der Doppelwand
gelegt worden, wie sich dieser nachträglich erinnerte, und war herunter- |
Fe, „
gefallen.
Wenn wir uns fragen, weshalb und wieso die Erwachsenen die Onanie
bei Kindern mit solcher Strenge und Bösartigkeit verfolgen, so könnten
wir viele ganz verschieden scheinende Antworten finden. Bei näherer
Betrachtung träfen wir jedoch hinter allen Begründungen schließlich die
Angst an. Gewiß entspringt diese einesteils dem Gefühle, daß die Erzieher
in der Regel gegen das triebhafte Geschehen im jungen Menschen ohn-
mächtig sind und kein wirksames Mittel kennen. Tiefer jedoch stecken
immer eigene, vielleicht längst vergessene und verdrängte Onanie-
befürchtungen. Ganz abgesehen davon, ob der nun Erwachsene je einmal
in seiner Kindheit tatsächlich onaniert habe oder nicht: die Angst
— 40 — |
beweist den Rest ehemaliger eigener onanistischer
Phantasien — und für das Unbewußte bedeutet ja der Gedanke so
viel wie die Tat.
Die gestrengen Erzieher bekämpfen in den ihnen anvertrauten Kindern
sich selber. Sie schlagen den Sack und meinen den Esel, könnte man
sagen, und das wäre nicht so schlimm, wenn nicht Kinder, die sowieso
schon bedrückt sind, unter der Grausamkeit leiden müßten. Man "ver-
urteilt im bestraften Kinde seine eigene Kindheit und maskiert sein
Handeln als aufgeklärter Mensch etwa so: „Es ist gut, daß mein Sohn
(oder Schüler) als Onanierender nicht durchzumachen braucht, was ich
selber durchmachte, und dem ich selber nur mit größter Mühe und Not
und höchster Anstrengung endlich entging!“ In den Rationalisierungen
erscheinen wir uns gerne human.
IV
Wenn mich jemand um Rat fragte: „Was soll man denn tun, wenn man
von einem Kinde, von einem eigenen oder von einem Schüler, bestimmt
weiß, daß es onaniert?” — dann könnte ich ihm ebensowenig ein Rezept
in die Hand drücken, wie wenn er von mir Auskunft darüber verlangte,
was zu geschehen habe, damit ein Jugendlicher nicht einem anderen
gleich intensiven Triebe nachgebe.
Auf keinen Fall dürfte der Pädagoge die Angst, die
bereitsim Kinde drinsteckt, durch Drohungen und Ver
bote noch vergrößern! |
Niemals wird es gelingen, die einmal begonnene ÖOnanie einfach durch
das Machtwort einer Autorität abzukommandieren. Wenn jedoch ein Kind,
nachdem es von einer solchen Person ein Verbot oder eine Drohung ent-
gegengenommen hat, in die Onanie zurückverfällt, so wird es nach voll-
brachter Tat noch viel belasteter und unglücklicher sein als vorher und
überhaupt nicht mehr daran glauben, daß ihm ein Überwinden je mög-
lich werde.
Wir haben gesehen, daß die an die Onanie gehefteten
Schuldgefühle das Gefährliche, das Gefährdende sind.
Diese Schuldgefühle, dem Ödipuskomplex entstammend, sind vor
her und ohne die Onanie schon vorhanden. Sie verknüpfen
sich jedoch aus ganz bestimmten Gründen (Onaniephantasien) sehr gerne
und jeweilen heftig mit der Onanie, und sie wachsen an ihr groß. Wir
müssen also sie bekämpfen. | |
Da wir in der Regel die tiefer liegenden unbewußten Onanie-
phantasien, die fast immer inzestuöser hetero- oder homo-
sexueller Natur sind, nicht aufdecken können (weil es unmöglich
ist, unsere eigenen Kinder oder eigenen Schüler regelrecht zu analysieren),
1) Reik „Geständniszwang und Strafbedürfnis“ S. gı. Internat. Psa. Bibl. XVII.
Wien 192».
———
so müssen wir uns damit begnügen, auf suggestive Weise
von der Seite des Bewußten her Beruhigungen zu
erteilen. Dabei gilt es, die Übertragung auszunützen, um
sich beimKinde gegen dieÄußerungen der medizinischen
und pseudomedizinischen Schundliteratur sowie viel-
leicht auch gegen die Gutachten unverständiger Ärzte
durchzusetzen und obenaufzu kommen.
Ich habe weitgehende Besserung an Kindern im schulpflichtigen
Alter erlebt, nachdem erreicht wurde, daß sie ihren Vätern ihre Bedrängnis
beichteten; die Väter waren vorher auf das Geständnis vorbereitet worden;
sie erteilten dem Kinde keinen Tadel, zeigten ihm vielmehr Verständnis
und gaben ihm die Erlaubnis, mit der Onanie weiterzufahren, wenn es
‚nicht anders gehe; das Gestattete hatte schon einen Teil seines Reizes
verloren. Schon die Tatsache, daß dem Kinde jemand vertraute und es
nicht als einen verkommenen Menschen betrachtete und behandelte, weckte
in ihm Abwehrkräfte.
Oft bedeutet die Onanie für den Onanierenden eine besondere Art von
Bestrafung. Aus unbewußten Schuldgefühlen heraus wollen sieihren
Körper schädigen. (Wir haben vorn von einem Jungen vernommen,
der sich einen Finger aus unbewußter Straftendenz abquetschte.) Die Art
von ÖOnanisten, die ich jetzt im Auge habe, glauben, sich selber „die
besten Säfte“ wegzunehmen, sie vermuten einen direkten Zusammenhang
zwischen Gehirnsubstanz und Samenflüssigkeit und feiern beim Onanieren
masochistische Orgien der Selbstverstümmelung. Wenn man diesen nun
als Autoritätsperson versichert, der Säfteverlust habe nichts auf sich, selbst
wenn sie ziemlich exzessiv onanieren, dann fällt für sie einer der Haupt-
gründe zu ihrem Handeln dahin: ihre Onanie verliert an Bedeutung.
Wer sich negativer Urteile vor den Kindern nicht enthalten kann, oder
es nicht über sich bringt, ohne Abwehr mit einem Jugendlichen über
dessen Onanie zu reden, der kann etwa sagen: „Die Erwachsenen tun es
‚nicht mehr!” (Gestatten wir uns diese Verallgemeinerung!) Oder: „Es ist
ja nicht gerade schön, was du da machst!“
Ein negatives ästhetisches Werturteil ist für ein Kind viel
weniger bedrohend, als irgendein anderes.
Hierin, nämlich in der Beruhigung, im Nicht-ernst-nehmen der Onanie
durch den Erzieher, liegt für diesen eine große Gefahr, die ihm von
außen droht. Eltern und vielfach auch die Behörden können eine solche
Art, kindliche „Sünden“ zu erledigen, nicht verstehen; sie sind gerne
bereit, von „frivolen“ und „ethisch minderwertigen Jugendführern“ zu
reden.
Solchen Leuten psychologische Erklärungen über das Vorgehen der
Pädagogen geben zu wollen, nützt gewöhnlich nichts, denn sie wollen
sich gar nicht belehren lassen. Sie leben gleichsam davon, daß die Onanie
etwas Außerordentliches sei, daß sie nur in vereinzelten Fällen vorkomme,
— 42 —
daß man sie mit Polizeimaßnahmen verfolgen müsse und über Befallene
Acht und Bann zu verhängen habe; daran halten sie fest wie an einem
Glaubensbekenntnisse — und einen Gläubigen bekehrt man mit keinerlei
Argumenten zu einem neuen Glauben oder zu anderer Anschauung.
Woher solche Gebundenheit stammt, wurde weiter vorn angedeutet, wo
von den nicht erledigten Onaniebefürchtungen der Erwachsenen die
Rede war.
Darum ist es notwendig, für eine neue Einstellung der Kulturmensch-
heit gegenüber der Onanie einzustehen in Tat, Wort und Schrift, wenn
nicht darauf verzichtet werden soll, daß es künftige Kindergenerationen
besser haben als die heutigen. Nach und nach bricht sich das Neue doch Bahn.
Während in einem Dorfe ein Lehrer von Schulbehörde und Inspektor
gezwungen wird, unterschriftlich einen Pakt zu bekräftigen, daß er nie
wieder einen seiner Schüler sexuell aufklären wolle — im Widerhandlungs-
falle müsse er seine Stelle verlassen — verlangen im Nachbardorfe die
Eltern anläßlich einer Elternversammlung von den Lehrern, daß diese
ihre Kinder aufklären, wo Aufklärung nötig wird.
Es ist zu erwarten, daß kommende Geschlechter über sexuelle Dinge
im allgemeinen und über die Onanie im besonderen anders, menschlicher
und versöhnlicher denken, als die jetzt herrschenden. Damit diese für die
Kindheit glücklichere Zeit eher komme, dürfen die Einsichtigen die Hände
nicht in den Schoß legen und stillschweigen, nur um ungefährdet zu
bleiben. „Die Stimme des Intellektes ist leise, aber sie ruht nicht, bis sie
sich Gehör geschafft hat!“ sagt Freud in seinem letzten Werke. Wir
dürfen dieses Wort auch für die Beurteilung der Onanie anwenden und
hoffen, daß auf die Dauer Vernunft und Erfahrung uns recht geben werden.
| | | I I | ig ' j f ’ IIIT
} 213 4 L | j 1
Die Abwehr der Selbstbefriedigung
Von Ernst Schneider, Riga
I
Unsere analytischen Erfahrungen haben uns veranlaßt, als sicher
anzunehmen, daß zu gewissen Zeiten die Selbstbefriedigung in ihrer
primären Form als Lustgewinnung am Genitale eine Entwicklungsaufgabe
zu erfüllen hat, und zwar in der Säuglingszeit, in der Spielzeit und in
der Pubertätszeit, also auf den Höhepunkten der stufenmäßigen Ent-
wicklungslinie von der Geburt bis zum Erwachsensein. Es wird demnach
die Tendenz zur Selbstbefriedigung im Entwicklungsplane liegen und ihre
Auslösung dann erfolgen, wenn „die Zeit gekommen“ ist und die
ı) Freud: Die Zukunft einer Illusion. Int. Psa. Verlag, Wien, 1927.
— 43 —
Bedingungen hiezu erfüllt sind. Sie hätte aufzuhören, wenn sie ihre
Entwicklungsaufgabe gelöst hat. Eine Abstellung kommt dann in der
Weise zustande, daß durch andere Aufgaben und Lösungen, die im
Entwicklungsplane liegen, andere „Interessen“ in den Mittelpunkt gerückt
werden. Auf ein körperliches Organsystem (Gelegenheitsapparat [Bleuler]), |
das zur Auslösung und Abstellung der Selbstbefriedigung bereitgestellt
wird, hat Landauer in seinen Bemerkungen über „Stammesgeschichtliche
Vorläufer‘ der Selbstbefriedigung und deren Verdrängung“ aufmerksam
gemacht. (Diese Zeitschrift S. 116)
Die Erfüllung lebenswichtiger Aufgaben ist lustbetont. Die Selbst-
befriedigung bereitet eine besonders intensive Lust. Es dürfte daher
anzunehmen sein, daß ihr im Entwicklungsplane eine Aufgabe zukommt,
deren Erfüllung besonders wichtig ist. Es ist dies die Mitwirkung an der
Sicherstellung der Arterhaltung. Der lustvolle Verlauf der Funktion hat
aber auch seine Kehrseite. Alle Lust strebt nach Wiederholung und
Dauer („alle Lust will Ewigkeit“). Dadurch wird die Tendenz zum
Festhalten an der Selbstbefriedigung verstärkt. Werden nun entsprechend
auch die normalen Abwehrtendenzen betont, so ist alles in Ordnung. Es
gibt aber noch andere Ursachen des Verharrens. Sie dürften in der
Hauptsache mit der Anlage und mit der Erziehung zusammenhängen. Die
Erziehung kann übermäßige Reizungen, beim Säugling z.B. bei der
Pflege und durch allerhand Liebkosungen, hervorrufen. Ein Kind mit
einer „empfindsamen“, einer „neurotischen Anlage“ ist viel „träger und
hält stärker an einmal genossenen Lustquellen fest. In solchen Fällen
treten besondere Abwehreinrichtungen in Tätigkeit. Das hängt damit
zusammen, daß mit dem Festhalten an der Selbstbefriedigung eine Störung
des dynamischen Gleichgewichts der Entwicklungsfaktoren herbeigeführt
wird. Der menschliche Organismus verfügt über Signale, die solche
Störungen anzeigen, es sind Unlustgefühle, wie Schmerz, Angst u.a.
Wird an der Onanie über das von der Entwicklung geforderte Maß
hinaus festgehalten, so bedeutet das eine Störung einer gefügten Natur-
ordnung. Die immer wiederkehrende Erfahrung, die die Organismen
machen müssen, daß dem Verstoßen gegen eine Naturordnung irgend ein
Leiden, eine „Strafe“ folgt, wird offenbar irgendwie instinktiv festgehalten.
Diese Unheilserwartung läßt beim Menschen das Störungssignal zu dem
werden, was wir Schuldgefühl nennen. Im weiteren bedeutet eine
Störung im Plane der sexuellen Entwicklung eine Bedrohung der lebens-
wichtigsten Funktion, das heißt der über das Individuum hinauszielenden
der Arterhaltung. Diese Lebensbedrohungen lösen Angst als Signal aus,
Aus dem Gesagten ist es leicht zu verstehen, daß diese Angst regelmäßige
‚Verbindungen mit dem Schuldgefühl einzugehen pflegt. Die Natur-
ordnungsstörung zieht Strafe nach sich, und das Schuldgefühl ist damit
auch „Angst vor der Strafe“, ist Schuldangst. _
Diese elementaren Angst- und Schuldgefühle dürften der erste Anlaß zu
— 44 —
:
den vielen Abwehrmaßregeln sein, die in der Spielzeit und besonders
in der Pubertätszeit gegen die Onanie ergriffen werden, und die dazu
führten, Onanie als Sünde und als höchste Schädigung zu brandmarken.
Doch dies allein macht die große Abwehrreaktion gegen die Onanie noch
nicht vollkommen verständlich. Es treten verstärkend die Maßnahmen der
Erziehung hinzu. Die Erziehung ist Anwalt der Umweltforderungen.
Sie fügt zu dem naturhaften oder instinktgemäßen Erziehungsplan den
kulturellen. Wenn beide Pläne durch Erziehung miteinander in Einklang
gebracht und unvermeidliche gegenseitige Härten immer wieder ausgeglichen
werden können, so ist die Sache in Ordnung. Man muß nun eigen-
tümlicherweise feststellen, daß die Erziehung gewöhnlich hinsichtlich
der Selbstbefriedigung die „Naturforderung‘“ übersieht und sich auf die
Seite der bereits durch Angst und Schuldgefühle hervorgerufenen ver-
stärkten Abwehrtendenzen stellt. Die Erziehung ist es gewohnt, in der
Selbstbefriedigung schon als solcher eine Handlung mit außergewöhnlich
schädigenden Folgen und eine Sünde zu sehen. Infolgedessen greift sie zu
Abwehrmaßnahmen, die geeignet sind, die Angst und Schuldgefühle oft
bis zur Unerträglichkeit zu verschärfen. Es kommt auf die allgemeine und
besondere Einstellung des Kindes zu Erziehung und Erziehern an, wie
deren Maßnahmen wirken. Stellt sich das Kind mehr auf die Natur-
forderung ein und will es auf seinem „Recht“ beharren, oder unterwirft
es sich der Erziehung und gibt die Onanie auf oder verdrängt es die Tendenz
hiezu? In den meisten Fällen kommt es zu einem Kompromiß zwischen
dem durch Trotz verstärkten Trieb und dem „Gehorsam“, so daß das
immer wiederkehrende Spiel von guten Vorsätzen und Rückfällen entsteht,
jener typische Onanieabwehrkampf der Pubertätszeit mit dem Wechsel von
Erfolg und Mißerfolg, Sieg und Niederlage.
Im weiteren sei noch darauf hingewiesen, daß die gezeichnete seelische
Situation noch eine Verschärfung durch die an die Onanie geknüpfte
Vorstellungswelt und die durch diese hervorgerufenen Angst- und Schuld-
gefühle erfährt. In der Hauptsache sind es die Vorstellungen des Ödipus-
komplexes.
So hätten wir drei Schichten, die an der Onanieabwehr beteiligt sind.
Die unterste ist bedingt durch die Entwicklung, die zweite durch die
Erziehung und die dritte durch das Schicksal der Sexualentwicklung im
Ödipusalter.
Ich glaube, es ist gut, wenn man diese drei Schichten auseinanderhält,
schon wegen der richtigen psychologischen und pädagogischen Beurteilung im
einzelnen Falle, Dann läuft man auch weniger Gefahr, die Onanie ent-
weder als etwas „Harmloses“ oder als Sünde und in hohem Maße
schädigend anzusehen. Man wird in ihr gewissermaßen ein Feuer erblicken,
das man hegen und pflegen muß, wie überhaupt alle Faktoren der Liebes-
entwicklung, damit es nicht entweder erstickt werde oder das „Haus in
Brand“ setze.
I
Es folgen hier einige Beispiele aus der analytischen Beobachtung über
mißglückte Abwehrversuche und deren Folgen.
1. A. hat in der Jugend onaniert, soweit er sich zurückerinnern kann.
In der Latenzzeit konnte die normale Unterbrechung nicht erreicht werden.
Die Eltern trafen allerlei Vorkehrungen, um die Onanie zu unterdrücken.
50 banden sie ihm einmal die Hände an das Bett. Jetzt begann er jede
Nacht das Bett zu nässen, bis er die Hände frei bekam und wieder
onanieren konnte. Die Eltern waren religiös und suchten den lieben Gott
als strafende und beaufsichtigende Gewalt zur Abwehr aufzubieten. Der
Kleine legte sich ins Bett und sagte alle seine Gebete her. Dann meinte
er: „Jetzt, lieber Gott, kannst du mit mir zufrieden sein. Schau du jetzt
nach der anderen Seite. Was ich jetzt tue, gehört nicht mehr dazu (d.h.
zum Gebet) und geht dich gar nichts an.“ Und richtig, der liebe Gott
schaute weg. So konnte sich A. seelenruhig in den Schlaf onanieren. Dje
Gebete waren eine Dienstleistung für den lieben Gott, für die er sich
durch Onanie belohnte. Wie man sich durch Selbstbestrafung das Recht
auf eine Sünde erwerben kann, so auch durch eine Dienstleistung. Im
späteren Leben hielt A. diesen Kompromiß und diese Spaltung aufrecht. Er
studierte Theologie und war dabei dogmatisch fromm. Das hinderte ihn aber
nicht, in sexueller Hinsicht recht ausschweifend zu leben. Die doppelte
Lebensbuchhaltung konnte aber auf die Dauer nicht aufrecht erhalten
werden. Es stellte sich Arbeitsunfähigkeit ein, und die führte A. zur
Analyse. Sie scheiterte aber bald. A. stand auf dem Standpunkt, die
Arbeitsunfähigkeit sei eine Folge der Unordnung im sexuellen Leben, und
sagte zu mir: „Sie haben meine Arbeitsunfähigkeit zu beheben. Sie
wollen aber an meinem Glauben rütteln. Mein Glaubensstandpunkt geht
Sie nichts an.“ Und dabei blieb es. — Ich brauche hier kaum zu sagen,
daß ich die religiösen Fragen in keiner Weise anschnitt. Sie drängten
sich eben als analytische Einfälle auf. Es war das unbewußte Schuld-
gefühl, vor dem sich A. flüchtete, jenes Schuldgefühl, für das der Dienst
am Werke Gottes eine Sühneleistung bedeutete und ihm die Befriedigung
seiner sexuellen Wünsche sicherte. Diese waren, wie in der Kindheit die
Onanie, durch Trotz gegen die Moral verstärkt. Die Berufswahl erfolgte
in der Richtung des Gehorsams den Eltern gegenüber.
2. Im folgenden Beispiel wirkt sich die Selbstbestrafung einen Freibrief für
Onanie aus. B. erzählte in der Analyse zwei hübsche Szenen, die uns zur
Aufdeckung der kindlichen Onanie führten.! Es waren Deckerinnerungen :
„Ich sehe mich als kleinen Knaben in einem dunklen Kämmerlein stehen,
wo ich öfters Strafen abzusitzen hatte. Ich habe mich am Ohr gefaßt und
mich da hineingeführt. So trifft mich die Mutter und fragt, was ich da
mache. Ich antwortete: ‚Ich habe ihm doch: gesagt, er soll nicht die
ı) Zuerst mitgeteilt in meiner Schrift „Über das Stottern“, Bern, Francke,
— 40 —
Treppe hinunterrutschen, er aber gehorchte nicht. Deshalb nahm ich ihn
beim Ohr und führte ihn in dies Kämmerlein.‘ Darauf fragte die Mutter:
‚Wer ist der Er?‘ — ‚He, der Peter‘, sagte ich. — Peter war ein Bursche,
der mir als Taugenichts geschildert wurde und mit dem ich nicht spielen
durfte. Ich wurde sehr streng erzogen. In meiner Phantasie und auch in
Wirklichkeit verübte ich aber als Peter mancherlei schlimme Streiche,
auch die Onanie. Weiter sehe ich mich ein anderes Mal mitten im Zimmer
stehen, erschrocken hinter dem Rücken den Uhrschlüssel haltend, mit dem
ich nicht spielen durfte. Die Mutter war eingetreten und fragte mich
nach meinem Tun. Ich antwortete: ‚Ich habe ihn gewarnt, er soll den
Schlüssel nicht nehmen. Er gehorchte aber nicht und spielte damit.” —
‚Wer, er?‘ — ‚Der Peter, der nie gehorchen will.“
Die Identifikationen einerseits mit den verbietenden und strafenden
Eltern, andererseits mit dem bösen Peter ermöglichten die Önanie,
besonders auch deshalb, weil ja die Bestrafung in Aussicht genommen
wurde. Als mit der Pubertätszeit die Onanie wieder auftrat, konnten selbst-
verständlich die beiden Personen nicht mehr getrennt nebeneinander
bestehen. Es war eben B., der onanierte, und der dann mit einem
intensiven Schuldgefühl und entsprechender Straferwartung reagierte. Sein
Beruf stand im Dienste der Moral. Er wurde Lehrer. Das war für ihn
ein moralischer Beruf. So hatte er die Möglichkeit, die Jugend zur Moral
zu erziehen, und dann mußte er ganz gewiß in den Geruch eines moralischen
Menschen kommen, den man doch in keiner Weise der Onanie zu ver-
dächtigen wagen wird. Nur vor mir hatte er besondere Angst, ich könnte
seinen Weg kreuzen und als Psychoanalytiker ihn durchschauen. In seinem
Beruf versagte er aber bald nach seinem Amtsantritt. Im Religions-
unterricht wollte er einmal den Spruch sagen: „Mein Kind, fliehe vor der
Sünde wie vor einer Schlange...“ Da erlitt er einen Angstanfall. Er
fühlte jemand hinter sich stehen, der sich anschickte, ihn mit einem
Schlage so zu treffen, daß er in sich zusammensinken werde. Diese Vor-
stellung knüpfte sich an eine frühere Straferwartung für Onanie: Gehirn
und die Knochen werden weich, so daß der Körper in sich zusammen-
sinken muß. Ein längerer Erholungsurlaub brachte wieder einige Sicherheit.
Aber bei der nächsten Moralpredigt erfolgte der zweite Angriff des Schuld-
gefühls. Darauf suchte B. die Analyse auf, die ihm Heilung brachte. Er
arbeitet jetzt seit mehr als einem Jahrzehnt tapfer in seinem Berufe.
3. Eine Mutter suchte meinen Rat. Sie hat ein sechsjähriges Stief-
töchterchen, das recht ausgiebig onaniert. Die Mutter will nach den
Grundsätzen Försters den guten Willen des Kindes, die Onanie aufzugeben,
stärken. Trotz allen guten Vorsätzen des Kindes und der Unterstützung
durch Ermahnung, Aufsicht, Beschäftigung, Händeanbinden usw. sind
die Rückfälle doch recht häufig. Das Mädchen ist sehr unruhig, kann
keinen Augenblick ruhig sitzen, noch still stehen. Die Mitteilungen der
Mutter wecken in mir den Verdacht, das Kind gebe die Onanie nicht
— 47 —
3” 2
Aa Be. :
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Er
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auf, um die Mutter irgendwie zu veranlassen, sich mit ihm zu beschäftigen Br
und sie an sich zu binden. Ich schlug ihr vor, so zu tun, als ob ihr die
Onanie des Kindes gleichgültig sei. Sie soll nur dann für das Kind.
Interesse zeigen, wenn es irgend etwas Vernünftiges leiste. Um dessen
intensive Bewegungslust zu kultivieren, empfahl ich rhythmische Gymnastik.
Das Kind war musikalisch und tanzbegabt. Ferner war es geschichten-
hungrig. Um in dieser Hinsicht die Kleine von der Mutter zu lösen und
aktiv werden zu lassen, gab ich ihr meine Fibel,' damit sie lesen lernen
und selber Geschichten lesen konnte. Nach einiger Zeit hörte ich aus der
Umgebung des Kindes, daß dieses sich ganz verändert habe, es sei ruhig
geworden und onaniere nicht mehr.
4. Der folgende Fall schildert eine therapeutische Wiederkehr der
Onanie. Frieda C., eine intelligente Tochter von 22 Jahren, kommt nach
einigen Stunden Analyse in die folgende Sitzung mit der Bibel unter dem
Arm, legt sie auf den Tisch und erklärt: „Letzte Nacht habe ich Gott
erlebt!” Ich ersuchte sie nun, das ganze Erlebnis genau zu beschreiben. -
Ich erkannte bald, daß es sich um einen sexuellen Orgasmus handeln
müsse, Um festzustellen, wie sie dazu gekommen war, erkundigte ich
mich nach den voraufgegangenen Erlebnissen, und erfuhr, daß Frieda
energisch mit dem Teufel gekämpft, ihn aber überwunden habe, worauf
sie mit einem beseligenden Gotteserlebnis belohnt worden sei. An Hand
der nach und nach vorgebrachten Einzelheiten konnte der Ablauf des
Vorfalls rekonstruiert werden: Es war bald nach dem Zuübettgehen. Da
trat ein mit Angst und Schuldgefühlen begleiteter Spannungszustand ein,
Das war das teuflische Erlebnis, das Frieda in der Weise zu bekämpfen
suchte, daß sie betete und den Körper zusammenzog, wobei besonders die
Schenkel in der Genitalgegend zusammengepreßt wurden. Erregung und
Angst steigerten sich (Angstlust), bis auf der Höhe der Orgasmus erfolgte.
Ich machte nun die Analysandin auf den Sinn des Geschehenen auf-
merksam. Sie erfaßte ihn sofort und erinnerte sich bald, daß sie vor
Jahren (wie sich dann herausstellte, kurz vor dem Ausbruch der „Krankheit“)
„50 etwas“ getan, in der Angst vor allerlei möglichen Schädigungen aber
unterdrückt und ganz aufgegeben und vergessen habe. Frieda war reizbar,
launenhaft, quälte ihre Angehörigen, litt an allerlei Magen- und Darm-
störungen, die lange Zeit erfolglos medikamentös behandelt wurden. Sie war
von jeher „nervös“. Aber eigentlich krank wurde sie erst nach der Unter-
drückung der Onanie. Nach jenem „Gotteserlebnis“ nahm sie diese wieder
auf. Ihr Zustand besserte sich so rasch, daß ich in der Umgebung der
Tochter auf der einen Seite über Menschenhöhe gehoben und auf der
anderen mit dem Teufel in Beziehung gebracht wurde. Dabei war aber
vorläufig weiter nichts geschehen, als daß der gewöhnliche Ablauf einer
abgewehrten und verdrängten Onaniespannung erreicht worden war. Frieda
ı) Der bunte Vogel. Grethlein, Leipzig.
nahm nun die Onanie in ergiebigem Maße wieder auf. Bald traten aber
neue Angst- und Schuldgefühle auf, die sich der Analyse stellten. Doch
hierüber wollen wir nicht weiter sprechen, sondern uns nur die Frage
vorlegen, warum die Wiederaufnahme der Onanie ermöglicht wurde und
weshalb in dieser Form.
Frieda kam zu mir in Analyse, angeregt durch zwei Bekannte, die bei
mir in Behandlung waren. Die eine litt an einer Zwangsneurose mit
religiösen Vorstellungen. Die andere hatte Frieda erzählt, daß ihr die
Analyse „höhere Erlebnisse“ gebracht habe. Sie stand im Zeichen einer
starken positiven Übertragung. Wenn ich in den ersten Stunden Frieda
einzelne Zusammenhänge klarmachte, so quittierte sie das mit dem
überschwänglichen Ausruf: „Ist das göttlich ! Ja, die Analyse ist wirklich
etwas Göttliches!* Unter der Fiktion einer göttlichen Sache konnte sie
die bis jetzt verpönten Gedanken ertragen. Die bewußte Erwartung eines
„höheren Erlebnisses“ und das Abblenden erotischer Schuldgefühle
ermöglichten dann der verdrängten Onanie den Durchbruch. Die Wieder-
kehr der Abwehr wurde als Kampf mit dem Teufel erlebt. Sie war aber
gleichzeitig die Wiederkehr der Onanie unter dem Deckmantel einer
verdienstvollen religiösen Handlung, die dann auch richtig belohnt wurde.
Der Orgasmus konnte als Sexualbefriedigung genossen werden.
Dieses „Gotteserlebnis“ in seinem Ablauf und in den Folgen war
gewiß nur möglich, wenn der Selbstbefriedigung im Leben der Menschen
ein Wert zukommt. Die Analyse bewies im weiteren, daß Angst- und
Schuldgefühle einerseits Signale zur Abwehr einer starken Triebhaftigkeit
waren, und daß sie andererseits durch Erziehung und Ödipussituation
verstärkt wurden. Die Abwehr führte zur Verdrängung und diese zur
Erkrankung. Die Wiederkehr brachte vorerst in der Fiktion eines religiösen
Erlebnisses, dann durch die analytische Duldung eine vorläufige Besserung,
aber erst die Bearbeitung des ganzen Schuld- und Angstkomplexes
erzielte Heilung.
HLNNINEIENEANENNUNEILAENUNULNEIENLUALNEINIAIEDIENUENALAEIEEIEKEUULUEAEERUIEUUUUERIAKUUUBNAUUNL
Über die Onanie im Kindesalter
(Nach einer Diskussionsbemerkung in der Wiener Psa. Vereinigung am 2. November 1927)
Von Dr. Wilhelm Reich
Assistent am Psychoanalytischen Ambulatorium in Wien
Unter unseren erwachsenen Analysanden lassen sich hinsichtlich der
infantilen Onanie unschwer drei Gruppen unterscheiden:
ı) Psychoneurotiker, die die phallische Stufe der Libidoentwicklung
voll erreichten, das heißt genital onanierten und infolge spezifischer
Schicksale ihres Ödipuskomplexes entweder die genitale Erotik verdrängten
und später hysterisch erkrankten, oder aber ihre Libido von der genitalen
Position zurückzogen, auf frühere Stufen regredierten und infolgedessen
einer Zwangsneurose oder einer ähnlichen Erkrankung verlielen.’
2) Psychoneurotiker, die die genitale Stufe der Libidoentwicklung nur
unvollständig oder gar nicht erreichten, sei es infolge einer mächtigen
prägenitalen, insbesondere analen Disposition, sei es infolge heftiger
Kastrationstraumata, die die Entfaltung der genitalen Libidostufe ver-
hinderten. In diesen Fällen setzte ein Prozeß ein, den ich als „prägenitale
Erotisierung des Genitales“ beschrieben habe und der für eine bestimmte
Erkrankung, nämlich die chronische hypochondrische Neurasthenie, spezifisch
ist.?2 Bei diesen Kranken sehen wir das Genitale besetzt mit prägenitalen
Wünschen und Phantasien, das Genitale bekommt die Bedeutung der
Brust, des Anus oder eines anderen erogenen Körperteiles, verliert aber
seine eigene Bedeutung. Das Resultat ist gewöhnlich die schwerste Form
der Impotenz, die verfrühte Ejakulation bei schlaffem Gliede, bei der, wie
Abraham zuerst beschrieb, die glans penis nicht zur Leitzone geworden
ist. Hier blieb also die genitale Onanie völlig aus.
3) Schließlich sehen wir bei den wenigen Gesunden, die wir zu
analysieren Gelegenheit haben, daß die infantile Onanie eine lange Zeit
ungestört ausgeübt wurde und sich in der Pubertät allen Schuldgefühlen
zum Trotz wieder durchsetzte.
Nehmen wir hinzu, daß sich die Tatsache der stattgehabten genitalen
Onanie im Kindesalter als ein günstiges, ihr Ausbleiben, wie etwa bei der
ejaculatio praecox, als ungünstiges prognostisches Zeichen bewährt hat, so
sind wir zu dem Schlusse gezwungen, daß die infantile Onanie nicht nur
kein Entartungszeichen ist, sondern vielmehr eine Vorbedingung des
späteren genitalen Primats und des geordneten Sexuallebens, mithin der
seelischen Gesundheit überhaupt ist. Nicht nur die prognostische Bedeutung
der infantilen Onanie, auch die große Rolle, die die genitale Onanie im
Heilungsvorgang spielt, lehren, daß die Fähigkeit, ohne Schuldgefühle
oder trotz vorhandener Schuldgefühle ungestört onanieren zu können (nicht
zu müssen), ebenfalls zur seelischen Gesundheit gehört.
Nicht die Frage der Schädlichkeit der infantilen Onanie, sondern im
Gegenteil die Frage der sie behindernden Wirkungen der Erziehung steht
hier zur Diskussion. Dazu ist notwendig, sich vorerst über die Natur der
infantilen Onanie klar zu werden. Wenn wir von genitaler Onanie sprechen,
so meinen wir beim Knaben nicht etwa bloß eine Manipulation am
Genitale, sondern die ebenso wesentliche genitale Phantasie, das heißt
den Wunsch, mit dem Genitale in etwas (eine Höhlung usw.) einzudringen ;
eine sadistische Färbung dieses Wunsches und der gesamten genitalen
Motorik gehört dazu. Als Gegensatz zu, bzw. Abweichung von dieser Norm,
sind alle Phantasien zu nennen, die nicht als Vorbilder des späteren Aktes
ı) Vgl. hierzu Freud: Disposition zur Zwangsneurose, Ges. Schr., Bd. V.
2) „Über die chronische hypochondrische Neurasthenie“, Int. Ztschr. f. PsA,,
Bd. XII. 1926.
— 150 —
gelten können. Beim Mädchen liegt die Sache komplizierter, es onaniert
nämlich normalerweise nicht am weiblichen, sondern am männlichen
Genitalorgan, an der Klitoris; im günstigen Falle verbindet sich aber mit
dieser aktiv-phallischen Manipulation eine feminine Phantasie, etwa die,
sich dem Vater hinzugeben. Wie dunkel auch eine solche Vorstellung beim
kleinen Mädchen noch sein mag, ihre Existenz läßt sich in tiefgehender
Analyse als typisches Durchgangsstadium nachweisen. Erst in der
‚Pubertät pflegt diese Phantasie, sofern die übrige Entwicklung in Ordnung
verläuft, sich an die vaginale Zone zu heften.!
Wichtig für die Beurteilung der infantilen Onanie ist ferner die Art
des dabei erfolgenden Orgasmus. Während die Säuglingsonanie (vermutlich)
phantasielos, bloß als lokale Reizung auftritt, in der Pubertät wieder zur
Phantasie und Friktion der Samenerguß beim Knaben und ein ähnlicher
Vorgang beim Mädchen hinzutritt, ist bei der infantilen Onanie zwar
schon die genitale Phantasie am Werk, der Orgasmus hingegen verläuft
in einer flachen Kurve mit aufsteigendem und absteigendem Schenkel
ohne spitze Akme (Höhepunkt). Die Sensation beim infantilen Orgasmus
dürfte am besten der beim Kratzen einer heftig juckenden Hautstelle zu
vergleichen sein.
Besonders bedeutsam ist, unter welchen Umständen das Kind die erste
onanistische Sensation am Genitale erlebt. Davon hängt oft das Schicksal
der späteren Sexualkonstitution ab. So kann eine genitale Erregung, die
zuerst beim Geschlagenwerden erlebt wird, einen Masochismus fixieren;
eine Erregung beim Urinieren kann, wenn eine strenge Erziehung das
ihrige dazutut, ein Vorwiegen der urethralen Lust und Bettnässen zur Folge
haben. Sehr oft tritt die genitale Reizung im Zusammenhang mit einer
Angsterregung auf, etwa bei der Belauschung eines als sadistisch aufgefaßten
Geschlechtsaktes der Eltern oder in irgend einer anderen Angstsituation.
Die „Angstlust“ führt dann zu einer Fixierung einer ängstlichen Erwartung,
so oft eine genitale Sensation überhaupt auftritt. Deutlich prägt sich das
dann in der Pubertät aus, wenn der Orgasmus hinzukommt; man erlebt
ihn dann angstvoll als eine Sensation, die einen überwältigt und des klaren
Bewußtseins beraubt. Manche Fälle von protrahierter oder vermiedener
Endlust lassen sich auf die infantile Angst vor der Sexualerregung zurück-
führen. Alle diese Erlebnisse schädigen aber in jedem Falle die normale
Genitalfunktion in mehr oder minder ausgesprochener Weise und setzen
dadurch auch eine Disposition zur Neurose.
Die Angstlust, der Trotz gegen die versagende Erziehung und nicht
zum wenigsten der Haß gegen das versagende Objekt pflegen die Haupt-
ursachen der fixierten kindlichen Onanie zu sein. Man muß annehmen,
daß ebenso wie in der Pubertät und zur Zeit der Geburt somatische
Evolutionen am Genitalapparat die Libidofunktionen bedingen, auch im
ı) Man möchte es aber für angezeigt halten, das kleine Mädchen auf die
Vagina aufmerksam zu machen.
— 151 —
Ödipusalter ein somatischer Schub am Genitalapparat die genitale Organi-
sation und die Onanie begründet. Diese Annahme ist psychoanalytisch =
notwendig, ihre Bestätigung Sache der Physiologie. Mit dem Abklingen
dieses supponierten somatischen Schubes und der Ödipusphase müßte auch
die Onanie abnehmen oder ganz verschwinden; wenn dies nicht zutrifft,
so kann wohl nur die streng versagende Erziehung dafür verantwortlich.
gemacht werden. Es ist aber noch immer günstiger, daß eine ahnungslose
Erziehung die Onanie fixiert, als daß sie sie völlig unterbindet oder gar |
nicht zustande kommen läßt. Versuche „fortschrittlich“ denkender Erzieher, |
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von der Onanie „sanft abzulenken“, muß man vorsichtig beurteilen, denn
das Kind hat unzweifelhaft ein sicheres Gefühl für das Unbewußte des
Erwachsenen, das es am genitalen Lustgewinn hindern will. |
Gefahren ergeben sich aus der Onanie, soweit man die Sachlage über- |
blickt, nur aus den Verboten. Diese schaffen nämlich, ohne die Onanie |
völlig zu behindern, ein Schuldgefühl und eine hypochondrische Angst, |
welche den Ablauf der Erregung im Onanieakt stört und Neurasthenie
erzeugt. Die Freudsche Annahme, daß exzessive Onanie Neurasthenie |
erzeugt, besteht, wie ich an anderer Stelle mit reichlichen Belegen zu |
zeigen versuchte, mit der Einschränkung zu Recht, daß die Störung auf der
unmittelbaren Beeinflussung des Erregungsablaufs durch das Schuld-
gefühl beruht; Fälle, die ohne solche unmittelbare Zersplitterung der
Erregung onanieren, erkranken nicht an Neurasthenie, wohl aber an einer
Psychoneurose, wenn die Onanie nicht rechtzeitig von geschlechtlicher
Befriedigung im Sexualakt abgelöst wird.
Auf etwaige Gefahren einzugehen, die sich aus dem uneingeschränkten
Gewährenlassen sowohl der infantilen als auch der puberilen ÖOnanie
ergeben könnten, verbietet der Mangel an entsprechender Erfahrung. Denen
die hier gerne schwarz sehen oder um die kulturellen Sublimierungen
besorgt sind, muß man entgegenhalten, daß selten befriedigte Genitalität,
aber immer unbefriedigende, durch Schuldgefühle zersplitterte Sexual-
betätigung die Sublimierung beeinträchtigt. Übrigens dürften künftige
Erfahrungen auf diesem Gebiete wieder zeigen, wie sehr auch noch der
analysierte Erwachsene unter dem Drucke einer Sexualverdrängung steht,
die in Fragen der Onanie wie des Sexuallebens überhaupt kein einfaches,
den natürlichen Gegebenheiten entsprechendes Urteil aufkommen läßt.
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— [52 —
Onanie bei kleinen Kindern
Von Wera Schmidt, Moskau
Nach Freud gibt es zwei Perioden der kindlichen Onanie: im
Säuglingsalter und im Alter von drei bis fünf Jahren ungefähr.” Es gibt
auch, sagt Freud, eine große Differenz zwischen kindlicher Onanie und
der der Erwachsenen. Das Kind bekommt angenehme Empfindungen,
wenn es sein Genitale berührt, hat aber keine erotischen Phantasien, wie
jeder Erwachsene. Im kindlichen Alter spielt das Geschlechtsorgan eine
viel geringere Rolle als später. Ein kleines Kind bekommt verschiedene
angenehme Empfindungen von seinem Körper; es lutscht an den Fingern,
es streichelt seine Brust oder seinen Bauch usw. Unter den verschiedenen
Teilen des Körpers, deren Reiz dem Kinde viel Vergnügen macht (erogene
Zonen), befindet sich auch sein Geschlechtsorgan. Dieses ist aber in der
Vorstellung des Kindes mit der Harnentleerung verbunden, und sein
Berühren weckt, wie oben gesagt, keine anderen Erlebnisse, als angenehme
Empfindungen in dieser Zone.
Die Eltern und die Erzieher erschrecken sehr, wenn sie bemerken, daß
so ein kleines Kind onaniert. Sie schelten es, oft strafen sie es sehr schwer,
manchmal drohen sie, ihm die Hand oder das Glied selbst wegzuschneiden.,
Das Resultat ist fast immer dasselbe: das Kind wird ängstlich, es bekommt
verschiedene neurotische Symptome, aber die Onanie gibt es nicht auf.
Nur macht es das ganz heimlich und gewöhnt sich allmählich, zu lügen.
Das Ziel ist also nicht erreicht, dem Kinde aber hat man schwere
psychische Traumen zugefügt, welche seine psychische Entwicklung
schwer stören. Was soll man also tun? Wie soll man die Kinder erziehen,
um andere Resultate zu bekommen?
Pädagogische Arbeit braucht keine fertigen Rezepte, um so mehr, als
diese Frage sehr kompliziert und wenig untersucht ist. Ich möchte nur
über einen pädagogischen Versuch erzählen, der in Moskau im Kinderheim-
Laboratorium (K. H.L.) beim Psychoanalytischen Institut stattgefunden hat.”
In diesem Kinderheime bemühten sich die Pädagogen, normale Wege
der sexuellen Erziehung der Kinder zu finden. Es ist selbstverständlich,
dal die Onaniefrage in der ersten Reihe stand. Die Kinder traten in das
Heim im Alter von ein bis eineinhalb Jahren ein und blieben dort
drei Jahre lang. Die sexuellen Erscheinungen der Kinder waren für die
Erzieherinnen etwas ganz Normales, physiologisch Gesetzmäßiges. Gegen
das Physiologische des Kindes kann man nicht kämpfen, man kann nur
seine Erscheinungen erziehen. Die pädagogischen Maßnahmen wurden also
auf diesem Fundamente aufgebaut. Man erleichterte dem Kinde durch die
ı) Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Gesammelte Schriften, Bd. V.
2) Ausführlicher über diese Arbeit ist in meiner Broschüre „Psychoanalytische
Erziehung in Sowjetrußland“ erzählt.
pädagogische Umwelt die Sublimierung seiner Triebe und den Übergan,
auf die höhere Stufe der psychosexuellen Entwicklung.
Die Erzieherinnen sollten ganz ruhig sein, wenn die Kinder etwas — |
ihrer Meinung nach — Unanständiges oder Abscheuliches machten. Denn
affektive Reaktionen des Pädagogen (oder der Eltern) hindern ihn, das
kindliche Benehmen zu verstehen und richtig zu behandeln. Dank dieser
Regel wußten die Kinder nicht, daß die Onanie etwas Schändliches, etwas
Verbotenes sei. Sie onanierten vor den Erzieherinnen ohne Scheu und
Angst. Dieses ganz offene Benehmen der Kinder hatte zwei große Vorzüge
für die pädagogische Arbeit:
ı) Die Beziehungen der Kinder zu den Erzieherinnen gründeten sich
auf großes Vertrauen. Die Kinder brauchten nicht zu lügen und hatten
keine Angst und kein Schuldgefühl.
2) Die Erzieherinnen hatten nicht nur die Möglichkeit, das ganze
Benehmen der Kinder zu beobachten, sondern auch die Möglichkeit,
richtig zu erziehen. |
Die genauen Beobachtungen im K.H.L. zeigten, daß die Kinder sehr
wenig onanierten, obgleich sie in dieser Hinsicht ganz frei waren, Niemals
geschah es, daß alle Kinder zusammen onanierten, und kein Kind bekam
eine Gewohnheit zur Onanie. Außerdem zeigten die Beobachtungen, daß
es zwei verschiedene Arten der Onanie in diesem Alter gibt.
Die erste ist eine Reaktion auf die physiologischen Reize in dem kind-
lichen Organismus, die zweite ist eine solche auf die subjektiv unangenehmen
Erscheinungen in der Außenwelt. Zum Beispiel: Sehnsucht nach der
Mutter, Krankheit, unbefriedigtes Liebesbedürfnis (besonders nach der
Geburt eines weiteren Kindes in der Familie) usw. Die erste Art der
Onanie galt im K.H.L. als ganz normale physiologische Erscheinung,
welche nur vorbeugende Maßnahmen erforderte. Das heißt, alle Bestrebungen
der Erzieherinnen waren nicht auf den Kampf mit der Onanie, sondern
auf das Schaffen der richtigen pädagogischen Umwelt gerichtet. Die Kinder
sollten sich ganz normal in allen Richtungen entwickeln. Was war
dafür nötig?
ı) Eine gute Körperpflege (Spaziergang, Essen, Bad, Abreibung am
Morgen, Schlaf usw.).
2) Ein richtiger Kontakt zwischen Erzieherinnen und Kindern.
3) Soviel Liebe und Sorge für jedes Kind, wie es persönlich braucht.
4) Ein für Kinder interessantes Leben, für dieses Alter passende Spiel-
sachen und Materialien.
5) Nützliche Arbeit, welche den kindlichen Kräften angepaßt ist usw.
Wenn alle diese Forderungen erfüllt waren, so waren die Aufmerksamkeit
und das Interesse der Kinder immer auf etwas sozial Wertvolles gerichtet,
und es blieb ihnen keine Zeit für die Onanie. Wenn es sich aber um ein
physiologisches Bedürfnis handelte, störten die Erzieherinnen das Kind
nicht, eine kurze Zeit vor dem Einschlafen zu onanieren. Das dauerte
gewöhnlich zwei, drei bis vier Abende, und das Kind hörte von selbst auf.
Alle Kinder waren gesund und munter, schliefen sehr gut und fest; man
konnte überhaupt keinen Schaden für sie bemerken, der von der Onanie
entstanden wäre. Wie ich oben gesagt habe, keines von ihnen bekam eine
„schlechte Gewohnheit“.
Die zweite Art der Onanie verfolgt ganz andere Zwecke. Wenn das
Kind in Verzweiflung ist oder sich zwischen fremden Leuten sieht und
fühlt, kehrt es in sich, zerreißt alle Bindungen mit der Realität und
onaniert, um sich selbst zu trösten. Es ist selbstverständlich, daß kein
Schelten und keine Drohungen in solchen Fällen helfen können. Sie
werden den Zustand des Kindes noch verschlimmern. Im K.H.L. mußte
die Erzieherin zuerst den Grund eines solchen Zustandes herausfinden und
verstehen, dann diesen Grund beseitigen, nicht aber mit der Önanie
kämpfen. Wenn es möglich war, den wirklichen Grund zu beseitigen,
hörte die Onanie sofort auf. Das Kind wurde wieder munter und begann
mit seinen Kameraden zu spielen. Wenn es nicht so leicht war (z. B. wenn
es sich um ein Kind handelte, welches sich nach seiner Familie sehnte),
dann sollte die Erzieherin die Wünsche des Kindes irgendwie anders
kompensieren, in unserem Beispiel ihm mehr Liebe und Sorgfalt schenken,
es möglichst schnell mit anderen Kindern in Beziehung bringen usw. Wenn
es ihr gelang, mit dem Kinde einen Kontakt herzustellen und es mit der
Realität zu verbinden, hörte die Onanie auf. Diese Beispiele können uns
als Beweis dienen, daß nicht die Onanie selbst, sondern ihre Ursachen
dem Kinde schaden können. Dann ist es besser, gegen die Ursachen zu
kämpfen, nicht aber gegen ihre Symptome.
Das K.H.L. wurde viel eher geschlossen, als die Kinder zur Latenz-
periode der Sexualentwicklung gelangten. Darum kann man nicht bestimmt
sagen, daß gerade diese Erziehung der Sexualität richtig sei. Von einzelnen
Eltern weiß ich, daß ihre Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren die
Onanie ganz aufgegeben haben und sich bis jetzt (sieben bis acht Jahre
alt) ganz normal entwickeln. Selbstverständlich können wir aber aus
wenigen Beispielen keine endgültigen Schlüsse ziehen.
Man kann nur folgende Tatsachen konstatieren:
ı) Eine ernste und ruhige Einstellung zur kindlichen Onanie ruft keine
Angstzustände hervor und hilft darum der allgemeinen Entwicklung des
Kindes.
2) Die Beziehungen zwischen der Erzieherin (Mutter) und dem Kinde
sind viel besser, viel vertrauensvoller, wenn das Kind nicht zu lügen braucht.
3) Wenn die pädagogische Umwelt die rechte ist und alle vorbeugenden
Maßnahmen getroffen sind, so bildet sich bei den Kindern keine Gewohn-
heit, zu onanieren.
LU TEETEEINITUPTUTEUTETTETTTTTTTUTPIUUUPEIETTIEFFETEEF EEE UUUUUUUUUUTPEETETEEEEIITFTIIUUU UP UUPPEUPPEIT LET PETT FEED PEEPETEE EEE ELSE UUUUUUUPTEEEF TIERE IF EITTIITTTT
— 155 —
Onanie und Kastration
Von Dr. Gustav Hans Graber, Bern
Die Verschränkung des Onanie- und Kastrationskomplexes, schon im
Bewußtsein meist eine ungemein enge, kann im Unbewußten sich bis zum
Grade der Vollständigkeit auswachsen, so daß ein Komplex für den anderen
zu stehen kommt.
Fast regelmäßig läßt sich die Kastrationsfurcht auf ein traumatisches
Erlebnis zurückführen: Der kleine Knabe nimmt sein Händchen unter die
Bettdecke, „spielt“ mit seinem Gliedchen, wird von der Warteperson
ertappt, gewarnt, auch etwa aufs böse Händchen geschlagen, ja, es wird
dem Kleinen gedroht, daß man das „Ding“ abschneide, daß der Rabe oder
der Mops oder die Katze komme und es abbeiße.
Aber auch dort, wo dem Kinde keine Erinnerungen an derartige Vor-
kommnisse auftauchen, auch dort, wo die Eltern versichern, nie solche
läppische Schreckmittel angewendet zu haben, bilden Onanie und Kastration
in der Psyche ein Ganzes, das untrennbar erscheint. Wir wissen aus
tausend Erfahrungen, daß in solchen Dingen kein Verlaß auf die mensch-
lichen Erinnerungen besteht. Freilich, das Unbewußte vergißt nichts, ver-
gißt nicht einmal, was Generationen und Generationen vor uns „gesündigt“
haben.
Ich will über einen solchen Fall berichten, bei dem weder der zu
behandelnde Knabe noch seine Eltern sich an den Ausspruch einer
Kastrationsdrohung erinnern können.
Erwin ist ein kränklicher Knabe, der seinen Eltern viel Sorge bereitet.
Die Mutter übergibt mir eine Liste der von ihm schon erlittenen Krank-
heiten: Dreimal Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, mehrmals Masern,
spitze Blattern, häufig Halsschmerzen, Katarrh. Er leidet ferner an einem
Augentic und zeigt häufig nervöse Zuckungen im Gesicht.
Erwin hat für sein Alter von zehn Jahren eine außergewöhnliche
Krankheitseinsicht und einen starken Gesundungswillen. Er erzählt zu
Anfang der Analyse folgenden Traum:
„Papa geht aufs ‚Schänzli, um Musik zu machen. Er will mich nicht mit-
nehmen, aber ich bin dann mit Mama doch dort. Plötzlich befinden sich Papa
und ich wieder daheim. Papa geht ins Schlafzimmer und ‚schoppt‘ (pressen)
Wäsche in seine Hosen, die auf dem Diwan liegen, damit man meine, er liege
dort. Ich kam herein, da sprang er zur Balkontüre hinaus, und ich sah, daß
er bei den Hosen durch (in der Gegend der Geschlechtsteile) abgeschnitten war.
Ich tat einen Schrei und erwachte.“
Der Traum beschäftigte uns viele Stunden. Ich vermutete, daß es sich
um eine Kastration des Vaters handle, um seine Geschlechtsrolle gegenüber
der Mutter einnehmen zu können. Wie wir aus den nachfolgenden Ein-
fällen Erwins entnehmen können, handelte es sich aber in einer oberen
Schicht der konfliktschaffenden Verdrängungen vorläuig nur um eine
— 1560 —
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Rückwendung der vom Vater befürchteten Kastration auf den Bedroher
selbst, und zwar ging die Kastrationsfurcht auf die Onanie zurück.
Erwin gibt zum „Abschneiden“ folgende Einfälle:
„Papa sagt immer, daß ich einen Zahn ziehen solle, der mir nicht weh
tut... Einst hatte ich am Finger eine kleine Wunde. Mama lachte mich
aus und glaubte nicht, daß es mir weh tue. Dann aber wurde es immer
schlimmer. Der Finger wurde voll Eiter. Ich hatte Angst, man müsse ihn
abschneiden...
Wenn ich schlafe und den kleinen Finger unter den Kopf halte, so
wird er ganz steif, und wenn ich dann darauf beiße, so tut es mir
nicht weh. Die anderen Finger werden nie steif . . .
Letzte Weihnachten erhielt ich ein Buch mit einem Bild, das darstellt,
wie der Wind einen Turm umbläs .. ."
Zahn, Finger, Turm sollen entfernt werden. Sie sind unverkennbare
Penissymbole. Weshalb aber die Kastration? Der nächste Einfall deutet
schon auf die Onanie hin:
„Einst wurde unser Gartentor gestrichen. Ich probierte mit dem
Finger, ob es trocken sei. Ein Arbeiter schimpfte, ob ich immer mit den
Fingern sehen müsse und keine Augen habe...
Sogleich setzt jedoch die Abwehr des angeschnittenen Onaniekomplexes
ein. Erwin erzählt eine Begebenheit, die das manifeste Material zum
erwähnten Traum lieferte:
„Papa hatte vorgestern abend Zahnweh. Mama wollte nicht, daß er in
die Konzertprobe gehe. Er ging aber gleichwohl. Gestern war er nun beim
Zahnarzt, aber er hat noch mehr Zahnweh als zuvor, denn der Zahnarzt hat
ihm einen Teil des Zahnes abgehrochen.“
Wir erinnern uns, daß im Traum statt des Zahnes der Vater selbst
„abgebrochen“ wird. Nach der Schilderung der symbolischen Kastration
des Vaters taucht Erwin folgende Erinnerung auf:
„Einst fand ich eine alte Pistole, die ganz verrostet war. Ich wollte
sie vom Vater wieder instandsetzen lassen. Aber dann dachte ich, man könne
doch nichts damit anfangen, und warf sie fort. Später fand ich sie wieder
und steckte sie in die Tasche. Noch später aber tat ich sie in ein Senkloch.“
Wenn wir in der Pistole wieder ein Penissymbol erkennen, dann offen-
bart sich uns obige Begebenheit vorerst als eine Selbstkastration (weg-
werfen der Pistole) und sodann als (wahrscheinlich inzestuöser) Geschlechts-
verkehr (Senkloch der „Mutter“ Erde). Wir konstatieren bis dahin folgende
Abwicklung des Knäuels der Konflikte: Kastration des Vaters (Traum),
weil dieser am Knaben die Kastration vollziehen will (Zahn), und zwar
zur Strafe für die Onanie (mit Finger berühren). Das Bewußtsein negiert
diese Zusammenhänge, und die Einfälle wiederholen erneut denselben
Gedankengang, allerdings mit deutlicheren Symbolen. Der Vater wird
wieder kastriert (gebrochener Zahn), darauf folgt diesmal die Selbst-
kastration (Wegwerfen der Pistole), und zwar nicht mehr wegen der Onanie,
sondern bereits wegen des Inzestes. Der Inzestkomplex blieb aber vorläufig
verdrängt. Der Knabe suchte während vieler Stunden die Zusammenhänge“ e
zwischen Onanie und Kastration aufzufinden.
Eingehend erzählt Erwin nun von seinem „Handfertigkeitsunterricht*: Vom
Pressen, Hobeln, vom Absägen von Holzstangen, vom Abschneiden und
von den Abfällen. Von den letzteren träumt er, daß er sie heimtrage. 3
„Handfertiekeit“ (Onanie) und „abschneiden“, „Abfälle“ (Kastration)
beschäftigten Erwin immer intensiver. Schließlich bringt er die Abfälle und
das Abschneiden mit dem im ersten Traume zerschnittenen Vater in
Zusammenhang: =
„Vielleicht sind Räuber gekommen, die den Vater halöten, und sie schnitten
ihn schnell entzwei. Aber wer hat die Räuber geschickt? Der liebe Gott hat
sie geschickt, weil er dachte, es muß dem Menschen auch etwas passieren . . .
Vielleicht habe ich selbst den Vater voneinandergeschnitten.
Er hätte mir nicht so etwas Böses antun sollen und mich nicht mitnehmen .. .
Vielleicht hat er ein glühendes Zündhölzchen fortgeworfen .. . Vielleicht hat
er in einem Zigarettengeschäft kleine Zigarren gestohlen.“
Der Vater wird also, weil er Zündhölzchen und Zigarren nahm oder
wegwarf, gestraft. Wir erkennen auch hier wieder die Penissymbole Nun
aber produziert Erwin sehr starke Widerstände, berichtet schließlich, wie
er einmal sein kleines Schwesterchen nackt gesehen habe. Dabei gewahrte
er, daß es nur eine „Ritze“ hatte, und er dachte sofort, man habe ihm
das Gliedlein abgeschnitten. Er sagt:
„Ich habe dann oft Angst gehabt, man schneide mir das
Gliedlein auch ab. Ich dachte immer, der Papa würde es machen. Dann
habe ich das Gliedlein immer so lange angesehen und gedacht, wenn sie es
mir nur nicht abschneiden würden . . . Ich habe die Hände meistens über
der Bettdecke, denn ich spiele mit einem kleinen Bärlein. Noch jetzt schlafe
ich immer mit dem Bärlein ... Der Vater wollte mir das Gliedlein
abschneiden, und nun dachten die Räuber, dafür wollen wir jetzt ihn, aber
dann sicher, mitten durchschneiden .. . Früher... Vielleicht habe
ich früher mit dem Gliedlein gespielt, und sie wollten
nicht, daß ich es tue, und darum wollten sie es lieber
abschneiden."
Nebenbei sei bemerkt, daß nach obigem Bericht der Augentic des
Knaben verschwand. Er war eine Selbstbestrafung ‚für das Ansehen des
Gliedes. Der Bericht, der natürlich wesentlich gekürzt ist, beweist ein-
deutig den engen Zusammenhang zwischen ÖOnanie und Kastrationsangst.
Im späteren Verlauf der Analyse wurde Erwin im ferneren klar, daß er
im 'Traum den Vater zur Strafe für die ihm angedrohte Kastration entzwei-
schnitt, so daß wir die Überzeugung erhalten müssen, daß die anfänglich
etwas gewagt erscheinenden Deutungen zu Recht bestehen.
ı) Das Spielen mit dem Bärlein wurde Ersatz für die verdrängte Onanie.
INNEN NNNNRTA
de 158 ERS
Auf der Höhe der Entmannungsangst
Von Dr. med. E. Hitschmann, Wien
Ein Kinderarzt wies einen neunjährigen Knaben wegen nervöser Angst
an mich. Es war ein zarter Knabe sanfter Art, mit auffallend ernsten
Zügen. Die Vorgeschichte ergab: Er wäre bis zum sechsten Lebensjahr ganz
anders gewesen, voll Kraftgefühl, waghalsig und schwindelfrei, sei dann
stiller, in letzter Zeit sehr kleinmütig und ängstlich geworden, schlafe sehr
unruhig, habe Angstanfälle und Angstträume, werfe sich manchmal zu
Boden. Unter den Kollegen isoliere er sich, traue sich nichts zu. Er lerne
jetzt schlecht, gehe ungern in die Schule und mache nur schlechte
Fortschritte. Er äußere starke Minderwertigkeitsgefühle, sei traurig und
grüble.
Der Knabe konnte nicht einer länger dauernden Analyse unterzogen
werden, aber die Gespräche nur weniger Stunden ergaben ein so lehrreiches
Material, daß es hier mitgeteilt zu werden verdient, wenn auch der Zu-
stand hier später als sonst und künstlich zum Höhepunkt kam.
Der Knabe saß unruhig auf seinem Stuhl, spielte mit einer Hand nahe
dem Genitale auf seiner Lederhose, fuhr mit der anderen im Gesicht,
namentlich an den Augen wischend, umher. Seine Angaben, hier nur etwas
historisch geordnet, lauteten:
Er entsinne sich, daß, als er etwa drei Jahre gewesen sei, die Mägde
ihm gesagt hätten, er solle nicht mit seinem Gliede spielen, sonst werde
er krank, das Glied müsse dann wegoperiert werden, so daß er dann nicht
werde urinieren können. Er habe dadurch Angst bekommen, daß er dann
immer Drang haben werde. Ob die Onanie schade?, denn auch die Mutter
habe sie verboten, weil sie nervös mache. Vor einem halben Jahre sei er
operiert worden (es war nach Angabe des Kinderarztes eine unblutige
Dehnung der zu engen Vorhaut gewesen), nachher im Bade habe er
große Schmerzen am Glied gehabt durch das heiße Wasser. Der Arzt
hätte auch gesagt, eine Hode sei oben geblieben (Leistenhode). All das
habe ihn sehr erschreckt.
Schon vor einem Jahre sei ihm aufgefallen, daß sein Hodensack im
Bade auf dem Wasser schwimme und zusammenschrumpfe, er glaubte, er
sei dort krank. Er habe von einem Manne gehört, der keine Kinder haben
könne. Er sei ganz von der Mutter aufgeklärt worden. Das Kinderkriegen
halte er für etwas Besonderes, Seltenes, Krankhaftes. In Galizien, wo sie
im Kriege beim Vater eine Zeitlang gewesen seien, habe er so viele
Amputierte gesehen, auch gebrochene Beine bei Pferden, Vögel mit
verletzten Füßen, ebenso Fliegen mit ausgerissenen Beinen. Er fürchte
sehr, wenn er einen Nagel einschlage, sich am Finger zu verletzen; fürchte
sehr Nadeln auf dem Fußboden, auch wegen der anderen, die sich ver-
letzen könnten.
Er liebe seinen Vater, habe aber doch Angst vor ihm, daß er ihm ee
oder jemand anderem etwas tue. Der Vater komme ihm manchmal so
groß vor, aufgebläht, wie der Mann auf dem Gummiball. Er habe Angst
vor Geräuschen, vor Lärm und vor Pferden.
Als die Mutter an Hämorrhoiden gelitten habe, habe er Bauchschmerzen
gehabt und die Angst, es könne einem ein Stück Darm herausfallen. Er
habe immer Sorge um die Mutter, die er besonders liebe. Zuweilen möchte
er sterben! Er habe ein schlechtes Gedächtnis; alle anderen seien stärker
gebaut als er. Selbst bei seiner kleinen Schwester fürchte er, sie könne,
ihm begegnend, an ihn stoßen.
Er weiß auch zwei Träume zu berichten:
1) „Ich kam ins Schlafzimmer der Eltern und sah dort jemand sitzen,
eine gut bekannte Person, doch weiß ich nicht zu sagen, wer es war. Sie
hatte beide Füße abgehaut, nur blutende (Oberschenkel-) Stümpfe. Ich
erschrack sehr und erwachte.“
Zu diesem Traume falle ihm einer aus dem vierten Lebensjahr ein:
Ein Elefant hatte ihrer Magd beide Beine mit dem Rüssel ausgerissen, so
daß nur der Rumpf da war.
2) „Ich war einer römischen Legion gegen feindliches Volk zugeteilt.
Ich riet der Mutter — aus Angst um sie — vom Balkon hineinzugehen.
Fünf bis sechs Feinde drangen von hinten ins Haus. Ich habe zweien den
Dolch in die Kehle gestoßen, dabei aber aus Ungeschicklichkeit den eigenen
Hauptmann am Halse verletzt. Dieser beschimpfte mich als zu jung zum
Soldaten.“ —
Wir sehen, wie ein Knabe, der schon früh eine Kastrationsdrohung
erfahren hat, im Anschluß an eine Genitaloperation mit nachfolgendem
heftigem Schmerz eine wesentliche Verschlimmerung eines länger beste-.
henden hypochondrischen Seelenzustandes erfährt. Er hat eine ausgesprochene
Angst, am Genitale krank zu sein, erinnert sogar an einen impotenten
Mann, von dem er gehört hat. Er hat körperliche Minderwertigkeits-
gefühle, fürchtet um sein Fingerglied, und amputierte Menschen und ver-
letzte Tiere beunruhigen ihn. Onanieversuchung (vgl. das Spiel mit den
Händen) und Angst vor ihm gedrohten Folgen kämpfen in ihm.
Er berichtet in Träumen von Bildern gewaltsam amputierter Frauen,
deren Verstümmelung er offenbar mit dem Sexualverkehr in Zusammen-
hang bringt, ihn also für sadistisch hält; denn zum Traum von der Magd
berichtet er, sie sei damals wegen einer Liebesgeschichte aus dem Haus
gekommen und — betrogen von ihrem Geliebten — mit Gehstörung
wiedergekommen. Es ließ sich feststellen, daß das Mädchen damals außer
Hause entbunden hatte und leidend wiedergekommen war.
Die Person im Schlafzimmer der Eltern ist offenbar die Mutter, ge-
schädigt durch den Vater. Es liegt nahe, hier Koitusbeobachtung durch
den Knaben anzunehmen, daher auch die Geräuschangst.
Die Ambivalenz gegen den Vater, der übrigens im Leben ein
— 100 —
Te a =
etwas rüder Geselle ist, ist deutlich zu erkennen; er ist der zufällig
verletzte Hauptmann. Die feminine Einstellung des Knaben ergibt sich
aus dem Bilde der von hinten eindringenden Feinde im zweiten Traum.
Die durch die Kastrationsdrohung der Mägde hervorgerufene Angst vor
Folgen der Onanie wurde unter den erregenden Erlebnissen in der Kriegszeit
in Galizien, vielleicht durch Koitusbeobachtungen mit gesteigerter Onanie-
versuchung, erhöht. Die Schuldgefühle — wegen aus dem Ödipuskomplex
stammender böser Wünsche auf den rohen Vater — erzeugen neue
Angst (Kastrationsangst). Ebenso verdrängte masochistisch-feminine Ver-
suchungsphantasien gegen den Vater. Dem ganzen neurotischen Zustand
scheint eine masochistische Phase mit Angstlust zugrunde zu liegen.
Da die Sommerferien bevorstanden, wurde die Analyse von den Eltern
aufgeschoben; der Knabe aber erholte sich im Sommer und war wieder
mutiger und schulfähig.
Daß er eine neurotische Disposition, insbesonders zur Erkrankung an
Angst, Hypochondrie und psychischer Impotenz, mitgenommen hat, ist
wohl außer Zweifel. Eine wichtige Anregung zu neuer Kastrationsangst
mag ihm —- wenigstens stimmt es zeitlich überein — durch die Beob-
achtung seiner neu geborenen jüngeren Schwester gekommen sein.
DAHIN IT ITITTTTTTTTITTTITTITTUTTTTITTUTTTITTTTTTTTTIT TUT ETTTETTTTITSTETITTLTTTEITTEITTEITTLTTETTETDETTTLTTTITTTSU NIT LTTLTTTOTLLTTTTETTNTTNTTT
Die Onanieselbstbeschuldigungen in Psychosen
Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a M.
Als ein Hauptargument dafür, daß die Onanie außerordentlich schädlich
sei und zu Krankheit, namentlich Geisteskrankheit, führe, hat man die
Tatsache gewertet, daB Geisteskranke, namentlich Traurig-Verstimmte, immer
wieder sich selbst anklagen, sie hätten ihr Leid selber verschuldet, weil
sie sich selbst befleckt hätten. Merkwürdigerweise wird dies auch von den
Menschen angeführt, welche immer wieder betonen, es handle sich um
Irre, die nicht wüßten, was sie täten, die nicht klar im Kopf seien. In
diesem Punkte schenken sie ihnen auf einmal Glauben. Ebenso unlogisch
will es zunächst erscheinen, daß Psychoanalytiker sich hier auf einmal
verdächtig machen, diese Aussage des Kranken zur Seite schieben zu
wollen, obwohl sie doch zur Aufdeckung der innerseelischen Vorgänge fast
ausschließlich auf die Aussagen des Betreffenden angewiesen sind. Dies
ist aber gar nicht der Fall: Wir wollen sogar recht aufmerksam hin-
horchen.
Einmal sagt der Kranke, er leide, sei gequält von Selbstvorwürfen,
dann wieder klagt er sich an, er selbst. Also: Ein Teil der Persönlichkeit
des Kranken leidet. Man möchte annehmen, das sei der bemitleidenswerte,
der, welchem wir helfen müssen. Ein Teil des Kranken quält mit
Beschuldigungen. Man sollte glauben, das sei „der böse Geist“, der krank
— 161 —
machende, der ausgetrieben werden muß. Warum also ihm glauben, der =:
krank macht? Wir sind stutzig geworden, indem wir diese ganz primitive 3
Logik, wie sie schon frühesten Jahrhunderten geläufig war, angewandt,
und hören nun genauer hin: die Selbstbeschuldigungen erklingen in einem
moralisierenden und namentlich in einem so übertreibenden Ton, wie
etwa der Erwachsene das Kind behandelt. Das, was der Kranke begangen
haben soll, sei die fürchterlichste Sünde, sei ganz schrecklich, unausdenkbar
— und ähnliche Kraftausdrücke mehr. Forschen wir nach, so erfahren
wir, daß hinter den fürchterlichen Verbrechen (zunächst nicht nur Onanie,
sondern z. B. ein Schwarzfahren auf der Elektrischen, ein Naschen in
der Kindheit oder ähnliche ganz „schreckliche“ Dinge) geringfügige Taten
stehen, daß z. B., um bei der Onanie zu bleiben, sich hinter den „furchtbaren
Ausschreitungen“ zwei- oder dreimalige Onanie im ganzen Leben oder
auch wohl im Monat verbergen, also eine oft auffallend seltene Onanie.
Wenn also etwas krank ist, ist es die Maßlosigkeit des quälenden Teils
der Person. Feinere Untersuchung ergibt nun regelmäßig, daß der krank-
machende Teil der Persönlichkeit die Worte des Vaters oder der Mutter
oder einer anderen Erzieherperson spricht. Immer wieder hält sich der
Kranke deren Verbot und deren Anklagen vor. Er hat die Lehren der
Pflegeperson, ja, diese selbst in sich aufgenommen, zu einem Teil seines
Selbst gemacht. Die Kunst der Therapeuten ist es dann, diese Autoritäts-
personen im Kranken — wir nennen sie dessen ÜberIch — zu
entthronen.
Dies wird allerdings bei einem Teil der Psychosen keine Heilerfolge
zeitigen, bei denjenigen nämlich, deren Erscheinungen seelisch bestimmt
sind, die aber körperliche Ursachen haben. Bei den Erkrankungen jedoch,
bei welchen wir mit Recht erwarten, über die Ursachen der Störungen —
weil sie seelisch verursacht sind — aus den Äußerungen der Kranken
etwas zu erfahren, hören wir also, daß nicht die Onanie, sondern die Art
der Onanieverhinderung krankheitserzeugend war.
UIITTTITTTTTTTTTTTTITITITITTTIETDUTTTT IT TTITTTTLTITTTTITTTITTTTTTTTUTITTTTTITTTTI TITEL T IT TTTTTTITTTTTTTEIT TITLE
Eine Feuerphobie als Folge unterdrücter Onanie
Von Dr. med. Erwin Hirsch, Stuttgart
Wir wollen unsere siebenjährige Patientin Lore nennen. Die Eltern leben
denkbar glücklich miteinander. Die Mutter ist das, was die meisten anderen
Kinder vergeblich in der Mutter suchen: die große Freundin, die Zeit für
einen hat, mit einem spielt, einmal einen Spaß versteht und: einen ernst
nimmt. Man kann ihr alles erzählen, auch das, womit sie nicht zufrieden
sein wird, und weiß, daß man nicht Verdammung, sondern Aufmunterung
bei ihr findet. Man kann sie alles fragen und weiß, sie wird nichts anderes
als die Wahrheit antworten. Man sieht dies alles dem Mädchen schon am
— 102 —
Gesicht, an jeder seiner Lebensäußerungen an. In allem offenbart sich jene
natürliche Anmut und Harmonie, die wir alle mit unserer Idealvorstellung
vom Kind verbinden, leider aber bei unseren nach dem Prinzip der Unter-
drückung „erzogenen Kindern so selten antreffen.
Wenige bezeichnende Daten aus ihrer Lebensgeschichte seien vorangeschickt,
ehe wir uns ihrer Phobie zuwenden. Als gegen Ende ihres fünften Jahres
ein Geschwisterchen in Aussicht stand, ergab sich ganz von selbst eine Reihe
von Gesprächen zwischen Mutter und Tochter, während welcher nicht nur
die Herkunft des Brüderchens oder Schwesterchens klargestellt, sondern auch jeder
drohenden Eifersucht dadurch vorgebeugt wurde, dal unsere Kleine die wirk-
lich berechtigte Überzeugung gewann, daß ihr das Ereignis keinen Verlust an
Elternliebe bringen werde, ja, daß man an dem neuen kleinen Lebewesen sogar
einen großen Teil seiner Liebesregungen (Mutterinstinkt). werde betätigen können.
Ihre Antwort auf die Erweiterung ihres sexuellen Wissens war: „Au, ich
möcht’ mal eine aufgeschnittene Mutti sehen!“, und etwas später, mehr nach-
denklich, die Frage: „Tut das arg weh, wenn es herauskommt?” Nach der
Geburt des Schwesterchens kam auf die geistreiche Neckerei eines Besuches:
„Das Schwesterle schenkst du uns, die empörte Zurückweisung: „Nein!
Jetzt haben wir so lange darauf gewartet, jetzt bleibt’s auch da!” (Man
beachte das „wir“. Sie rechnet sich zu den Großen, das Kind ist nicht nur
das Kind der Eltern, sondern auch ihres. Nebenbei eine sehr gute Umgehung
der reinen Identifizierung mit der Mutter, aus der sich ja ebensogut Haß wie
Liebe ergeben kann.)
Es mag nun etwas erstaunlich sein, daß ein Kind, bei welchem, wie hier,
alle Vorbedingungen für eine harmonische seelische Entwicklung gegeben
sind, und welches auch wirklich alle Zeichen einer solchen aufweist, mit vier
Jahren an recht schweren Angstzuständen erkrankt. Den äußerlich erkenn-
baren Ausgangspunkt bildete ein Brand an der Arbeitsstätte des — sehr
geliebten — Vaters. Die Erkrankung zog sich bis ins achte Jahr hin, ehe
ich Gelegenheit hatte, einzugreifen. Sie machte verschiedene Wandlungen
durch, die mir die Mutter nicht mehr mit der wünschenswerten Genauigkeit
berichten konnte. Doch steht soviel fest, daß vom Tag des Brandes ab der
Anblick des betreffenden Gebäudes in Lore die heftigste Angst hervorrief,
und daß sie bei jedem Spaziergang angstvoll fragte, ob man dort auch sicher
nichts von demselben sehen werde. Später entwickelte sich dann daraus eine
regelrechte Feuerphobie. Abends, im Bett, wenn das Kind einschlafen sollte,
kamen „so dumme Gedanken‘: Das Haus könnte anfangen zu brennen,
manchmal auch, unter dem Bett könnte ein Feuer sein. Sodann erweiterte
sich diese abendliche Angst zu einer auch bei Tag auftretenden Angst vor
dem bloßen Denken ans Feuer, ja bloß ans Wort „Feuer. Wir kommen
schon bedenklich weit in das Gebiet der Zwangsneurose hinein, wenn wir
hören, daß während einer Periode schon jedes Wort, welches ein F enthielt
(Anfangsbuchstabe von „Feuer“), die Angst wachrief, und daß als Schutz
dagegen das F wie W ausgesprochen werden mußte, Nachts kamen angstvolle
Träume, die von Feuer handelten. Ein weiteres Symptom bestand darin, daß
Lore morgens nicht zur Schule gehen konnte, ohne daß die Mutter ihre
sämtlichen Aufgaben zuvor nochmals abgehört hatte. Das sehr intelligente
Kind hatte die Aufgaben abends stets spielend bewältigt, so daß nicht der
— 163 —
geringste „objektive” Anlaß zu einer solchen Maßnahme bestehen konnte.
Vor dem realen Feuer im Ofen oder Herd, vor Streichhölzern, Feuerze
u. dergl. fürchtete sich Lore nicht im geringsten. Nie kam der Gedanke,
daß etwa beim Öffnen der Ofentür eine Kohle herausfallen oder beim
Anzünden eines Streichholzes ein Vorhang oder ein Kleid in Brand geraten
könnte. Das ganze Gebiet des wirklichen Feuers war aus dem Bereich der
Angstvorstellungen ausgeschaltet.
In diesem Stadium befand sich die Erkrankung, als ich mich zum ersten-
mal mit der Mutter darüber unterhielt. Es war nicht schwierig, zu erkennen,
dal die Angst unserer Kleinen keinem von außen her drohenden Feuer,
sondern dem Feuer in ihrem eigenen Inneren galt. Verdrängte sexuelle
Regungen, unterdrückte Impulse zu Önanie meldeten sich in dieser nicht
eben hochgradigen Entstellung von neuem. Zur Unterdrückung und Ver-
drängung seiner Triebregungen konnte das Kind nur durch Verbote der
Mutter gekommen sein. Die Mutter allerdings konnte sich nicht entsinnen,
bei dem Kind je Äußerungen von Onanie beobachtet zu haben, ebensoweni
je dagegen eingeschritten zu sein. So mußte ich denn annehmen, dal) die
Mütter die Onanieäußerungen des Kindes, als sie vor Jahren zum erstenmal
aufgetreten waren, zwar instinktiv in ihrer Bedeutung verstanden und durch
Verbote irgendwelcher Art unterdrückt, aber bewußt nicht als solche bei
sich registriert hatte. Dafür sprach auch die Tatsache, daß die sonst wirklich
aufgeklärte und fortschrittlich denkende Frau doch davon überzeugt war, daß
die kindliche Onanie, wenn sie je auftreten sollte, im Interesse des Kindes
zu bekämpfen sei. Es gelang mir, sie zur Preisgabe dieses Standpunktes zu
bringen und ihr die Anschauung zu vermitteln, daß die (genitale) Onanie
eine notwendige Durchgangsstufe in der Entwicklung sei, und daß
man viel eher ihr Fehlen als ihr Auftreten als etwas Krankhaftes
ansehen müsse. Ich muß betonen, — denn hierauf kommt es für das
Verständnis des therapeutischen Erfolges in diesem Falle an, — daß
ich der Mutter nicht etwa das Ergebnis der analytischen Forschung
in Form eines bloßen Wissens vermittelte, sondern daß sie am Ende
unserer Unterredungen wirklich innerlich davon überzeugt war, bisher
eine unrichtige Einstellung zum Problem der Onanie gehabt zu haben,
Weniger Glück hatte ich zunächst mit meiner Deutung der Feuerangst. Die
Mutter, die der Psychoanalyse verständnisvoll gegenübersteht, glaubte mir
zwar ohne weiteres, daß das Feuer ein Symbol für sexuelle Erregung sein
könne, konnte aber nicht recht glauben, daß die Angst Lores wirklich die
Angst vor dem Andrängen unterdrückter Liebesregungen sein sollte. Jedenfalls
aber nahm sie eine veränderte Einstellung zu den etwaigen Onanieimpulsen
des Kindes mit nach Hause. Und nun kommt das Erstaunliche: Einige Zeit nach
jener Besprechung hörten zwar die Symptome bei Lore nicht vollständig auf,
traten aber in ihrer Intensität so sehr zurück, daß der Zustand -von einer
Heilung nicht sehr weit entfernt war —nota bene, ohne daß ein Gespräch
zwischen Mutter und Tochter über die „heiklen“ Themen stattgefunden hätte.
Auch das bisher unerläßliche morgendliche Abhören der Schulaufgaben wurde
nun mit einem Male entbehrlich. Ich kann die Besserung des Zustandes nur
so erklären, daß das Kind mit seinem Unbewußten aus der leisen Änderung
der Atmosphäre herausspürte, daß die Mutter seiner genitalen Sexualität nun
— 164 —
|
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keinen Widerstand mehr entgegensetzte.e Das konnte dann das bisherige
strenge Sexualverbot lockern und das Bewußtwerden der genitalen Erregungen
in der unverkleideten Form, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, ermög-
lichen. Die weitere Entwicklung wird. uns für diese Auffassung noch einen
Beweis liefern. Die morgendliche Unsicherheit mit den Aufgaben konnte
schwinden, weil sie ein Ausdruck des Schuldgefühls gewesen und das Schuld-
gefühl durch Wegfall des Verbotes nun aufgehoben war.’
Die Mutter war nun wesentlich mehr geneigt, meine Erklärungen anzu-
nehmen, um so mehr, als sie von ihrem inzwischen zweieinhalbjährigen
jüngeren Töchterchen einen sehr lehrreichen Anschauungsunterricht über die
kindliche Onanie erhalten hatte. Sie hatte inzwischen auch Freuds „Vor-
lesungen zur Einführung in die Psychoanalyse gelesen, vieles durch Beob-
achtungen an sich selbst bestätigen können und hatte die frühere Scheu vor
einer eventuellen Unterhaltung mit ihrer Tochter über alle bisher nicht
berührten Dinge überwunden. Das sollte sich nicht als überflüssig erweisen,
denn ein Rest der Neurose hatte sich noch erhalten und trat von Zeit zu
Zeit wieder stärker hervor: die ängstlichen Feuerträume. Als Lore nun wieder
von einem solchen Traum berichtete, war die Mutter ihrer letzten Aufgabe
gewachsen. Sie setzte dem Kind in nicht ganz schulgerechter, aber für den
Zweck völlig ausreichender Weise etwa folgendes auseinander: „Weißt du,
wenn man etwas träumt, so muß man nicht immer wörtlich das meinen,
was im Traum vorkommt, sondern vielleicht nur etwas Ähnliches. Wenn es
jemand z. B. im Traum irgendwo juckt, so kann er vielleicht träumen, daß
er von einem Floh geplagt wird, obwohl doch in Wirklichkeit gar kein Floh
da ist. Und wenn’s dich am Körper irgendwo brennt oder ein heißes
Gefühl oder vielleicht da unten so ein besonderes Gefühl
kommt, dann kann sich das im Traum als Feuer ausdrücken.“ Die Augen
des Kindes leuchteten förmlich auf, es suchte nach irgendeinem Wort, um
sein Gefühl auszudrücken, und sagte: „OÖ Mutti, das mußt du noch öfter tun,
mir so Träume erlösen.” Auch der Feuertraum hatte von diesem Tag an
seinen Schrecken verloren.
Sicher hat an der „Erlösung“ die Deutung des 'Traumes ihren nicht uner-
heblichen Anteil; wir wollen aber nicht übersehen, daß ein anderer Faktor
dabei eine mindestens ebenso große Rolle spielt: die offene Anerkennung der
Sexualität durch die Mutter („ein heißes Gefühl oder da unten so ein
besonderes Gefühl”). Das sofortige Befreiungsgefühl bringt auch die Bestätigung
unserer Erklärung für den überraschenden Erfolg jener ersten Unterredungen
mit der Mutter. Daß Lore die Andeutungen der Mutter sofort ohne Wider-
stand verstanden und auf ihre sexuellen Regungen bezogen hatte, setzte ja
voraus, daß diese schon vorher ins Bewußtsein zugelassen worden waren.
Wären sie jetzt erst durch die letzte Unterredung ins Bewußtsein gerufen
worden, so könnte man sich schwer vorstellen, dal sich das sofort, ohne
eine zur Verarbeitung gebrauchte Zwischenzeit, als Befreiung hätte auswirken
können.
Am Schluß kam noch eine kleine Überraschung: Die Schwester der Mutter,
welcher der ganze Vorfall erzählt wurde, erinnerte sich sofort an eine Szene,
ı) Dies ist gleichzeitig eine schöne Illustration dafür, wie modulationsfähig die
Gewissensinhalte in diesem Alter noch sein können.
er 105 Ze
deren Zeuge sie gewesen war. Lore mochte ungefähr zwei Jahre alt gewesen 2
sein, als die beiden Frauen in das Kinderzimmer traten, wo Lore im Bett
lag. Die Mutter schaute sie mit durchbohrendem Blick an und rief nur das g
Wort: „Lore!“ Worauf die kleine Sünderin verlegen die Händchen aus einer a
offenbar unerlaubten Gegend unter der Decke hervorzog und sittsam aufs
Deckbettchen legte. Auch als die Schwester diese Szene in aller Ausführlich. -
keit schilderte, konnte sich die Mutter an nichts mehr erinnern. Auch sehr
aufgeklärte und fortschrittliche Mütter können verdrängen.
Was diesen Fall besonders lehrreich macht, ist die Besonderheit, daß hier
ein neurotisches Milieu im eigentlichen Sinn vollständig fehlt. Einer Mutter
mit selten pädagogischer Begabung gelingt es — soweit man es bis jetzt
beurteilen kann — ein mit starkem Triebleben und überdurchschnittlicher
Intelligenz begabtes Kind zu einem harmonischen Charakter heranzubilden.
Ein einziger isolierter Fehler in der Erziehung führt zur Entwicklung einer
Neurose, deren Verschwinden nach Aufdeckung und nachträglicher Beseitigung
eben jenes Fehlers erkennen läßt, daß in ihm, wenn nicht die alleinige, so
doch die allein wirklich bedeutsame Wurzel der Störung zu suchen ist.
Wir wollen dem mit der Analyse Vertrauten nicht vorenthalten, daß aus
dem Material auch etwas vom Inhalt der Onaniephantasie erkennbar wurde.
Wir haben noch eine Einzelheit nachzutragen, die zwar bei dem therapeu-
tischen Eingreifen nicht verwertet wurde, aber in dem Gefüge der Neurose
doch sicher eine Rolle spielt; eine der ängstlichen Befürchtungen lautete
nämlich: „Der Vater könnte verbrennen.” Die Deutung, daß hier eine ganz
vorwiegende Bindung an die Mutter vorliegen könnte und dem Vater als
Konkurrenten der Tod gewünscht werde, kann hier nicht in Betracht kommen,
Das Kind zeigte vielmehr sehr deutliche Beweise eines ganz normalen weib-
lichen Ödipuskomplexes. Es hatte z. B. eine Zeitlang die Gewohnheit, nach
dem Mittagessen, wenn der Vater sich aufs Sofa legte und die Mutter sich
zu ihm setzen wollte, der Mutter mit großer Behendigkeit zuvorzukommen
und sie „im Spaß“ mit den Worten zurückzuweisen: „Das ist meiner und
nicht deiner.“ Dann pflegte sie in sehr eindeutiger Weise von ihrem Vater
Besitz zu ergreifen, indem sie auf ihm herumkletterte und ihn abküßte. „Der
Vater brennt” kann hier also nur symbolisch als Erfüllung eines verbotenen
Wunsches gedeutet werden im Sinn von „der Vater brennt für mich“ (in
Liebe). Die Beziehung zu der unterdrückten Onanie besteht darin, daß der
Vater der Gegenstand der Onaniephantasie gewesen sein dürfte. Diese Einzel-
heit sollte erwähnt werden, obwohl ihre Erkenntnis im vorliegenden Fall
nicht praktisch verwertet wurde, da in ähnlich gelagerten Fällen eine Lösung
ohne sie vielleicht nicht zu erzielen sein würde,
TTITETTTTTLLETNITTRLLITLTTLDLLLLLLLDTLETLTTTITITTTITTEITTIUTITETTT TUT TTTIU UT ITTTITTTITTTTTTDTTITETTPTITUIUUIUT IT IOP UI UP ITTTTTTEITT
— 160 —
|
Soll man die Onanie bekämpfen?
Von Ernst Ziegler, Lehrer, Basel
Der folgende Aufsatz bildete die Diskussionsgrundlage
zur Besprechung des Onanieproblems in einem Kreise von
Lehrern, die die Veröffentlichung wünschten. Obschon er
anderen Artikeln gegenüber Wiederholungen bringt und die
analytischen Ansichten über die Auswirkungen von „Nackt-
kultur“ und „Ernährungsreform“ nicht so optimistisch
sein dürften, so bringen wir den Aufsatz doch vollständig.
Er kann vielleicht noch weiter dem gleichen Zwecke dienen,
für den er geschrieben wurde.
Die Schriftleitung
„Wie kann man nur so fragen!“ wirst du, lieber Leser, angesichts dieses
Titels ausrufen. Und siehe, ich begreife dich gar wohl! Gewiß hast du von
Onanie stets nur gehört als von einer schweren Verirrung menschlichen
Trieblebens, hast gelesen in der reichbemessenen Literatur, in der auf die
argen Schäden der Onanie hingewiesen, wo sie als furchtbares Laster gebrand-
markt, vielleicht gar als die Grundursache der Degeneration des Menschen-
geschlechts hingestellt wird.
Aber wie in so vielen anderen Dingen, haben sich auch hier in den
letzten Jahrzehnten die Ansichten geändert. Man glaubt nicht mehr an die
schweren Schäden, welche die Onanie bewirken soll. Ja, manche Forscher
glauben nicht nur Schaden im großen und ganzen in Abrede stellen zu
dürfen, sind vielmehr sogar der Ansicht, die Onanie sei eine durchaus normale
Erscheinung im Leben eines jeden und ein Übergangsstadium zum normalen
Geschlechtsleben. Mehr als dies: Es wurde schon gesagt, das Ausbleiben der
Onanie bedeute einen Mangel in der geschlechtlichen Entwicklung!
Man sieht, der Unterschied zwischen einst und jetzt ist sehr groß, so
groß sogar, daß man beinahe versucht ist, keine der beiden Ansichten als
richtig anzuerkennen, weder jene, für die Onanie das schlimmste Verbrechen
gegen sich selbst bedeutet, noch die, welche die Onanie als im Rahmen der
natürlichen Entwicklung liegend betrachtet.
Wenn man die heutigen Verhältnisse unbefangen ansieht und die Tatsachen
gelten läßt, wie sie sind, so muß man aber dazu neigen, die neue Ansicht als
richtig oder doch der Wahrheit zum mindesten naheliegend anzuerkennen.
Man kann sich aber gleichzeitig die Frage nicht versagen, ob die Verhältnisse
auf geschlechtlichem Gebiet in der jetzigen Kultur wirklich das sind, was man
als natürlich bezeichnen darf, und ob man berechtigt ist, aus dem, was heute
zur Beobachtung gelangt, endgültige Schlüsse zu ziehen, denn es besteht kein
Zweifel, daß ein Großteil der Kulturmenschheit in einer dauernden seschlecht-
lichen Überreizung lebt, die ihre Wurzeln in Faktoren hat, die zu erörtern
sein werden.
Wirklicher Schaden der Onanie
Trotzdem die Meinung, daß die Onanie ein Übel ist, das „der Jugend das
Mark aus den Knochen sauge“, einer milderen Ansicht weichen mußte, kann
kein Vernünftiger bestreiten, daß durch die Onanie wirklich Schaden ange-
richtet werden kann.
— 167 —
Jede geschlechtliche Betätigung, sei es nun Geschlechtsumgang mit einem
Weibe oder ein onanistischer Akt, ist für den Organismus eine gewaltige
Arbeitsleistung, die mit einer großen Energieausgabe verbunden ist, Herz-
tätigkeit und Blutzirkulation sind bedeutend gesteigert. Vor allem aber steht
das Nervensystem in seiner ganzen Ausdehnung unter einer äußersten
Spannung. Diese Spannung geht mit einem gesteigerten Verbrauch an nervöser
Energie einher. (Daß uns ihr Wesen nicht bekannt ist, tut nichts zur Sache.)
Diese verbrauchte Energie wird im Verlaufe einer gewissen Zeit, die von
Mensch zu Mensch verschieden ist, wieder ersetzt. Erfolgt nun wiederum
geschlechtliche Betätigung, bevor der Organismus mit neuer Energie geladen
ist, so bedeutet das eine Schwächung desselben, die sich als Unbehagen
geltend macht. Wird diese Mahnung nicht beachtet und von erschöpften
Reserven gezehrt, so muß das nach und nach eine Verminderung der
Leistungsfähigkeit des Nervensystems nach sich ziehen.
Wann und ob überhaupt eine spürbare Schwächung eintritt, das hängt
durchaus ab von der Widerstandsfähigkeit des betreffenden Menschen und vom
Maß der Inanspruchnahme. Der eine mit kraftvollem Körper sündigt oft und
viel und bleibt gesund, indes ein anderer bei größerer Enthaltsamkeit krank
wird, weil sein Nervensystem weniger fest begründet war.
Von vornherein anzunehmen, Onanie schade bloß bei seelischer Bedrückung,
scheint mir unvorsichtig, denn so gut ein Muskel durch zu lang fortgesetzte
Arbeit ermüdet und endlich arbeitsuntüchtig wird, ebensogut kann rein
körperliche Onanie die Nerven überanstrengen, wie es übrigens auch zu viel
normaler Geschlechtsverkehr tun kann.
Daß geschlechtliche Betätigung mit einer starken Abgabe von nervöser
Energie verbunden ist, beweist auch das danach eintretende Schlafbedürfnis.
Ein guter Schlaf ist ein Energiesammler ersten Ranges; durch ihn sucht der
Organismus den erlittenen Energieverlust sofort wieder auszugleichen.
Diese wohlige Müdigkeit, der ein guter Schlaf folgt, tritt aber in der
Regel nur nach befriedigendem Beischlaf ein, selten oder nie aber nach
Onanie. Einmal darum, weil der Täter meist mit seiner Tat nicht
zufrieden ist und ihn Reue und Vorwürfe plagen, dann aber auch, weil die
Geschlechtsorgane nach Onanie zumeist in einem Reizzustand verbleiben, —
anstatt wirklich befreit und befriedigt zu sein, — der dann seinerseits den
Schlaf auch stört. Dieser Mangel an Schlaf darf als Schadenbringer nicht
vergessen werden. Umgekehrt gelangt manch ein Geplagter erst zu Schlaf,
nachdem er dem Drange nachgegeben.
Man könnte versucht sein, anzunehmen, Onanie und normaler Geschlechts-
verkehr seien in ihrer Auswirkung gleich, da sie beide eine analoge Inan-
spruchnahme des Organismus darstellten. Dem ist einmal entgegenzuhalten,
daß die Organe für normale Ausübung des Triebes geschaffen sind und nicht
für eine Ersatzhandlung. Ferner zeigt es sich, daß Leute, die nach Onanie
allgemein und speziell in den Gepchlächisoigangn unangenehme Empfin-
dungen haben, davon bei und nach normalem Geschlechtsverkehr nichts ver-
spüren, obwohl die Lustempfindung dabei bedeutend gesteigert ist und man
auf einen höheren Energieverlust schließen muß. Außerdem ist bekannt, daß
die meisten Onanisten in der Ehe ihre Beschwerden verlieren. Es scheint
eben doch etwas an dem „Austausch der Kräfte“ zwischen Mann und Weib
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zu sein, ganz abgesehen davon, daß die Reizung der Geschlechtsnerven-
endigungen bei normalem Geschlechtsverkehr viel sanfter ist als bei ÖOnanie,
was gewil auch nicht ohne Einfluß auf die Nerven ist.
Die Angst vor dem Samenverlust
Vielfach wird dem Verlust des Samens beim Manne eine besonders
schwächende Wirkung zugeschrieben. Man darf diese aber nicht überschätzen.
Wenn es auch gewiß ist, daß eine Verschleuderung des Samens eine erhöhte
Inanspruchnahme wichtiger Drüsen bedeutet, die — außer der Samenbildung
— die zweite Aufgabe haben, den Körper mit besonderen lebenswichtigen
Stoffen zu versorgen, so darf andererseits aus dem Schwächegefühl unmittelbar
nach erfolgtem Samenverlust nicht gefolgert werden, diese Schwäche stamme
aus dem Verluste des Samens. Nicht dieser Verlust ist schuld, sondern der
Verbrauch an nervöser Energie, der mit der Schaffung der Wollustempfindung
verbunden ist, die eben beim Samenerguß die größte Intensität erlangt.
Der Glaube, daß man nur den Verlust des Samens zu vermeiden habe,
um Schaden zu verhüten, veranlaßt manche, die Onanie in einer Form aus-
zuüben, bei der sie die Erregung, sobald sie eine gewisse Höhe erreicht hat,
wieder abklingen lassen, um die sich steigernde Lust wiederholte Male durch
erneute Reizung zu genießen, ohne es aber zum Erguß des Samens kommen zu
lassen; ein Verfahren, das die Nerven sehr in Anspruch nimmt und dadurch
sehr schädlich wirkt.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Erregungen, die sich beim Flirt
einstellen. Sie sind in ihrer langdauernden Wirkung und namentlich ihrer
anhaltenden Nachwirkung (die zuweilen noch zur Onanie führt) bedeutend
anstrengender, als ein normaler dGeschlechtsverkehr es wäre. Dies
beständige Aufpeitschen ohne Befriedigung ist eine schlimme Sache und wird
von den meisten Jugendlichen in seiner schädlichen Wirkung nicht richtig
eingeschätzt, sehr oft aus dem Gedanken heraus, daß ja kein Samenverlust
damit verbunden sei. Man kann sich aber rein durch solche Erregungen
schweren Schaden zufügen, ohne je einen Samenverlust zu erleiden. Das gilt
auch für die Mädchen, die öfters meinen, ihnen schade die Sache weniger,
weil sie dabei keinen Verlust an Zeugungsstoffen erleiden.
Es ist notwendig, auf diese Umstände hinzuweisen, weil die Samenverluste
das Schreckgespenst so mancher Onanisten sind, auf das sie beständig ängst-
lich achthaben, während sie sich anderen sexuellen Erregungen unbedenklich
hingeben, ohne zu ahnen, daß sie damit ihr Leiden verschlimmern. Wer
weiß, vielleicht macht sich auch bald wieder eine Schundliteratur breit, die,
auf den Forschungen über die Pubertätsdrüse fußend, auf die „schrecklichen
Folgen“ der Samenverluste hinweist.
Gewiß zeigen häufige nächtliche Samenergüsse an, daß etwas nicht in
Ordnung ist. In den meisten Fällen sind sie ein Anzeichen für überreizte
Geschlechtsnerven. Und je häufiger die Verluste erfolgen, um so reizbarer
werden die Nerven. Das ist aber nicht bloß eine Folge des Verlustes der
Samenflüssigkeit, sondern der Erregung, die mit dem Verluste verbunden ist.
Die Nerven kommen nie zur Ruhe, und so genügt eine kleine Ansammlung
von Samen, um einen Erguß auszulösen. Die Samenblasen vermögen ihren
Inhalt nicht mehr festzuhalten, weil sie von zu kitzligen Nerven reguliert
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werden. Jeder Erguß wird dann nicht als Entspannung und Erleichterung =
empfunden, sondern wird im Gegenteil zum neuen Reiz. Da nun die Samen-
blasen die Tendenz haben, sich nach einer Entleerung wieder zu füllen,
damit der Mann stets fortpflanzungsbereit ist, ist es außerordentlich schwierig,
aus dieser Zwickmühle herauszukommen, Es gelingt meist nur durch eine
strenge Regelung der Diät. Mitunter ist sogar ein vollständiges Fasten nicht
zu umgehen. Dies gilt aber nur für sehr schwere Fälle.
Eigene und fremde Beobachtungen gehen übrigens dahin, daß es mit der
Pollution als „Sicherheitsventil nicht gar so weit her ist, weil sehr oft
nach einer solchen von einer Erleichterung keine Rede ist, vielmehr ein
unangenehmer Reizzustand andauert. Geht man dann der Ursache der Pollution
nach, so findet man in der Regel, daß es auch sonst im Körper nicht stimmt;
daß man einen Diätfehler begangen hat, der sich rächte, oder daß man die
nötige Bewegung unterließ, die zu einer Blutstauung im Unterleib führte,
oder — eine häufige Ursache — daß man auf dem Rücken schlief und der
auf den Samenblasen ruhende Hoden den Reiz auslöste.
Während eines sehr anstrengenden Militärdienstes wußten ich und viele
meiner Kameraden nichts von Pollutionen während zweier Monate. Bei der
Rückkehr zu „sitzender Lebensweise“ stellten sich dieselben unerwünscht
häufig wieder ein, um bei knapper, eiweißarmer Ernährung wieder ganz
bedeutend zurückzugehen.
Man hat es also bis zu einem gewissen Grade in der Hand, die Zahl der
Pollutionen herabzusetzen, dadurch, daß man die Energien des Körpers an
andere Stellen lenkt und von den Geschlechtsorganen wegzieht; dann braucht
man auch nicht mehr zu befürchten, durch die Verluste geschwächt zu werden.
Sexualneurasthenikern wird das allerdings mehr Mühe und Geduld kosten
als dem Gesunden.
Seelische Einflüsse
Der Faktor aber, der bei der Onanie als Schadenbringer viel mehr in
Betracht zu ziehen ist, als die Folgen der rein körperlichen Erregungen, das
sind die ungünstigen seelischen Einflüsse. Ja, viele Forscher sind
der Ansicht, nur sie allein führten zu Krankheit.
Daß seelische Einflüsse störend in den Ablauf der Körperfunktionen ein-
greifen können, das weiß heutzutage gewiß jedermann und hat es vielleicht
hin und wieder an sich selber erfahren. Man weiß, ein Ärger legt die
Magentätigkeit lahm, ein Schreck erzeugt Durchfall, ebenso große Angst (der
der Volksmund deshalb eine derbe, aber treffende Bezeichnung gegeben hat),
bekannt ist auch das Eisenbahnfieber, bei dem Blase und Darm im
ungünstigsten Augenblick sich bemerkbar machen. Freude erhöht den Glanz
der Augen und rötet die Wangen; andauernder Kummer aber legt das ganze
Körpergetriebe lahm, was sich äußerlich in zunehmender Abmagerung zeigt.
Nun ist aber in der Regel die Onanie mit derartigen unlustbetonten und
deshalb schädlichen Gemütsbewegungen verbunden. Mißmut, Niedergeschlagen-
heit, stete Vorwürfe und tiefgehende Reuegefühle martern die meisten
Onanisten, und dies in einem Alter, da die Seele am bewesglichsten und
empfindlichsten ist. Es ist klar, daß solche andauernde schlechte Stimmungen
im Verein mit den immer wiederkehrenden, vielleicht sehr gehäuften
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sexuellen Erregungen mit der Zeit im Körper ungünstige Veränderungen,
gewöhnlich Krankheit genannt, bewirken, besonders wenn auf dem Beirefanden
noch viele Arbeit lastet, wie sie höhere Schule und Studium mit sich bringen.
Es läßt sich allerdings der Fall denken, daß jemand onaniert, ohne
sich bewußt zu sein, damit etwas Unrechtes und Schädliches zu tun. Er wird
sich dann der Lust ohne seelische Hemmung hingeben, wird wohl eine
gewisse körperliche Ermüdung empfinden, seelisch aber ruhig bleiben nach
vollbrachter Tat und so sich einer weiteren ungünstigen Erregung enthalten.
Daß3 der Fall aber sehr häufig eintritt, wird kaum zu bejahen sein. Zumeist
wird eben der Akt als Niederlage empfunden; hat doch der Mann auch nach
normalem Geschlechtsverkehr zuweilen ein Gefühl von Reue, die Meinung,
überrumpelt worden und dem Gelüste erlegen zu sein.
Die Wirkung des Schamgefühls
Zumeist liegt aber der Fall nicht so gut. Die übliche Auffassung alles
Geschlechtlichen, die sich gottlob zu wandeln beginnt, hat die Geschlechts-
organe mit einem Makel belegt. Sie sind etwas, von dem man nicht spricht
und das zu besitzen man sich fast schämt. Man darf sich ihrer Existenz
höchstens am Biertisch und dann eben in einer der Auffassung entsprechenden
Form erinnern! 8
Schon in frühester Jugend tönt dem Kinde das „Schäm’ dich!” entgegen,
so daß es schon früh die Geschlechtsorgane als etwas betrachten lernt, mit
dem es keine ganz saubere Bewandtnis hat. Das muß sich übertragen aur
den onanistischen Akt, der mit Hilfe dieser Körperteile ausgeübt wird. Das
Kind mul5 fühlen, dal es mit dem Betasten der Geschlechtsorgane etwas tut,
das eigentlich strenge verboten ist, das unsauber, unanständig, „unsittlich“ ist.
Dazu kommt das Gemunkel der Schulkameraden und das Lesen entsprechender
warnender Schriften.
Wenn es also zur Onanie kommt, so wird sie meistens mit seelischen
Widerständen ausgeübt. Man kämpft dagegen an, fällt, gelobt Reinheit, um
in den nächsten Tagen wiederum ein Opfer des Gerne zu werden, der
stärker ist als die besten Vorsätze. Tiefgehende Reue bringt die ohnehin
durch die vorhergegangene sexuelle Erregung vibrierende Seele in noch
stärkere und schädliche Schwingung, die Stunden, aber auch Tage hindurch
anhalten kann. Sie ist es, die dann so besonders schädlich wirkt, weil unter
dem lähmenden Einfluß der schlechten Stimmung alle Organe schlecht
arbeiten, wahrscheinlich abnorme Stoffwechselprodukte gebildet werden, die
den Organismus belasten und auch der Ersatz der verbrauchten Energie lang-
samer als bei guter Stimmung erfolgt. Kommt dazu noch wirkliche Angst vor
Erkrankung, so werden Störungen um so eher eintreten, besonders wenn das
Nervensystem ohnehin nicht ade kräftig war.
"All diese Einflüsse werden verstärkt duch die Isolation, in der sich
der Onanist befindet. Da man im Elternhaus über diese Dinge selten oder
nie spricht, kommt beim Einzelnen nur zu leicht die Meinung auf, er allein
sei ein solcher Sünder. Wüßte er, daß zirka 90 Prozent aller jungen Männer
zeitweilig sich selbst befriedigen, so wäre ihm das ein Trost, schon weil er
sich dann sagen müßte, daß die Folgen nicht gar so furchtbare sein können,
wie er vielleicht irgendwo gehört oder gelesen hat.
Onanie als Laster und Sünde
Nicht zu vergessen ist auch die Rückwirkung, die die allgemeine
Beurteilung der Onanie auf den einzelnen ausübt.
Gewöhnlich wird die Onanie als ein schreckliches „Laster“ gebrandmarkt,
in der Regel von denselben Leuten, die sie als schwere „Sünde“ bezeichnen.
Schon diese Worte allein, wenn sie in einer gutgemeinten Versammlung auf
die armen „Sünder“ niederdonnern, sind fähig, feinere Naturen unter ihnen
niederzuschmettern und in ihrer Vorstellung zu verworfenen Menschen zu
machen.
In der Schule hört man von Kameraden, die „Sauereien“ treiben und
dabei erwischt worden sind. Man weiß wohl, was damit gemeint ist, weiß
sich selbst nicht frei davon, entrüstet sich aber auch, um selber nicht als
ein so schmutziger Kerl dazustehen, denn man hat einen gewaltigen Respekt
vor der „Unsittlichkeit“.
Merkwürdig ist, daß, wenn von Unsittlichkeit die Rede ist, sofort an die
geschlechtliche Unsittlichkeit gedacht wird, wobei der Begriff Unsittlichkeit
sehr verschwommen und wandelbar ist. Man hat die Begriffe sittlich und
unsittlich viel zu sehr nur mit rein Geschlechtlichem verbunden, wohl aus
dem Gedanken heraus, daß der Geschlechtstrieb ein großes Maß von
Beherrschung erfordert, und daß ‘deshalb der Mensch als sittlich anzusehen
ist, der ihn bemeistert. — Aus demselben Grunde aber, eben weil der 'Trieb
so stark ist, sollte man Menschen, die auf geschlechtlichem Gebiete sündigen,
gerechter beurteilen, vor allem auch berücksichtigen, daß die Menschen
verschieden sind. Es ist sehr leicht, „keusch und züchtig“ zu leben, wenn man
nie in seinem Leben den mächtigen Ansturm seines Blutes verspürt hat, und
es ist billis, sich über andere zu entrüsten, die bei bester Gesinnung vom
Geschlechtstrieb geplagt werden; widerlich wird es aber, wenn Leute mit
dicken Bäuchen und weinroten Köpfen anderen Moral predigen wollen, da
sie selber der Lust frönen, nämlich der von Gaumen und Bauch. Ebenso wirkt es
peinlich und lächerlich, wenn Leute, weil sie älter geworden und ruhiger,
weil das Blut weniger heiß durch ihre Adern rollt, nachdem es sich in
vielerlei Jugendtaten gekühlt, — die aber gewöhnlich ausgelöscht und
vergessen worden sind, — den Jungen den Segen der Keuschheit predigen
und den Fluch der Sünde.
Man muß bei der Beurteilung der Onanie mit den Worten Laster und
Sünde gänzlich aufräumen. Den Önanisten treibt ja zu seiner Tat nicht
eine besonders verworfene Gesinnung, eine ausgemachte Schlechtigkeit, sondern
der Wunsch nach dem Genusse jener Lust, die nun einmal die stärkste
physische Lustempfindung ist, die der Mensch erleben kann. Gar mancher
wäre ja heilfroh, er wüßte nichts von dieser Lustempfindung oder er würde
weniger oft und nachhaltig an sie erinnert. Man darf nie vergessen, daß die
Quellen und Antriebe zur Onanie im Körper selber liegen, daß man die
Stärke des Triebes mit bestem Wissen und Willen nur innerhalb gewisser
Grenzen beeinflussen, d. h. dämpfen und erträglich machen kann. Die Natur
will eben, daß wir diesen Trieb verspüren, sie will, daß er uns plagt und
zur Tat treibt, weil sie, selbst auf Kosten des Urhebers, den Fortbestand der
Gattung zu erzwingen sucht. Nur ist es leider Tatsache, daß kulturelle Ein-
flüsse den Trieb in der Regel mächtiger anschwellen lassen, als natürlich und
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gut ist. Andererseits darf man auch nicht vergessen, daß wir Europäer den
Geschlechtstrieb zu einer Zeit, da dessen Träger entwickelt sind, nicht normal
ausüben dürfen oder können, daß wir uns also nicht wundern müssen, wenn
es zu Ersatzhandlungen kommt.
Wenn man auch der Ansicht ist, daß gerade der Kampf segen die Triebe
den Willen weckt und den Charakter festist, so wird man trotzdem keinen
Stein werfen wollen auf den, der diesem Kampfe nicht gewachsen ist, und
ihn in seinem Widerstande vollends lahmlegen, indem man ihn zum Sünder
stempelt und sein bedrücktes Gemüt noch mehr belastet.
Es muß sich überhaupt ein Wandel vollziehen in der Bewertung der
geschlechtlichen Lust, die noch viel zuviel nur im geheimen Dunkel bestehen
darfl,genossenaber nicht anerkannt als gut und rein, selbst dort,
wo man sich ihrer restlos freuen dürfte, in der Ehe. Gar viele pflegen auch
dort noch der Liebe mit all den Hemmungen oder dem Zynismus, die ihnen
ankleben aus der Jugend, wo geschlechtlich mit schmutzig gleichbedeutend
war.
Da also die Onanie selten oder nie (am ehesten noch beim weiblichen
Geschlecht) ohne seelische Widerstände ausgeübt wird, diese aber leicht
schädigend wirken, wird es doch gut sein, zu versuchen, besondere Anreize
zur Onanie zu beseitigen, damit sie sich nicht zum Herrscher macht, und uns
nicht dabei beruhigen, sie gar allzuleicht als natürliches Übergangsstadium
zum normalen Geschlechtsleben anzusehen. Damit kommen wir zur Frage:
Welche Faktoren begünstigen die Onanie?
Einer der Gründe — wir schauen ihn als den bedeutendsten an — ist
die Heimlichtuerei in Bezug auf alles Geschlechtliche und der Mangel an
Mut und Aufrichtigkeit, sobald es dies Gebiet betrifft. Nicht nur, daß die
Geschlechtsorgane von Jugend auf sorgsam verhüllt und dem Kinde als etwas
dargestellt werden, das zu zeigen man sich streng hüten müsse (und damit
den Eindruck bei ihm erweckt, es handle sich bei diesen Körperteilen um
etwas ganz Besonderes, irgendwie geheimnisvoll Unsauberes), außerdem läßt
man Knaben und Mädchen, wenn sie heranreifen, noch immer hilflos zappeln.
Erwischt man sie bei der ÖOnanie, so erschrickt man, weil man seine eigene
Jugend vergessen hat, kann das von „seinem“ Kinde nicht begreifen, steht
ratlos oder schilt und warnt.
Durch die übliche Geheimnistuerei mit den Geschlechtsorganen und dem
Mangel an Aufklärung beschäftigen sich die Kinder und Jugendlichen viel
mehr, als es nötig wäre, mit diesen Dingen. Die an und für sich doch ganz
natürliche Neugierde um das Wie und Anders des anderen Geschlechtes, die
durch das stete Verhüllen recht eigentlich geschaffen wird, wird dadurch ins
Abnorme gesteigert.
Diese stete Beschäftigung mit dem verborgenen Geschlechtlichen hat aber
eine Rückwirkung auf die Geschlechtsorgane. Denken an Geschlechtliches,
besonders intensives Ausmalen von unklaren Vorstellungen, bewirkt einen
vermehrten Blutzufluß zu den Geschlechtsorganen, mithin eine Reizung und
Anregung derselben, die dann zu Onanie führen kann. Um diesen andauernden
Zustand des Grübelns über Geschlechtliches gar nicht aufkommen zu lassen
oder ihn doch wenigstens nach Möglichkeit abzukürzen, müssen wir uns
dazu ermutigen, die Jugend über die geschlechtlichen Verhältnisse aufzuklären,
um ihr so viel Kampf, dunkles Suchen und Grübeln und nicht zuletzt
Verirrungen zu ersparen.
Die Erziehung zur Schamhaftigkeit und ihr Nutzen
Wer in Berührung mit der Jugend lebt und sich noch gut seiner eigenen
Schulzeit erinnert, der weiß, wie sehr alles Geschlechtliche den ı0- bis
ı5jährigen beschäftigt, wie sehr er nach der Kenntnis der Körperformen
des anderen Geschlechtes und deren Bedeutung giert, insbesondere der
Geschlechtsteile. Man sieht und kennt zwar die Zeichnungen, mit denen Buben-
hände die Wände bemalen, aber man will sie nicht sehen, vielleicht weil
man findet, der Geisteszustand der Jugend stehe auf einer bedenklich tiefen
Stufe, und weil man seinen Anteil daran durch das Nichthandeln nicht von
der Hand weisen kann. Warum aber diese Zeichnungen? Warum diese ganze
heiße, ungesunde Gier? Sie sind die Folgen unserer Erziehung zur Scham,
die aus den Geschlechtsorganen an sich etwas von zentraler Wichtig-
keit in der Vorstellungswelt des Jugendlichen schafft, etwas, das ihn hart
bedrängt, das er kennen muß, komme das Wissen, woher es wolle, aus dem
Doktorbuch, aus der Betrachtung von Tieren oder gar aus einer „unsittlichen“
Handlung. Wenn dies Begehren beim Knaben viel stärker hervortritt, so ist
das nicht seiner größeren „Schlechtigkeit“ zuzuschreiben, vielleicht aber
seinem größeren Drang nach klarem, reellem Wissen, sicherlich aber in der
Hauptsache der Tatsache, daß es einem Knaben viel schwerer fällt, je
weibliche Körper, insbesondere Geschlechtsorgane, zu Gesicht zu bekommen,
als es umgekehrt der Fall ist.
Man übergibt z. B. den Mädchen ganz unbedenklich kleine Knaben
zum Hüten und Pflegen, die dabei etwa vorhandene sexuelle Neugier
befriedigen können, und sei es auch nur, daß sie die Knaben beim Harnen
betrachten. Fällt es aber einem Knaben gelegentlich ein, zu ergründen, wie
diese Verrichtung bei einem Mädchen vor sich geht, und wird er dabei
ertappt, so ist ihm eine Tracht Prügel vonwegen seiner „Verdorbenheit”
sicher. Verschafft sich ein Knabe gar einmal gewaltsam den verbotenen
Anblick, dann wird er als ganz verloren betrachtet. Man denkt sich aber
weiter gar nichts dabei, wenn ı2- bis ı5jährige Mädchen ihre kleinen
Brüder baden, währenddem man Knaben bei solchen Gelegenheiten als
unpassende Zuschauer fernhält.
Durch diese ganze Versteckerei wird nur erzielt, daß sich die Phantasie
stark mit sexuellen Vorstellungen anfüllt und Seele und Leib des Armen
bedrängen. Man kann die Schädigung durch diese Phantasietätigkeit nicht
stark genug betonen. Sie wird aber nur darum so mächtig und überragend,
weil das vorhandene Interesse gar nicht oder nur ganz mangelhaft befriedigt
wird. Einmal befriedigt, wäre es erledigt.
Es liegt hier ein Problem, an dessen Lösung gearbeitet wird, und zwar
praktisch. Wir sind seiner Lösung schon näher gerückt, seit das gemeinsame
Baden beider Geschlechter Sitte geworden ist, und der Stauung einer
ungesunden Phantasie wird vollends der Boden entzogen sein, wenn einmal die
Zeit kommt, da man wieder rein genug fühlt, um es wagen zu können,
Knabe und Mädchen, Mann und Weib gemeinsam ihre völlig nackten
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Leiber schauen zu lassen beim Bade in Wasser, Luft und Sonne. Das wird
eine gewaltige Entlastung der Seele und eine mächtige Beruhigung in
geschlechtlicher Hinsicht zur Folge haben, Dinge, die viel wertvoller sind als
das bißchen Scham, das bei erstbester Gelegenheit doch in alle Winde
verfliest. Wer meinen Worten nicht glauben mag, der lese einmal das Buch
von M. Seitz, das sich vorteilhaft von anderen seiner Art abhebt: Die Nackt-
kulturbewegung (Verlag der Schönheit, Dresden). Dort ist breit ausgeführt,
was hier nur angedeutet werden konnte.
Diese brennende Neugierde bezieht sich aber nicht nur auf das andere,
sondern, namentlich während der Entwicklung zur Geschlechtsreife, auch auf
das eigene Geschlecht. Die körperlichen Veränderungen beim Knaben, das
Auftreten der Behaarung, die Vergrößerung der äußeren Geschlechtsteile
und der Eintritt der Erektion, beim Mädchen das Wachstum der Brüste und
die Periode, sind Gegenstand erregter Besprechungen der Heranreifenden.
Manchen bringt das Wachstum der Schamhaare in große Aufregung, die ihm
‘schwer zu schaffen macht.
Der gegenseitige Wissensdurst veranlaßt dann sowohl Knaben als auch
Mädchen, sich ihre Geschlechtsteile zu zeigen. Dabei kommt es dann aber
leicht, weil Wissendere die Anstifter dazu sind, zu gegenseitiger Onanie. Hätten
die Kinder Gelegenheit, sich mit allem Anstand und in aller Öffentlichkeit
gegenseitig nackt in den verschiedenen Entwicklungsstadien zu sehen, so käme
es, wie immer wieder betont werden muß, niemals zu dieser ungesunden
Stauung des Wissensdurstes, zu dieser Konzentration der Gedanken auf die
Geschlechtsorgane, die nur durch das Verbot, mit dem ihr Anblick belegt
wird, eine solche Wichtigkeit im Vorstellungsleben einnehmen können, wie
es jetzt bei den meisten Jugendlichen der Fall ist.
Unbegreiflich ist, wie man kleine Kinder von sechs bis zehn Jahren ver-
anlassen kann, sich im Schulbad mit einem Schamtüchlein zu versehen, über
dessen Verwendung sich manche ganz im unklaren sind. Unvergeßlich bleibt
mir immer, wie so ein Kleiner, Unverdorbener sein Schürzlein gleich einer
Serviette um den Hals band und andere seinem Beispiele folgten. Leider
mußte allen dann beigebracht werden, wessen man sich zu schämen hat, mit
dem Erfolg, daß zwei Jahre später dieselben Kinder sich gegenseitig die
Schamfetzen wegzerrten, um etwas von der verbotenen Stelle zu erschauen !
Auch ein Erfolg, aber keiner, der einen rechten Erzieher zu erfreuen vermag.
Mangel an Aufklärung?
Als weiterer, die Onanie begünstigender Faktor wurde genannt der
Mangelan Aufklärung. Darüber einige Hinweise.
Vor allem: Geschlechtliche Aufklärung soll nicht die Tat einer besonderen
Stunde sein; etwas, das man immer und immer wieder hinausschiebt als eine
Angelegenheit, vor der man bangt, vor der man sich scheut, sich scheuen
muß, nachdem man so lange, allzulange geschwiegen oder ausweichend
geantwortet hat. Aufklärung ist etwas, das sich über viele Jahre hinzieht, das
sich Stein um Stein aufeinanderbaut, das so gegeben wird, dal das Kind von
„Aufklärung“ überhaupt nichts merkt. Es soll alles Geschlechtliche in einer
ı) Siehe diese Zeitschrift, I, 7/8/g, Sonderheft „Sexuelle Aufklärung“.
Form dargeboten erhalten, daß es als etwas ganz Selbstverständliches hin-
genommen wird, wie irgend eine andere Tatsache auch. Wenn der Sechs-
jährige die Befruchtungsvorgänge bei den Pflanzen begriffen, das Werden des
Hühnchens aus dem Ei bewundernd erfaßt und die Mutterfreuden der Haus-
katze erlebt hat, wird er auch unbefangen die Mitteilung seines Herkommens
aus dem mütterlichen Leibe vernehmen, vielleicht diesen Schluß selber ziehen.
Man mache bei der Erklärung dieser Dinge weder eine verlegene noch
eine besonders heilige Miene, noch flüstere man geheimnisvoll. Man gebe
diese Aufklärungen mehr so ganz nebenbei, damit sie sich einordnen in das
übrige kindliche Wissen, ohne eine besonders lebhafte Färbung, eine stärkere
Betonung zu erlangen. Natürlich muß das, was man sagt, dem Fassungs-
vermögen des Kindes angepaßt sein. Man muß herausfühlen und hören, was
das Kind wissen möchte.
Wenn man frühzeitig genug angefangen und sich das Vertrauen des Kindes
damit erhalten hat, wird die gründliche Auskunfterteilung, die zur Zeit der
Pubertät gegeben werden muß, auch weniger Schwierigkeiten bieten, sowohl
von seiten des Aufklärers, der auf Vorhandenes aufbauen kann, als auch von
seiten des Kindes, dem dann nicht auf einmal eine verwirrende Fülle neuer
und schwer zu verarbeitender Tatsachen geboten werden muß.
Immer muß man sich aber bewußt sein, daß mit der Aufklärung nicht
alles gewonnen ist, und daß sie durchaus kein Hindernis für das Auftreten
von ÖOnanie ist, denn sonst würden Erwachsene, die sich über ihr Tun ganz
klar sind, nicht auch noch onanieren,
Falsche Ernährung
Ein dritter und ganz wesentlich das starke Auftreten von Onanie hegunsbe eg
Faktor ist falsche Ernährung.
Nichts peitscht den Geschlechtstrieb mehr auf als zu reichliche Nahrungs-
zufuhr. Insbesondere ist es die Überfütterung mit eiweißhaltiger Nahrung.
Namentlich das Fleisch, das an sich der Reizstoffe genug enthielte, bei seiner
Zubereitung aber überdies noch reichlich mit Gewürzen (Salz und Pfeffer)
versehen wird, zeigt sich als ein großer Feind geschlechtlicher Enthaltsamkeit,
„Fleisch macht fleischlich.“ Seine Reizstoffe regen offenbar die Samendrüsen
zu erhöhter Tätigkeit an, die Gewürze aber erregen die Nerven im allgemeinen,
so daß zwei Dinge in gleich ungünstigem Sinne wirksam sind.
Noch schlimmer als das Fleisch der Säugetiere wirkt jenes der Fische,
wegen seines höheren Phosphorreichtums, und es scheint wunderlich, daß es
in den Ruf einer Fastenspeise gekommen ist. Jedenfalls war denjenigen, die
es in dieser Weise auszeichneten, die Reizwirkung von Fischfleisch nicht
bekannt, sonst hätten sie diese Nomination wohl unterlassen.
Zum Glück haben ja Fleisch und Eier, die früher als die weitaus besten
Nahrungsmittel galten, ihren Nimbus ein wenig verloren, und es haben
bessere Ansichten Platz gegriffen. Die als minderwertig verschrieene Kartoffel,
die Baum- und Feldfrüchte, Gemüse und Salate nehmen heute einen ersten
Platz bei einer vernünftigen Ernährung ein. Sie müssen von dem bevorzugt
werden, der vor dem Geschlechtstrieb möglichst Ruhe haben möchte, und
müssen deshalb bei der Ernährung der Kinder den Grundstock bilden. Man
sewöhne sich auch daran, tunlichst, was man kann, roh (ungekocht) zu essen.
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Man führt so seinem Körper nicht nur die nötigen Mineralstoffe in unver-
änderter Form zu und versieht ihn mit den lebenswichtigen Ergänzungsstoffen,
man trägt zugleich auch dazu bei, die Entstehung von Verstopfung, die reiz-
steigernd auf die Geschlechtsorgane einwirkt, zu verhindern.
Es muß auf diese Wirkung chronischer Verstopfung ganz besonders
verwiesen werden. Mancher, der unter dem Drange eines starken Geschlechts-
triebes seufzt, hat das nur seinem angefüllten Darm zu verdanken. Die darin
sitzenden Kotmassen üben nicht allein einen mechanischen Druck auf die
Umgebung (Samenblasen) aus, sondern sie bewirken auch eine Blutüberfüllung der
Darmblutgefäße. Nun ist aber die Aftergegend eine Stelle, die auch für geschlechtliche
Reize empfindlich ist. Eine dort erfolgte Reizwirkung kann leicht weiter-
geleitet werden zu den eigentlichen Geschlechtsorganen, die in diesem Fall
ohnehin zu Blutüberfüllung neigen. Auch die giftigen Zersetzungsprodukte des
Darminhaltes reizen die Nerven im Darm, der zudem in der Regel durch
die Fäulnisvorgänge hervorgerufene erhöhte Temperatur hat.
Übrigens stehen Darm und Geschlechtsorgane in Wechselwirkung, so daß
z. B. häufige, langdauernde und namentlich nicht zur Befriedigung gelangende
geschlechtliche Erregungen nicht nur eine Blutstauung in den Geschlechts-
organen verursachen, sondern zugleich eine solche auch im Darm. Umgekehrt
begünstigt Verstopfung das Eintreten geschlechtlicher Erregungen. Das sind
Wechselwirkungen, die das Gesundwerden in der Regel nicht erleichtern, da
das eine das andere begünstigt.
Wer seine Kinder lieb hat und sie vor der Önanie gern möglichst
bewahren möchte, der halte Fleisch, Eier, Fleischbrühe, Käse, stark Gesalzenes
und Schwarztee von ihnen fern. Auch den Genuß von Schokolade kann man
durchaus nicht empfehlen, denn sie erzeugt rasch ein starkes Sättigungsgefühl,
das die Ursache davon ist, dal das Kind bei Tische die Dinge, die für den
Aufbau seines Körpers nötig wären (Gemüse, Salat, Obst usw.), nicht essen
mag. Außerdem verstopft sie gerne. Unschädlich ist natürlich der Genuß
eines Stückchens Sckokolade zusammen mit einem gehörigen Stück Vollbrot
und etwas Obst.
Daß Kinder keinerlei Alkoholika (Wein, Most, Bier) bekommen sollen, wird
man nicht mehr besonders betonen müssen. Ä
Fin wirksames Hilfsmittel im Kampf gegen die Önanie ist Muskel-
tätigkeit
Das Kind hat einen starken Bewegungstrieb, der leider durch die Anforde-
rungen der Schule mehr als gut beschnitten wird. Und gerade in der Zeit,
da ableitende Bewegung am allernötigsten wäre, zur Zeit der Pubertät, werden
die Kinder immer mehr an Bank und Stuhl gefesselt, zum Sitzen gezwungen
und damit der Stauung von Blut und Darminhalt ausgeliefert. Trotzdem das
immer wieder gesagt und auch anerkannt wird, plagt man die Kinder immer
noch zu sehr mit schriftlichen Arbeiten, wofür aber allerdings nicht nur die
Lehrer, sondern die überfüllten Lehrpläne verantwortlich zu machen sind.
Manchenorts könnte sehr wohl abgebaut werden, namentlich indem man auf
unnötige Abschreibereien verzichtet und dem Kinde gedruckt in die Hand
gibt, was nicht unbedingt geschrieben werden muß. Dies nebenbei.
Wer sich stark körperlich ausgibt, verwendet die Kräfte und Säfte seines
Körpers für Muskeltätigkeit. Das Blut strömt den Muskeln zu und wird von.
den Geschlechtsorganen abgezogen. Aber nicht nur das. Durch die Bewegung
ist der Blutumlauf im ganzen Körper und vor allem der Stoffumsatz viel
energischer. Schädliche Produkte des Stoffwechsels werden rascher und besser
ausgeschieden und stören und reizen die Nerven nicht mehr. Die Verdauung
geht flotter vor sich, und der Verstopfung wird entgegengearbeitet.
Recht wertvoll in ihrer ableitenden Wirkung sind Luftbäder, bei kühlem
Wetter genommen, weil man sich dann stark bewegen muß und nachher
die gesamte Haut wunderbar durchblutet wird. Sonnenbäder verlangen bei
geschlechtlich reizbaren Individuen Vorsicht, da sie gern zu Reizzuständen
führen, wenn man sie zu lange ausdehnt. Auf den großen Wert des
Schwimmens als ableitenden Faktor wird wohl kaum mit besonderem Nach-
druck hingewiesen werden müssen.
Daß fleißig Hautpflege geübt werden muß, versteht sich eigentlich von
selbst. Sie muß beim Jüngling auch die tägliche Reinigung der Eichel mit
Vorhaut umfassen, damit sie nicht zur Reizquelle werden.
Geistige Vorbeugung
Es ist schon bei der Besprechung der Ursachen der Onanie wiederholt
auf die Wichtigkeit der Gedankenwelt hingewiesen worden. Wir haben
gesehen, wie das Versteckenspiel, das mit den geschlechtlichen Tatsachen
getrieben wird, die Phantasie ungünstig beeinflußt und das Überwuchern
geschlechtlich gerichteter Gedanken begünstigt. Solche Gedanken stärken den
körperlichen Reiz, der anderseits wiederum auf das Gedankenleben zurückwirkt.
Wer beständig über Geschlechtliches nachdenkt, kitzelnde Lektüre seinem
Geiste einverleibt und aufreizende Darstellungen besucht, der darf sich weder
wundern, noch sich beklagen, wenn ihn der Geschlechtstrieb plagt.
Auf diesem Gebiete hilft alle Tapferkeit, alles direkte Angehen des Feindes,
alles direkte Totschlagenwollen des Triebes nicht viel. Es heißt zwar immer
wieder, ein fester Wille vermöge alles. Gewiß, er vermag viel, aber den
heftig erregten Geschlechtstrieb zu beseitigen durch energisches Wollen, das
vermag er nie. Im Gegenteil, je mehr man seine Aufmerksamkeit auf die
Geschlechtsorgane richtet, auch mit dem festen Wollen: Ich will nicht unter-
liegen!, um so mehr sammelt sich der Reiz. Hier wird allein die Feigheit zur
Tugend und die Flucht zum Heil. Das Ablenken seines vollen Interesses auf
andere Gebiete kann hier helfen. Man wandere, wenn man irgend kann,
man lese interessante Reisebeschreibungen, musiziere, wenn man das Zeug dazu
hat, schließe sich einem Sport- oder Turnverein an, in dem nicht dem
Alkohol gehuldist wird, und suche die Gesellschaft flotter Mädchen, deren
Streben auch nach Befreiung und Veredelung des Lebens geht. Hat man eine
Liebhaberei, der man mit Leib und Seele ergeben ist, dann um so besser!
Man meine auch nicht, man werde seine Onanie los durch das Lesen
möglichst vieler Aufklärungsschriften. Das, was man wirklich wissen muß, ist
eigentlich bald gesagt, und gar vieles, was in solchen Aufklärungsschriften
ausgeführt ist, belastet den ohnehin bedrückten Geist nur ganz unnütz.
Ich kann das Lesen solcher Aufklärungsschriften überhaupt nur als
schlechten Notbehelf bei mangelnder Aufklärung durch die Eltern oder eine
damit beauftragte Vertrauensperson betrachten. Wenn ein Jugendlicher eine
— 75 —
solche Schrift in die Finger bekommt, weiß er entweder. längst schon das
meiste, oder aber es macht ihm geistige Verdauungsbeschwerden, weil er auf
einmal zuviel von der langersehnten Speise bekommt. Manche der Schriften
ergehen sich zu sehr nur in Andeutungen, andere wiederum geben eine genaue
Beschreibung der Geschlechtsorgane, die vorzustellen der Leser sich bemüht,
mit dem heimlichen Wunsche, sie baldmöglichst in Natur zu sehen.
Zu verwerfen ist die Ansicht mancher, die da meinen, jeder „Gebildete‘
müsse sich mit allen Winkeln und Verstecken des Geschlechtslebens, auch in
seinen abnormen Äußerungen, vertraut machen. Ich bin nicht nur überzeugt,
sondern ich weiß es, daß schon mancher die Lektüre solcher Bücher, auch
wenn sie einwandfrei wissenschaftlich waren, verflucht hat. Nicht jeder ist
mit der „kühlen Seele“ des Nurwissenschafters ausgerüstet, die nur die Tat-
sachen registriert, ohne innerlich davon ergriffen zu werden. Manchem gehen
solche Dinge tiefer ein, und er hat Mühe, sich ihrer zu erwehren und sie
wieder los zu werden. Vielleicht fühlt er sich sogar zu Taten angeregt, die
ohne die Lektüre unterblieben wären. Man darf sich hier auch durch
geschäftstüchtige Leute nicht irre machen lassen, die zu gerne „interessante
Lektüre an den Mann brächten.,
Es seien in diesem Zusammenhang auch ein paar Worte über geistige
Hygiene des Geschlechtslebens und außerehelichen Geschlechtsverkehrs gesagt.
— Es ist jedem jungen Manne unbenommen, seiner Vorstellungswelt beliebig
viel Wissen über das Geschlechtsleben einzuverleiben; er darf wissenschaftliche
Darstellungen über alle Phasen des Geschlechtsverkehrs, über alle Variationen
von Verirrungen lesen, niemals aber darf er mit Billigung der Öffentlichkeit
seiner hierdurch angeregten Phantasie durch Geschlechtsverkehr Luft ver-
schaffen. Bedient er sich der Prostitution, so gilt das als gemein, zudem setzt
er sich der Gefahr einer Erkrankung aus; knüpft er ein Verhältnis an, so ist
das sehr oft wirklich gemein, weil er in einem Mädchen unter Umständen
Hoffnungen erweckt, die zu erfüllen er keine Absicht hat.
Namentlich der studierende junge Mann, der glaubt, es seiner Bildung
schuldig zu sein, sich möglichst eingehend mit dem Geschlechtsleben aus-
einanderzusetzen, gerät gar nicht selten in eine mißliche Zwickmühle, da
ihn einerseits sexuelle Vorstellungen bedrängen, anderseits ihn aber die
Kenntnis der Geschlechtskrankheiten und auch ethische Bedenken vom
Geschlechtsverkehr abhalten. Der junge Arbeiter ist in dieser Hinsicht in der
Regel mit viel weniger theoretischem Wissen beschwert, erwirbt es sich
aber viel früher durch das „praktische Leben“ und entgeht so leichter jenen
seelisch-nervösen Störungen, an denen mancher Gebildete krankt, weil er jahre-
lang der Spielball widerstrebender Gefühle und Gedanken war.
Man kann sich nun, auch wenn man dem außerehelichen Geschlechts-
verkehr durchaus nicht die Stange halten möchte, in gewissen Fällen fragen,
ob es nicht vom Standpunkt der Hygiene aus geraten wäre, wenn sich der
junge Mann über die Hemmungen hinwegsetzte. Gemeint sind solche junge
Leute, deren Vorstellungswelt mit sexuellem Inhalt überwuchert ist, weil sie
sich jedem Geschlechtsverkehr ferngehalten haben, und die auf lange hinaus
nicht in die Lage kommen können, zu heiraten.
Auch der junge Mann, der mit dem festesten Willen zu reiner Lebens-
führung sich wappnet, kann den vielen Reizen sexueller Natur, die zumal
in der Stadt und in heutiger Zeit auf ihn einstürmen, nicht unzugänglich
bleiben. Auf Schritt und Tritt werden ihm die in mehr oder weniger
Hüllen eingefaßten weiblichen Reize dargeboten. Er schaut den wiegenden
Busen unter der straffen Seidenbluse, sieht das Spiel der Schenkel im
enganliegenden Röckchen, fühlt diese ganze warme, weiche Weiblichkeit im
Tanze an seinen Körper gelehnt, und sollte nicht den Wunsch in sich
verspüren, dieses Wesen, von dem in aller Welt wegen seiner Schönheit so
viel die Rede ist, in dieser seiner vollen, nackten Schönheit zu schauen, auch,
man erschrecke nicht, die Geschlechtsorgane, von denen er gelesen, und
deren Abbilder er vielleicht geschaut hat.
In seine Nase steigen die Düfte ferner Zonen; sie entsteigen der Gewandung
der Schönen, die mit allen Mitteln ihre Wirkung erhöht, sei es bewußt
oder unbewußt. Was Wunder, wenn das Blut des jungen Mannes rebellisch
und begehrlich wird und er gerne ganz besitzen möchte, was sich ihm in
solch verführerischer Form präsentiert, aufreizender als es die einfache Natur
jemals vermöchte ! Was Wunder, wenn das, was alle seine Sinne tagsüber aufge-
nommen, nachts wieder an die Oberfläche steigt und ihn bedrängt und quält!
Was Wunder, wenn er sich von all der Qual durch frische Tat befreien möchte !
Wem das gemein erscheint, der schlage an seine Brust und sage: Ich
danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute! Danach denke er aber
zurück an die Zeit, da er noch jung und voller Sehnen war.
Es sei hier auch gar nicht dem schrankenlosen außerehelichen Verkehr mit
seinen vielen Gefahren, die einen Menschen zeitlebens unglücklich machen
können, das Wort geredet; gesagt muß aber sein, daß es in gewissen Fällen
besser wäre, mit all der nötigen Vorsicht zur Tat zu schreiten, statt
jahrelang ein Gefangener überhitzter Triebe und einer sexuell gefärbten Vor-
stellungswelt zu sein.
Damit, daß einer einmal sich vorehelich eines Weibes bedient, um seine
Seele frei zu machen, begibt er sich noch lange nicht seiner Reinheit, im
Gegenteil ist er auf dem Wege zu ihrer W iedergewinnung. Die Kraft, die
bisher zur Abwehr sexueller Gedanken verbraucht wurde, wird frei für
bessere Sachen, womit er sich und der Welt mehr nützt, als mit einer
erzwungenen „Reinheit“, bei der seine Seele im Sexuellen versinkt.
Der Fall, daß einer zur Prostituierten geht, nur um endlich einmal ein
nacktes Weib zu sehen (ein Recht, das man dem Künstler ohne weiteres ein-
räumt, obwohl Künstlertum und „Sittlichkeit“ nicht immer identisch sind),
ist häufiger, als man meint, erst in zweiter Linie kommt der Geschlechtstrieb
als solcher erstmals als Antrieb dazu.
Wenn einmal die Nacktbewegung allgemeiner geworden ist und das ganze
Versteckenspiel mit dem Körper aufgehört hat, dann hat auch die Prostitution
und verschiedenes Tingeltangel an Zugkraft verloren, besonders weil diese
Bewegung der Reform der Ernährung, das Alkoholgegnertum eingeschlossen,
nahesteht. Dann wird aber auch manche Neurose nicht mehr entstehen, die
ihren Grund im Kampf mit einer bedrängenden Vorstellungswelt hat.
Wie früher schon gesagt wurde, wirkt die Onanie schädlich, namentlich
durch die heftigen Gemütsbewegungen, die häufig damit verbunden sind. Wir
müssen sie zu vermeiden trachten.
Vor allem trete man dem Trieb nicht beständig gegenüber mit grimmig
— 130 —
heiligem Ernste, hinter dem die Angst, zu unterliegen, lauert, vielmehr suche
man eine überlegen lachende Einstellung zu gewinnen, indem man etwa zu
sich selber sagt: „Glaubst du, von dir lasse ich mich wieder so leicht über-
tölpeln! Meinst, wegen des Augenblicksgenusses soll ich mir einen ganzen Tag
verderben! Nein, nein, da gibt es doch noch Dinge, die man harmloser
genießen kann, als dich vertrackten Kerl.“
Wer sagt: Ich will nicht unterliegen, ich will Sieger bleiben!, begibt
sich schon halb des Sieges, weil das „Ich will!” gar leicht die Färbung
annimmt von: Ich möchte so gern, wenn ich nur könnte. Wer sich hingegen
autosuggestiv in eine siegesgewise Stimmung zu versetzen weiß, der
kommt viel weiter. Er wird nicht sagen: Ich will!, sondern: Klar, daß ich’s
bleiben lasse! Sicher, daß ich nicht hereinfliege! Oder: Das war einmal, aber
jetzt sind wir über solche Sachen hinweg.
Ist man doch wieder einmal gestolpert, so verliere man nicht sogleich den
Kopf und sage sich ganz ruhig, daß der Körper auf ein gewisses Maß von
Inanspruchnahme eingestellt ist und sehr wohl den Schaden wieder gutmachen
kann, wenn man ihm dazu nur Zeit läßt, Aber Zeit mul3 man ihm lassen!
Immer sei man sich auch bewußt, daß man nicht der einzige Sünder auf
der Welt ist und viele Kameraden hat, die sich ähnlich plagen. Man denke
auch daran, daß man dereinst ein Mädchen in voller Kraft und Gesundheit
umfangen möchte, und daß man darum seine Energien bewahren muß, um
dann die Lust mit voller Kraft genießen und schenken zu können. Eine wahre
Liebe, die sich aber leider nicht befehlen läßt, bewahrt und erlöst zumeist.
Je länger natürlich die Onanie bestanden hat, um so schwieriger wird der
Kampf dagegen. Sie ist zur Gewohnheit geworden, die man nicht gerne ent-
behrt. Man hat sich an den Reiz gewöhnt, der um so stärker auftritt, je
mehr die Nerven gelitten haben, so daß die Geschlechtsorgane recht empfind-
lich geworden sind und auf jeden körperlichen und gedanklichen Reiz rasch
antworten. Da heißt es, sich in Geduld fassen und aufbauen an Leib und
Seele, eine Arbeit, die in manchen Fällen eine langdauernde und mühsame
ist. Da heißt es „Fastet und betet, auf daß ihr nicht in Anfechtung fallet.
Wir möchten das Gewicht auf das Wort fasten legen; also möglichst knappe,
eiweißarme Ernährung, unter Umständen aber auch eine völlige Enthaltung
von Nahrung für längere Zeit, eine Fastenkur, die durch einen Arzt, der sich
darauf versteht, geleitet werden muß. Unter Beten aber wollen wir verstehen
das Vertreiben der sexuellen Gedanken durch solche anderen Inhaltes, durch
gute Lektüre, Musik, Natur.
Wir sind am Schlusse und wollen die eingangs gestellte Frage beantworten:
Soll man die Onanie bekämpfen? Wir sagen so: Nicht den aufreibenden
Kampf gegen die Onanie wollen wir durch verfehlte Warnungen und
Drohungen veranlassen, wohl aber die beeinflußbaren Ursachen der ÖOnanie
bekämpfen, welche sind: Geheimtuerei, Mangel an richtiger Aufklärung,
Überfütterung und Stuhlverstopfung, Mangel an Bewegung und Reinlichkeit
auf körperlichem und geistigem Gebiete. Und wenn es vielleicht damit auch
nicht gelingt, die Onanie ganz zu verhindern, so wird sie doch eher in jenen
Grenzen bleiben, innerhalb derer ein Schaden ausgeschlossen ist.
NERILNTRERRTLENRENLHIHIUNHHUNISLEPUIENEIEIDTAINONEIENALANLINUNRUUEROEHOLIBTIIELALLULIUNELALUNENUDUIELAGEIIUELKLNELLRULARUILUNL
— ]8I —
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BEOBACHTUNGEN ANKINDERN
UNITITITTTTTTTTTLTTTTTITITTTTTEUTTTTTETTTTUTTPTTTTTETF LEID TLITILTTTTTTTTTTEETTTITDTTTTTTLLTTPTITTTTEEETUTPPTTPIP FETTE ETEEEPELUP PET TUTTTTTETTTTTEIETT III
Finige Beobachtungen zur Entstehung der Onanie
und der Odipussituation'
Von Gertrud Behn-Eschenburg, Zürich
Die kleine Anne (einziges Kind) kommt mit ı7 Monaten zum erstenmal
ins Strandbad. Wir setzen uns auf den Rasen und ich überlasse sie ganz sich
selbst. Erst bemerkt Anne den Sand und spielt damit, wandert dann weiter,
entdeckt plötzlich das Wasser und läuft geradewegs hinein. Sie hat eine
mächtige Freude und springt immer wieder hinein; reicht ihr das Wasser
bis unter die Arme, so quietscht sie, zieht sich zurück und beginnt das Spiel
von neuem.
Später spazieren wir unter den Leuten herum und begegnen entfernt
Bekannten mit einem wenig älteren, ebenfalls nackten, kleinen Jungen. Es ist
das erstemal, daß Anne einen nackten Jungen, überhaupt ein völlig entkleidetes,
männliches Wesen sieht. Sie setzt sich sofort direkt vor dem kleinen Buben
auf den Boden und betrachtet unverwandt und mit dem größten Erstaunen
sein Glied. Erst macht sie einige zaghafte Versuche, es mit den Händchen
zu berühren, dann unterläßt sie das und schaut nur immer hin. Auch der
Junge steht noch immer still und schaut sie an. Nun beginnt Anne bei sich
selbst zu suchen und stößt dabei die kleinen bekümmerten Laute aus, die sie
zurzeit immer äußert, wenn sie etwas nicht in Ordnung findet. Sie höckelt
noch in der gleichen Stellung auf dem Boden und sucht immer und immer
wieder von neuem, unbekümmert um alles, was um sie her geschieht. Sie
nimmt auch keine Notiz davon, daß der Junge sich ihrer Spielsachen
bemächtist hat — ein Übergriff, den sie sonst nicht ohne weiteres duldet.
Wir verabschieden uns und gehen weiter, aber immer wieder einmal bückt
sich Anne und sucht zwischen den Beinchen, bis sie schließlich wieder in
ihren Kleidchen steckt und sich auf dem Heimweg für allerlei anderes zu
. interessieren beginnt. Kaum wird sie aber zu Hause ausgezogen, um ins Bett
gebracht zu werden, fängt sie schon wieder zu suchen an und äußert sich in
der gleichen bekümmerten Weise dazu. Da ich es für möglich halte, daß
durch das bloße Sitzen in dem groben Sande und durch das beständige Suchen
ihre Haut vielleicht etwas gereizt sein könnte, pudere ich sie zwischen
den Beinchen. Anne läßt sich dadurch anscheinend beruhigen und trösten
und schläft nachher wie gewohnt schnell und ruhig in ihrem Bettchen ein.
Als ich ihr nach dem Mittagsschlafe das Nachthemdchen ausziehe, erinnert
sie sich wieder und fängt von neuem zu suchen an. Sie läßt sich aber wieder
mit etwas Einpudern ablenken. Die gleiche Szene wiederholt sich noch einige
I) Ich möchte mich hier auf die bloße Mitteilung von Aufzeichnungen aus meinem Tage-
buch beschränken und verschiebe eine Erklärung und Bearbeitung möglicher Zusammenhänge
auf später.
—.182 —
u nn
Tage beim An- und Ausziehen, allmählich geht das Interesse scheinbar mehr
auf das Einpudern über (wobei ich vermeide, das Kind zu berühren), klingt
langsam ab und erlischt in den nächsten Tagen. — Im übrigen Verhalten des
Kindes ließ sich während der ganzen Zeit keine Veränderung bemerken, es
war frisch und vergnügt wie immer.
Kurz darauf fahre ich mit Anne für einige Zeit in die Berge, und da wir
dort ganz allein wohnen, hat sie für längere Zeit keine Möglichkeit mehr,
überhaupt Kinder und also auch keine nackt zu sehen. Sie selber sonnt und
luftbadet jeden Tag, stellt aber nie mehr derartige Untersuchungen an.
Im Herbst (20 Monate) kommt zum erstenmal Annes kleiner Vetter
(10 Monate alt) auf Besuch. Er liegt in ihrem früheren Wagen, wird in
ihrer Wanne gebadet und auf ihrem Wickeltisch zurechtgemacht, schläft
aber in einem anderen Zimmer. Anne beobachtet alles sehr aufmerksam und
will besonders immer beim Baden dabei sein. Dabei schaut sie wieder
unverwandt das Glied des kleinen Jungen an und versucht auch öfters, dieses
sachte zu berühren. — Daneben ist Anne zum erstenmal ausgesprochen
eifersüchtig. Sie drängt alle Leute möglichst von mir weg und ist sehr schwer
zu bewegen, irgend jemand etwas von ihren Sachen auch nur zu zeigen oder
gar zu geben.
Anne ist deutlich erleichtert, wie der kleine Junge wieder weg-
gefahren ist.
Bei allen, immer jeweils in einigen Monaten erfolgenden Besuchen des
kleinen Vetters verhält sich Anne ähnlich, nur immer weniger ausgesprochen
und deutlich. Sie sucht noch immer, wenn möglich, bei seinem Bade und
seiner Toilette dabei zu sein, und beschaut das kleine Bübchen dann gespannt,
aber ganz stumm; sie „beherrscht“ sich schon so weitgehend, daß jemandem,
der sie nicht kennt, in keiner Weise etwas auffallen würde. Daneben wird
es Anne sehr schwer, dem kleinen Vetter ihre Spielsachen zu leihen; sie gibt
sie nur auf meinen ausdrücklichen Wunsch, und auch dann noch mit großer
Überwindung her. Dieses Verhalten ist um so auffallender, als Anne große
Freude an anderen kleinen Besuchern hat, ihnen alle ihre Sachen bringt und
friedlich mit ihnen spielt, auch wenn sie nachher den Alleinbesitz ihres
Eigentums noch besonders auszukosten scheint.
Einem ihrer Freunde, dem kleinen Jungen des Gärtners, schaut sie
gelegentlich ernsthaft beim Urinieren im Freien zu, äußert sich aber nicht
weiter darüber und verträgt sich sehr gut mit ihm.
Mit der Zeit verliert sich Annes Eifersucht auf ihren kleinen Vetter
etwas, daneben nimmt sie sich aber auch noch sichtlich zusammen. Sie fängt
an, ihm von sich aus etwas von ihrem Spielzeug zu bringen, oft sogar viel,
beinahe alles; aber wenn der kleine Mann sich selber etwas nehmen will,
dann fährt sie wie eine Wilde auf ihn los, besinnt sich aber öfters und gibt
es ihm dann. Nur eine kleine, gläserne Kugel darf er nie haben, die preßt
sie sich zwischen die Beinchen und setzt sich darauf, sobald sie in seiner
Gegenwart zum Vorschein kommt.
Mit zwei Jahren wirft Anne einmal völlig unerwartet, plötzlich und mit
aller Wucht diese Kugel nach dem Jungen, sie fuhr zum Glück noch gerade
dicht neben seinem Gesichtehen vorbei.
Im nächsten Sommer, mit 2'/, Jahren, scheint sich Anne nie mehr um
— 183 —
z nn aut mn nu
rn EEE
un.
die Andersartigkeit der nackten kleinen Jungen im Strandbad zu bekümmern,
wenigstens ist es schon jetzt unmöglich geworden, irgend etwas von außen
her zu beobachten.
Nun kommt auch ein neuer, kleiner Vetter (z Monate alt) auf Besuch.
Anne hat große Freude an ihm, sie redet immer von dem „wo noch nicht
sitzen kann, und noch nicht laufen kann, und wo noch nicht sprechen kann“.
Sie konstatiert auch sofort, daß er noch keine Zähne habe. Anne ist sehr
besorgt um das kleine Bürschchen, sie hilft, ihren Wagen für ihn herrichten,
schleppt alles zu seinem Bade herbei, bringst ihm Spielsachen und versucht,
ihn zu trösten, wenn er weint. Sie kommt sich anscheinend sehr erwachsen
und überlegen dem kleinen Wesen gegenüber vor und läßt ihre Mütterlichkeit
spielen. Aber behalten will sie ihn trotz alledem nicht, das weist sie sehr
energisch zurück. Auch äußert sie einmal, als man ihr bedeutet, sorgfältig mit
dem Wagen umzugehen, damit er nicht umkippe und das Büblein herausfalle
und Schaden nehme wie das kleine Vögelchen, das neulich aus dem Neste fiel
und liegen blieb: „dann müsse die Tante halt ein neues holen.“
Wie Anne das erstemal beim Stillen des kleinen Vetters zuschaut, ist sie
sehr erstaunt und verlegen, sie will es irgendwie nicht sehen und schaut
doch immer wieder hin. Sie spricht auch nicht darüber, obschon sie seit
kurzer Zeit nach allem und jedem zu fragen begonnen hat. Sie scheint all-
mählich zu merken, daß der Kleine Milch trinkt (Anne hat schon früher
eine säugende Hündin und eine Kuh mit einem Kälbchen gesehen und man
hat mit ihr darüber gesprochen). Sie benennt dann meine Brüste die beiden
„Nuggi (Schnuller) und fragt, ob sie auch solche haben werde, wenn sie
groß sein wird. Zu dieser Zeit verfällt Anne plötzlich in eine „Beißperiode“,
beilft mich und andere oft und schmerzhaft, mich besonders in die Brüste,
Es dauert eine Weile, bis man ihr beigebracht hat, daß sie wohl zum Spaß
etwas „schnappen“, aber nicht richtig zubeißßen dürfe. Anne ist auch sonst in
ihrer bis jetzt sehr guten und ruhigen Einstellung zu mir etwas schwankend
geworden, oft auffallend zärtlich und einschmeichelnd, dann plötzlich wieder
aggressiv und tätlich. Sie sagt gerne erst zu allem nein, um es dann aber
nachher doch zu machen. Trotz allem sie ist aber immer wieder vergnügt und
unternehmend und spielt den größten Teil des Tages für sich allein.
Anne „hilft“ eines Morgens, wie öfters, dem Mädchen beim Ordnen der
Betten im Elternschlafzimmer. Plötzlich erklärt sie dem Mädchen: „Du darfst
jetzt aber die Betten nicht mehr zusammentun.“ Das Mädchen sagt ihr, dann
gebe es ja einen Spalt dazwischen und dann könnte die Mutter aus dem
Bette fallen, worauf Anne erwidert: „Und wenn sie tot ist, dann schlafe ich
; in ihrem Bett.“
Am nächsten Morgen kommt Anne, was sie selten tut, in unser Schlaf-
zimmer, klettert auf mein Bett, will auf meinem Kopf herumtrampeln und
erklärt lachend: „Ich tw dich vertrampeln und töten gerade wie einen
Maikäfer.“ (Sie ist jetzt noch nicht ganz 2?/, Jahre alt.)
In den nächsten Tagen packe ich unsere Koffer für eine Reise, Anne
nimmt ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit kaum Notiz davon. Sie ist blaß
und müde und möchte getragen und gehätschelt werden, nach was sie sonst
kaum je Verlangen zeigt.
Nachdem wir abgereist sind, wird sie zu den Großeltern gebracht und ist
— 14 —
dort sofort wieder vergnügt und lustig. Sie zeigt, wie gewohnt, keine Spur
von Heimweh, ist aber doch sehr glücklich, wie ich sie später wieder
heimhole, |
Eines Morgens, wie der Vater fort ist, kommt Anne wieder einmal zu mir
ins Zimmer gelaufen, kriecht in mein Bett und legt sich neben mich. Sie
kratzt an ihrem Körperchen, plötzlich schaut sie mich schelmisch an und
fragt: „Soll ich wohl mit dem Fingerli dorthin in das Löchli ?“ Ich äußere
mich nicht dazu, sie tut es, riecht dann an ihrem Fingerchen und fragt
wiederum lachend: „Soll ich wohl noch einmal?“ Nachher will sie ihre
Fingerchen an meinem Taschentuch abputzen, da „ es‘ nicht gut rieche,
worauf ich ihr erkläre, daß sie mein schönes Tuch nicht für so schmutzige
Fingerchen brauchen dürfe, sie solle sie erst waschen, was sie auch ohne
weiteres tut.
Einige Wochen später liegt sie in ihrem Bettchen und fragt mich nochmals
spitzbübisch (wie wenn sie sonst nach etwas Verbotenem gelüstet), ob sie wohl
wieder mit dem Fingerchen da hinunter soll. Ich muß auch lachen und
bedeute ihr nur, daß sie das ja eigentlich selber wisse, worauf sie es auch
anscheinend unterläßt. (Dazu möchte ich noch bemerken, daß ihr direkt nie
ein Berühren ihrer Genitalien verboten worden war, da sich bis dahin noch
keine Veranlassung dazu geboten hatte.)
Um diese Zeit erscheint auch wieder ihr erster kleiner Vetter zu Besuch
und bringt noch ein neues, zwei Monate altes Brüderchen mit. Anne verhält
sich zu dem älteren Jungen (jetzt ı"/, Jahre) ähnlich schwankend, wie die
übrigen Male, über das ganz kleine Bübchen ist sie sehr beglückt und sorgt
und kümmert sich angelegentlich um es. Nachher fängt Anne intensiv mit
ihrer Puppe zu spielen an, mit der sie bis dahin nicht viel anzufangen
wußte. Nun wird alles genau so gemacht wie bei dem „ganz kleinen
Brüderchen“, und Wochen darauf sind ausgefüllt mit dem innigsten Puppen-
spiel.
Drei Beobachtungen
Von Hedwig Schaxel, Wien
Die genitale Onanie ist eine Form der Sexualbetätigung, die in der
Entwicklung jedes normalen Kindes während der ersten Lebensjahre vorkommt.
Die Erziehung, die sich eine für Kind und Umwelt günstige Triebbewältigung
zum Ziel setzt, hat hier im allgemeinen wenig Ursache, einzugreifen. Eine
positive und eine negative Aufgabe fällt ihr dabei trotzdem zu. Die negative,
von außen kommende Störungen zu vermeiden, und die positive, Störungen,
die sich zeigen, nach Möglichkeit auszugleichen und zu mildern. Die zärtliche
Bindung des Kindes an seine Umwelt hilft meist, die Schwierigkeiten zu
beseitigen, wenn diese Beziehung geschickt in den Dienst der Erziehung
gestellt wird. Drei kleine Beobachtungen sollen illustrieren, wie die Bezie-
hung Kind — Umwelt die Sexualbetätigung des Kindes mitbestimmt. —
Im ersten Fall erfüllt die Umwelt ihre erzieherische Aufgabe schlecht, weil
sie störend in die Entwicklung eingreift.
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|
Mit einem fünf Monate alten Buben spielt seine Pflegerin „abhalten“. Dabei
berührt sie sein Glied und läßt es auch nicht an bewundernden Zärtlichkeiten
fehlen. Der Bub ist entzückt über das neue Spiel und will durch stetes
Zeigen seines Körpers und Berühren seines Gliedes ständig Wiederholungen
erzwingen. Um diese ungünstige Reaktion abzustellen, wird das Spiel eingestellt
und sein Sich-zur-Schau-Stellen konsequent ignoriert. Damit er das veränderte
Benehmen der Umgebung nicht als Kränkung empfinden kann, spielt man mit
ihm andere Spiele, die sein Interesse vom eigenen Körper ablenken Nach
einigen Tagen ist die kleine Störung anscheinend wieder beseitigt, das Kind
hat die übermäßige Zeigelust und die intensive onanistische Betätigung wieder
aufgegeben und seinen guten Kontakt mit der Umwelt beibehalten. Das
Zuviel an Bewunderung hatte seine Entwicklung gestört und seine Auf-
merksamkeit auf seinen eigenen Körper konzentriert. Dieses Zuviel mußte
' unterbleiben, und seine Wirkung mußte rückgängig gemacht werden. Durch
das einfache Mittel der Ablenkung wurde anscheinend wieder alles ins
richtige Geleise gebracht.
ll
Etwas anders liegen die Verhältnisse beim zweiten Fall. Mit zwölf
Monaten hat die kleine A. ein leichtes Ekzem an der Scheide und etwas
Ausfluß. Um die lokale Behandlung nicht zu stören, muß man ihr die
Onanie verbieten. Die Erzieherin erklärt ihr, sie habe ein kleines Wehweh,
das müsse Ruhe haben, damit es ausheilt, sie müsse die Händchen weggeben.
Die ganze Mitteilung wird in ruhigem, freundlichem Ton gemacht. Die
Wirkung ist unerwartet stark. A. beginnt heftig zu weinen und betrachtet
voll Abscheu ihre Hände. Ihre Stimmung bleibt den ganzen Tag gedrückt.
Zufällig bringt ihr am Abend die Mama, die von dem ganzen Vorgang nichts
weiß, eine Korallenkette gegen das Zahnen. Daraufhin beschäftigt sich A.
nur noch mit der Kette und ist wieder völlig heiter und unbefangen. Nach
wenigen Tagen bekam sie ihre Onaniefreiheit wieder. Ob sie davon Gebrauch
machte, konnte ich nicht feststellen, weil sie bald darauf aus meinem
Gesichtskreis entschwand.
Hier hatte ein günstiger Zufall die Situation serettet. Das Onanieverbot
hatte eine unbeabsichtigt starke Wirkung, die wir nicht gleich mildern
konnten. Der Liebesbeweis der Mutter und die Befriedigung der Eitelkeit
durch die Kette, um die sie die anderen Kinder lebhaft beneidete, haben
das Gleichgewicht wieder hergestellt.
II
Der dritte Fall zeigt eine frühe Relation von Onanie und Angst. Zu
seinem zweiten Geburtstage bekommt R. ein Schaukelpferd. Der sehr strenge
Vater setzt ihn selbst darauf und läßt ihn reiten. Des Kind findet nach
Überwindung der ersten Ängstlichkeit bald intensives Vergnügen am Reiten
und onaniert dabei, indem es die Schenkel anpreßt und auf dem Sattel hin
und her rutscht. Der Bub macht den Papa und die Mama auf sich auf-
merksam, so daß man vermuten könnte, gerade die Billigung der Eltern
— 18060 —
erhöhe die Lust. Nachmittags schaukelt ihn die kleine Cousine. Sie bewest
ihn wohl zu stark, denn plötzlich rutscht das Kind. Es kommt aber zu
keinem Fall, denn die herbeieilende Pflegerin fängt das sanft gleitende Kind
in ihren Armen auf. Trotzdem bekommt der Bub einen Ohnmachtsanfall,
kommt nach drei, vier Minuten wieder zu sich, bleibt aber ganz blaß und
verstört. Die Tante, der R. sehr zugetan ist, nimmt ihn auf den Schoß,
tröstet ihn und gibt ihr Wolltuch über den Kopf des bösen Pferdes.
Daraufhin beruhigt sich das Kind sichtlich. Es läßt sich nach einiger Zeit
sogar selber aufs Pferd setzen. wenn der Kopf mit dem Tuch bedeckt ist,
aber es fühlt sich ängstlich auf dem Pferd und sitzt steif und ohne Bewegung.
Am nächsten Tag will die Tante wieder ihr Tuch wegnehmen, da bittet R.
flehentlich, das Pferd weg zu lassen — weg ist, was er nicht sieht. Ein
Handtuch erfüllt den selben Dienst nicht, er ist erst zufrieden, wie das
Wolltuch wieder das Pferd bedeckt. Ermahnungen, nicht zu onanieren, hatte
das Kind von Vater und Mutter oft erhalten. Sie waren stets in ruhigem,
freundlichem Ton gegeben worden. Das hindert natürlich nicht, daß die
Onanie doch mit einem Verbot belegt wird für die Auffassung des Kindes,
und es war auch von den Eltern so gemeint. Der Sturz vom Pferde wird
vom Kinde ganz offensichtlich mit der Onanie in Verbindung gebracht. Die
Folgen, die das Kind befürchtet, sind viel größer als die wirklichen. Das
Wolltuch der Tante ist der Liebesbeweis, der ihm die Zuversicht wieder
gibt. Solange das Liebespfand so sichtbar es schützt, sind die Gefahren
gebannt — das neutrale Tuch kann diesen Zweck nicht erfüllen.
Die Beseitigung der augenblicklichen Störung gelingt verhältnismäßig leicht,
das wollte ich an diesen Beispielen zeigen. Ob mehr damit geleistet wird
und werden kann, möchte ich nicht entscheiden. Die analytische Forschung
ist davon ausgegangen, neurotische Symptome zu verstehen und zu beseitigen.
Unsere erweiterte Kenntnis ermöglicht es uns, die Neurose abzubauen. Ich
glaube, ein ähnlicher Weg wird auch für die Erziehung gangbar sein. Wir
müssen uns auch jetzt noch damit bescheiden, Symptomtherapie zu treiben;
die Erfahrung, die wir dabei sammeln, wird uns später instand setzen, kausal
und prophylaktisch erfolgreich zu arbeiten.
Die Eltern und die Onanie ihrer Kinder
Von Dr. Alfhild Tamm, Stokholm
Ein sechsjähriger Knabe wurde zu mir geschickt, weil er vor ungefähr
einem Jahre angefangen hatte, heftig zu stottern. Früher hatte er nur ein
wenig abgehackt gesprochen. Die Eltern konnten keine Ursache der Ver-
schlimmerung angeben. Der Kleine war sehr unaufmerksam und plauderte
immerfort. Anfangs hörte ich ihn bloß an. Ich hatte mich über die Zahl
und die Namen der Geschwister erkundigt, und es fiel mir auf, daß der
Knabe einen um zwei Jahre älteren Bruder nie erwähnte, während er wieder-
holt von den anderen sprach. Schließlich fragte ich nach ihm, Der Patient
wurde dabei feuerrot, begann heftig zu stottern und sagte: „Er ist so böse,
— 197 —
daß ich von ihm nicht sprechen will.“ Ich versuchte ihn zu beruhigen und
sagte ihm, er solle mir ruhig sagen, was der Bruder wohl angestellt hatte.
Allmählich teilte er, teils mit Worten, teils mit Gesten, mit, der Bruder habe
ihm die Onanie beigebracht und verbotene Worte gelehrt. Die Mutter hatte
beides entdeckt und ihn geschlagen. Weil der Bruder ihn nicht in Frieden
ließ und die Mutter ihm mit Strafen drohte, lebte er in stetiger Angst.
Die Zeit, da die Verschlimmerung des Stotterns entstand, fiel mit der
Bestrafung für die Onanie usw. zusammen. Wahrscheinlich bestand ein
Zusammenhang. Ich versuchte den Kleinen zu beruhigen, und er sprach sofort
besser. Um ihn zu heilen, wäre es notwendig gewesen, ihn vor dem Einfluß
des Bruders zu schützen und das Verhalten der Mutter zu ändern. Ich konnte
aber nichts ausrichten, weil die Eltern ganz verständnislos waren,
Das Verhalten der Eltern ist leider oft sehr unvernünftig, wenn es sich
um Onanie ihrer Kinder handelt. Eine Mutter sagte mir: „Was soll ich
gegen die Onanie meines Sohnes machen? Sie verschlimmert sich immer, und
ich kann ihn wohl nicht jeden Tag schlagen.” Eine andere Mutter band
während der Nacht die Hände ihrer fünfjährigen Stieftochter und bewachte
sie den ganzen Tag. Die Onanie nahm aber immer zu.
Onanie
Beobachtungen und Gedanken eines Anstaltslehrers
Von Leonhard Schwarz, Dinkelsbühl
Bei meiner langjährigen Tätigkeit an einem Erziehungsheim für Fürsorge-
zöglinge ist es wohl nicht zu verwundern, daß ich neben mannigfaltigen
Beobachtungen anderer Art auch solche über Onanieren machen konnte. Es
liegt allerdings in der Art des Objektes (man nennt ja in vielen Kreisen die
Onanie die „geheime Sünde“), daß die Beobachtungen nicht so exakt
verlaufen konnten, wie solche über Trotz, Lügenhaftigkeit oder Bettnässen.
Leider waren meine Beobachtungen auch nur auf onanierende Knaben
beschränkt. Dazu mußte ich mir in manchen Fällen die Behandlung ersparen,
weil ich, besonders am Anfang meiner erziehlichen Tätigkeit, über manche
Punkte nicht restlos klar war und nicht wagte, mit halbem Wissen erzieherische
Eingriffe zu tun. Wo ich aber zur Behandlung geschritten bin, habe ich
sicherlich nicht den schlechtesten Weg eingeschlagen.
1) Häufigkeit des Vorkommens
Ich kann mich noch gut an eine Stunde aus meiner Studienzeit erinnern,
in der der Lehrer gelegentlich der Besprechung der Geschlechtskrankheiten
auch die Frage der Onanie streifte und sich dabei in folgender drastischer
Weise ausdrückte: „Die Onanie war bei den alten Völkern so verbreitet
wie bei uns. Und ob die alten Griechinnen und Jüdinnen nun ihre Finger
genommen haben oder besonders dazu hergestellte Goldstifte, ist ja an und
für sich gleichgültig.“ Wer keinen Einblick hat, ahnt jedenfalls gar nicht,
— 1885 —
in welch sroßem Maße die Onanie unter den Angehörigen beider Geschlechter
verbreitet ist. Mich nahm es daher gar nicht wunder, daß ich gar bald
nach meinem Eintritt in das Fürsorgeerziehungsheim mit dieser Erscheinung
auf sexuellem Gebiet bekannt wurde. Eines Tages wurde der Fall bekannt,
daß ein Zögling onaniere. Die Erzieher setzten sich zusammen und im Ver-
laufe der Unterredung wurde der Vorschlag gemacht, doch einmal die Buben
und Mädchen aus dem Heim zusammenzustellen, von denen man genau
wisse, daß sie onanieren und dann die, von denen man es ahne oder für
sehr leicht möglich halte. Das Ergebnis war erschreckend, obwohl der
Versuch zum großen Teil auf Schätzung beruhte. Aber wer weiß, ob nicht
auf jeden, dem wir Unrecht taten, zwei trafen, die wir zu gut einschätzten ?
Das Verhältnis hat sich im Laufe der Jahre nicht gebessert, und ich muß
gestehen, nicht ganz ohne Schuld der Erzieher, die aus verschiedenen Gründen
den Karren laufen ließen, wie er eben lief. — Ich habe in der letzten Zeit
die Ansicht vertreten hören, daß die Onanie unter den Mädchen mehr
herrschen solle als unter den Buben. Vielleicht ist jemand in der Lage, die
Behauptung zahlenmäßig zu beweisen oder aber zu widerlegen.
2) Auslösung der Onanie
Ich hatte in der letzten Zeit wiederholt Gelegenheit, Kinder im Säuglings-
alter auf ihr Gebaren hin zu beobachten. Dabei bemerkte ich an einem
Knaben, daß er sich rein triebmäßig mit seinen Geschlechtsteilen beschäftigte.
Ob hier der Spieltrieb oder aber der Geschlechtstrieb die Hauptrolle spielte,
ist jedenfalls zweifelhaft. Die Geschichte von der Mutter oder dem Kinder-
mädchen, die den Kleinen dazu verleitet hätten, ist hier nicht zutreffend,
weil die Mutter das Kindermädchen peinlich überwacht und weil sie selber
das Spielen zu verhindern sucht durch sofortiges Wegziehen der Händchen
und Ablenkung auf passenderes Spielzeug. So bleibt hier nur der Trieb als
Ursache für die Anfänge der Onanie. Damit soll natürlich nicht gesagt sein,
daß der Knabe später tatsächlich Onanist werden muß.
Innerhalb der Anstalt waren natürlich Nachahmungstrieb, Suggestion,
Furcht vor den Kameraden, als Feigling oder als Kratzer (Spezialausdruck
unserer Kinder für Schmeichler) zu gelten, von großer Bedeutung. Der tiefere
Grund liegt aber meines Erachtens am Mangel einer rechtzeitigen Aufklärung
über geschlechtliche Dinge durch die Eltern oder Erzieher. Damit ist der
Aufklärung durch die Gasse oder durch Altersgenossen, falschen, phantastischen
Vorstellungen und damit auch der Selbstbefriedigung Tür und Tor geöffnet.
An günstigen Örtlichkeiten zum Ausüben der Onanie fehlt es natürlich in
einer Anstalt ebensowenig als im Leben außerhalb der Anstalt. Das geht
klar hervor aus folgenden Reden und Gegenreden, die einem als Erzieher,
gewollt oder ungewollt, zu Ohren kommen. „Der... hat heute nacht eine
Schweinerei getrieben.“ — „Sei nur du ruhig, du warst ja beim... im
Bett.“ — „Und du hast dein Hemd aufgehoben und hast noch gesagt:
Schaut her!“ — Der letzte Ausspruch zeugt davon, daß die „Sünde“ gar
nicht immer so „geheim“ ist. Oder: „Von dir sage ich heute, was du im
Abort getan hast.“ — „Das kannst du ja; dann sage ich halt das, was du
heute beim‘ Umspaten dem.. erzählt hast von damals, wie du krank warst.“
— „Ach geh’, du treibst es ja in der Schule.“ ;
— MI —
Daß auch einmal eine scheinbare Kleinigkeit die Ursache der Onanie
sein kann, erfuhr ich gelegentlich der Analyse eines onanierenden Knaben.
Er erzählte, daß er beim Klettern an den eisernen Turnstangen auf einmal
ein so wohliges Gefühl empfunden hätte, daß er schier die Stange losgelassen
hätte und heruntergefallen wäre. Das Gefühl oder, psychologisch ausgedrückt,
die stark lustbetonte Organempfindung reizte ihn und er kletterte von dem
Tage an mit einer wahren Begeisterung. Er suchte und fand schließlich
Wege, sich dieses Lustgefühl auch ohne Kletterstangen zu verschaffen, und
ward Onanist. Man wird verstehen, daß ich seitdem genau darauf achte,
daß beim Klettern das Andrücken des Unterleibes an die Kletterstangen
vermieden wird. — Es wäre mir interessant, einmal einen Arzt darüber zu
hören, wie die Ernährung, besonders der Eiweißgehalt der Nahrung, mit dem
Onanieren zusammenhängt.
3) Beziehungen der Onanie zu anderen Erscheinungen
a) Onanie und Bettnässen
Wir hatten in unserem Erziehungsheim einen Zögling, das Kind einer
Familie aus höheren Gesellschaftskreisen, Der Vater brachte ihn eines Tages
mit dem Auto angefahren, stellte seinen Sohn vor als Trotzkopf ohnegleichen
und als unverbesserlichen Onanisten, zahlte das Kostgeld für einige Monate
voraus und fuhr wieder davon. Später erfuhren wir, daß der Vater, übrigens
nur Adoptivvater, nur ein Erziehungsmittel kannte, von dem er allerdings
ausgiebigsten Gebrauch machte, nämlich die körperliche Züchtigung. Damit
ist allerdings bei Trotz und ÖOnanie am wenigsten gewonnen. Der Bube
wurde nun genau beobachtet, ob er auch in der Anstalt onaniere. Selbst-
verständlich waren dieser Beobachtung bestimmte Grenzen gestelli. Aber
immerhin mußte es auffallen, daß bei dem „unverbesserlichen Onanisten“ nicht
ein Fall von Selbstbefriedigung bemerkt wurde. Darüber allgemeines Befremden.
Man suchte die Ursache der plötzlichen Besserung in der neuen Umgebung,
in der Ablenkung durch die Menge Kinder, die ihn umgaben, in der anders-
gearteten, vor allem aber regelmäßigen Ernährung, Aber das Befremden
bezog sich gar bald auf eine andere, mehr positive Tatsache. Der Knabe
entpuppte sich als Bettnässer der schlimmsten Sorte. Kaum verging einmal
eine Nacht, während der er nicht einnäßte. Weckten wir ihn um zehn Uhr,
so hatte er bestimmtum ein Uhr das Bett naß. Weckten wir ihn um zehn Uhr,
zwölf Uhr, drei Uhr und fünf Uhr, so kam es vor, daß er noch um halb
sieben Uhr einnäßte. Nach zuverlässiger Aussage der Eltern hatte er daheim
so selten naß gemacht, daß es überhaupt nicht der Rede wert war. So
blieb uns damals nur der Schluß übrig, daß das Bettnässen ein Ersatz für
Onanie sei. Ich konnte übrigens auch feststellen, daß Onanie und Bettnässerei
nebeneinander hergingen ; doch traf das nicht immer zu.
b) Onanie und Sadismus
Ich war einmal mit den Buben des Erziehungsheimes auf dem Spielplatz,
wo die einzelnen Zöglinge ihre eigenen Gärtchen haben, in denen sie meist
Blumen oder Beerensträucher zogen. Da fiel mir auf, wie einer unserer
Begabtesten, der mir jedoch als Onanist bekannt war, einem Jüngeren in
— [00 —
einem Ton, der einem Napoleon Ehre gemacht hätte, befahl: „Hole mir
Wasser!" Der Jüngere gehorchte auch schier willenlos. Ich beobachtete von
dieser Zeit an den Jungen mit dem Herrschergebaren genauer und machte
dabei allerlei Erfahrungen. Der junge Napoleon tyrannisierte eine ganze
Reihe jüngerer und selbst gleichaltriger Kameraden. Sie holten ihm Wasser,
sie putzten ihm die Stiefel, sie trugen seine zerrissenen Strümpfe zum
Stopfen, sie liefen auf Befehl davon und legten sich auf Befehl zu Boden
und lHeßen sich von einigen Kumpanen, die der Tyrann sich für den
besonderen Zweck abgerichtet hatte, schlagen. Er selbst legte nicht immer
selbst mit Hand an, stand dann. zähnefletschend und wollüstig grinsend zur
Seite, gab nach einiger Zeit den Befehl, das Opfer frei zu geben, aber nur,
um es erneut fangen und quälen lassen zu können. — Ein weiterer Fall
ist mir bekannt, wo sadistische Regungen durch Önanie abgelöst wurden
und wo später die Onanie wieder sadistischen Betätigungen wich,
c) Onanie und Masochismus
Ich hatte in der Schule einen etwas schwächlichen Knaben, der mir
durch seine Zerstreutheit und häufige völlige Geistesabwesenheit auffiel, bis
ich dahinterkam, daß er während des Unterrichtes onanierte. Derselbe
Junge stand in dem Rufe, man könnte an ihm ein paar Stöcke abschlagen,
und er würde sich nichts daraus machen. Wenn er wirklich einmal Schläge
bekam, dann schrie er nur, als ob er am Spieße stäke, grinste aber nach
einigen Minuten wieder mit dem ganzen Gesicht. War das schon auffallend,
so bekräftigte mich noch eine andere Beobachtung in meinem Verdacht, dal
der Junge masochistisch veranlagt sei. Er hatte nämlich eine eigene Art, sich
seine Zeit, vor allem die langen Sonntagnachmittage, zu vertreiben. Er
frotzelte, auf deutsch neckte, und ärgerte einige seiner Kameraden so lange,
bis denen der Geduldsfaden riß und bis sie ihm nachsetzten. Darauf hatte
es aber der Gauner ja nur abgesehen; denn, war er schon ein Schwächling,
so lief er doch wie ein Windhund. Er riß die schönsten Haken und brachte
dadurch seine Verfolger in noch größere Wut. Wenn ihm einer der Nach-
setzenden zu nahe kam, so warf er sich doch blitzschnell zu Boden, daß der
andere über ihn stolperte und auf die Nase fiel. Drei, vier rannten ihm oft
nach, keuchten und schimpften. Und er? Scheinbar ohne große Anstrengung
wich er seinen Verfolgern immer wieder aus und drehte ihnen die Nase,
bis ihm die Geschichte plötzlich nicht mehr gefiel. Dann warf er sich glatt
auf den Bauch, zog den Kopf möglichst ein, versteckte die Hände, so gut es
ging, und harrte der Dinge, die da kommen sollen. Die ließen auch gar nicht
lange auf sich warten. Im nächsten Augenblick schon fielen die Verfolger
über ihn her wie die Wölfe, schlugen auf ihn ein, vertrommelten ihn mit
den Fäusten, zogen ihn an den Haaren, und das ließ er sich alles gefallen,
geduldig wie ein Lamm. Plötzlich sprang er dann wieder auf, bleckte allen
die Zunge, und das schöne Fangspiel mit dem Paukenwirbel am Schluß
begann von neuem.
Sicherlich sind die Beziehungen zwischen Bettnässen, Sadismus, Masochismus
und ÖOnanie nicht zufälliger Art. Vielmehr fasse ich all die Erscheinungen
als Irrwege der geschlechtlichen Entwicklung auf, die ineinander einmünden
oder auch nebeneinander herlaufen,
4) Hat die Onanie nachteilige Folgen ?
a) Auf den Körper ?
Als ich einmal einen Herrn, der in heilpädagosischen Kreisen einen
klingenden Namen besitz, um seine Meinung über etwaige üble Folgen
der Onanie befragte, machte er die Frage sehr kurz ab mit folgenden
Worten: „Was nur die Leute immer mit dieser Onanie haben! Ein Butter-
brot mehr, und die Geschichte hat sich gehoben.“ Was sagen dazu Ärzte ?
Es würde mich freuen, darüber einiges zu hören.
b) Auf den Geist ?
Was nun die Frage anbetrifft, ob die Selbstbefriedigung für den Geist
schädliche Folgen hat, so weiß ich aus meinen Analysen und Beobachtungen,
daß es hier nie und nimmermehr mit einem Butterbrot abgetan ist. Ich
will nur einen Fall beschreiben: Der Junge, ich will ihn einmal Hans
heißen, wurde im Laufe der berüchtigten Aufklärung durch Altersgenossen
zur Önanie verleitet. Die Sache gefiel ihm bald so gut, daß er fast Tag für
Tag der Lust frönte. Eine halbe, einseitige Aufklärung aus dem Munde
eines Geistlichen konnte ihm nicht helfen. Um sein sechzehntes Lebensjahr
erlebte Hans infolge seines Onanierens den ersten Samenerguß. Darüber
erschrak er dermaßen, daß er durch sein bleiches Aussehen und durch
seine minderwertigen Leistungen in der Schule Kameraden und Lehrern
auffiel. Zu allem Unglück zeigte sich in seinem Gesicht noch eine völlig
harmlose Flechte, und Hans dachte nicht anders, als er wäre geschlechtskrank,
und zwar infolge seines Onanierens.. Die Kameraden hänselten ihn ob seines
Aussehens, fragten ihn, wo er denn seine Nächte zubringe, und verwirrten
ihn noch mehr. In seiner Angst lief er zum Spezialarzt für Geschlechts-
krankheiten. Der untersuchte ihn und fragte ihn, was er denn eigentlich
haben wolle, ob er vielleicht bei einem Mädchen gewesen sei. Die letzte
Frage verneinte er natürlich mit gutem Gewissen, wagte aber nicht einzu-
gestehen, daß er onaniert habe. Vielleicht wären ihm dadurch viele Gewissens-
und Seelenängste erspart geblieben. Der Arzt erklärte ihn für gesund, was
bei Hans eine Stimmung auslöste, als ob er sich im siebenten Himmel
befände. Seine Leistungen steigerten sich, sein Aussehen wurde langsam
wieder besser, Wochenlang unterließ er das Onanieren. Da wurde er wieder
einmal schwach. Die Folge davon war ein Angsttraum, und dessen
Folge war eine Pollution. Er erlebte nach _ seinen Aussagen an
dem Morgen ein Erwachen - mit Schrecken. Denn irgendwo hatte
er einmal etwas aufgefangen von einem Gespräch über Weißfluß, und von
neuem tauchte das Gespenst der Geschlechtskrankheit auf. Man braucht nur
zurückzudenken, welch gräßliche Vorstellungen man sich selbst früher von
den. Geschlechtskrankheiten machte, um begreifen zu können, daß Hans
furchtbare Wochen erlebte, bis er wieder zum Arzte ging. Der fragte ihn
noch verwunderter wie das erstemal, erklärte ihn zum zweitenmal für
gesund, steckte jedenfalls mit derselben Selbstverständlichkeit wie das erstemal
das Geld für: die Untersuchung ein, verstand aber nicht, die Angst aus den
' Zügen seines Patienten (Hans war nämlich trotz aller Gesunderklärung krank)
zu lesen, den Fall zu analysieren, den armen Hans sachgemäß aufzuklären
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und ihn zu erlösen aus seiner Angst und Qual. Die ganze Tätigkeit bzw.
Untätigkeit des Arztes hatte auch lediglich den Erfolg, daß Hans weiter
onanierte. So gut ich konnte, holte ich nach Monaten das nach, was der
Arzt damals versäumt hatte. Leider ist Hans seitdem aus meinem Gesichts-
kreis gerückt. Doch bekam ich später einmal einen Brief, worin er mit
mitteilte, daß er seit einem Jahre nicht mehr onaniere.
5) Behandlung der Onanie
Es gibt eine Richtung in der Erziehung, die da besagt, Erziehung wäre
Aufsicht. Wenn du das Kind vor allen Übeln behütest und bewahrst, so muß
es ein sittlicher Charakter werden. Bezüglich der Behandlung der Onanie
heißt das: Halte dich ständig in unmittelbarer Nähe deines Kindes auf,
hänge die Aborttüren aus oder schraube wenigstens die Schlösser ab und lege
deinen Zögling des Abends gefesselt ins Bett. Es wird wohl niemand geben,
der das noch Erziehung heißen möchte. Eine andere Richtung sagt: Keine
Erziehung ist die beste Erziehung. Man lasse das Kind sich frei entfalten,
und es wird alles gut werden. Auf die Behandlung der Onanie angewandt,
heißt das: Man lasse die Kinder onanieren, so lange sie wollen. Sie werden
von dem krummen Weg schon wieder zurückfinden auf den geraden Weg.
Wenn sie nun aber nicht mehr zurückfinden? Hat dann nicht der Erzieher
sich vor die Stirne zu schlagen und sich zu sagen: „Durch meine Schuld ?”
Grundsätzlich zwar verschieden von dieser Gruppe von Erziehern, aber doch
wieder mit ihnen harmonierend durch den gemeinsamen Weg, ist eine andere
Art von Erziehern. Sie wissen, daß ihre Kinder der Onanie verfallen sind,
wagen aber aus Schamgefühl nicht, die kitzliche Frage anzugehen. Auch sie
können eine Schuld auf sich laden, die sich unter Umständen nie mehr gut-
machen läßt. — Erziehung ist und bleibt eben nicht tatenloses Zusehen,
sondern ist positives, zielbewußtes Einwirken eines Mündigen auf einen
Unmündigen. Selbstverständlich darf die Erziehung nicht bei den unmittelbaren
Maßnahmen stehenbleiben, sondern der Erzieher muß bei zunehmendem
Alter des Zöglings allmählich zurücktreten; an die Stelle der Fremderziehung
muß langsam die Selbsterziehung treten. Auch in der Behandlung der Onanie
darf hierin keine Ausnahme gemacht werden. Rückhaltloses Vertrauen des
Kindes zum Erzieher, gründliche Analyse des Falles, vernünftige Aufklärung
über die geschlechtlichen Dinge und dann dem Kinde helfen und immer
wieder helfen in seinem Kampfe gegen sich selbst, das muß der Weg sein,
der aus dem Irrgarten jugendlicher Verfehlungen wieder hinüberleitet auf die
ebene Straße des Lebens. Daß daneben eine entsprechende körperliche
Erziehung, eine vernünftige Ernährung, auch Selbstbeherrschungsübungen
gute Dienste leisten können, ist wohl klar. Genauere Ausführungen darüber
kann ich mir ersparen.
Meine vorstehenden Darlegungen beruhen zum größten Teil auf
Beobachtungen an Fürsorgezöglingen. Nun glaube ich aber nach meinen
sonstigen Erfahrungen mit gutem Gewissen behaupten zu können, daß
außerhalb der Anstalten die Onanie nicht viel weniger verbreitet sein wird
als in Internaten.
Fin Beitrag zur analen Masturbation
Von Dr. E. St.
Eine junge Mutter wandte sich an mich um Hilfe wegen der Schwierig-
keiten, die sie mit dem Stuhlgang ihres fünfmonatigen erstgeborenen Knaben
hatte. Der Kleine, ein gut entwickeltes, normales Brustkind — ich hatte
Gelegenheit gehabt, ihn in den ersten Wochen seines Lebens genau zu
beobachten — hatte, wie die Mutter behauptete, eines Tages durch mehr als
24 Stunden keinen Stuhl gehabt. Der herbeigeholte Kinderarzt riet zu einem
Einlauf, Da ergaben sich nun die Schwierigkeiten mit dem Stuhlabsetzen. Die
Mutter hatte nämlich, wie sie selbst angab, wenig Erfahrung in der Kinder-
pflege und getraute sich nicht, dem Kind einen richtigen Einlauf zu geben;
sie probierte „die Darmtätigkeit durch Hin- und Herfahren mit dem Darm-
rohr im Mastdarm anzuregen“ und erzielte tatsächlich auf diese Art und
Weise einen Stuhlabgang. Von da an aber war der Kleine nur mehr zu
einem Stuhlabsetzen zu bringen, wenn vorher das Darmrohr im Mastdarm
hin und her bewegt wurde. Ich konnte selbst beobachten, daß das Kind bei
dieser Prozedur deutliches Wohlgefallen bezeigte, die Bewegungen des Darm-
rohrs durch rhythmische Bewegungen seines Beckens zu unterstützen versuchte
und, wenn diese Prozedur nicht so lange dauerte, als es ihm offenbar
angenehm war, eine Fortsetzung durch Schreien erzwang. Oft mußte dies
zwei- bis dreimal im Tag gemacht werden, dann erst hatte der Kleine Stuhl.
Wenn man dieses Spiel mit dem Darmrohr unterließ, erfolgte kein Stuhl-
abgang, so daß die Mutter dieses Mittel immer wieder in Anwendung
brachte, um Stuhl zu erzielen, Dieser Zustand dauerte schon zwei Monate,
Ich machte die junge Mutter auf die Gefahren einer so übermäßigen Reizung
der analen Zone aufmerksam und erzwang einen richtigen Einlauf, der auch
nach einigen Schwierigkeiten Erfolg hatte. Mit dem Stuhlabsetzen ging es
dann weiterhin ganz glatt, nur bei der Reeinlichkeitsgewöhnung machte der
Kleine in der Folge Schwierigkeiten. Er bezeigte übermäßiges Interesse für
seinen Kot, sal möglichst lange auf dem Töpfchen, versuchte mit den
Fäkalien zu spielen und etwas in den After zu stecken. Als er zu sprechen
begann, nannte er alles, was ihm besonders lieb und wert war, auch die
Eltern „Kaka, Gegenwärtig, nach Durchführung der Reinlichkeitsgewöhnung,
ist der Kleine mit seinen zweidreiviertel Jahren ein stilles, intelligentes,
aber grüblerisch und pedantisch veranlagtes Kind, das an einem Händewasch-
zwang leidet, von Zeit zu Zeit ganz unmotivierte Wutanfälle hat und in
seinen Spielen deutlich zwangsneurotische Züge erkennen läßt.
Aus diesen kleinen Beobachtungen kann man ersehen, wie durch die früh-
zeitige Reizung der analen Zone — die Manipulation mit dem Darmrohr ist
wohl als ein Äquivalent analer Masturbation aufzufassen — eine deutliche Fixierung
auf der analen Stufe geschaffen wurde. Hervorzuheben wäre noch, daß beide
Eltern dieses kleinen Jungen stark analerotische Charakterzüge aufweisen und
seit Jahren besonderes Interesse an der Regelmäßigkeit ihres Stuhlganges
haben, für den immer durch allerhand Kuren und Mittel gesorgt wird. Die
Mutter hatte, wie sie später selbst zugab, der ersten Stuhlverstopfung allzu
große Bedeutung beigemessen und dies auch in der Folge getan, da sie von
allzu großer Sorge für einen regelmäßigen Stuhl ihres Kindes erfüllt war,
— 194 —
N
bei dem sie von vornherein dieselben Schwierigkeiten in der Verdauung
voraussetzte, an denen sie und ihr Mann zu leiden hatten. So kann man in
dieem Fall annehmen, daß die durch die Analerotik der Eltern bedingte
konstitutionelle Anlage durch das akzidentelle Moment der übermäßigen
Reizung der analen Zone infolge der Manipulationen mit dem Darmrohr
verstärkt und dadurch die Grundlage für die späteren analerotischen Charakter-
züge des kleinen Jungen geschaffen wurde. | |
Frinnerungen an Onanie
Anna X., deren Erinnerungen über Onanie hier folgen, ist zo Jahre alt, körper-
lich und geistig sehr gesund, kräftig. Als Schulkind war sie oft krank, seitdem
aber — außer einer normal verlaufenden Grippe vor zehn Jahren — nicht mehr.
Sie leistet eine körperlich wie geistig anstrengende Arbeit, die viel seelische Fähig-
keiten und Überwindung verlangt.
An den Beginn der OÖ nanie erinnert sie sich nicht, da sie, wie Anna sagt,
immer da war. Sie kennt auch kein Erwachen der Erotik, da ihre Liebesgefühle
für das andere Geschlecht in die frühe Kindheit zurückgehen und sie darin eine
große Treue bewiesen hat.
Erste Erinnerung: Mit etwa ein bis anderthalb Jahren hatte sie eine
Gebärmutterentzündung. Sie saß bei der Untersuchung auf den Knien des Vaters
und wurde vom Arzte „dort“ untersucht.
Zweite Erinnerung: Sie ist noch ganz klein und sitzt am Mittagstische.
Plötzlich gibt sie trotz inneren Widerstrebens dem Drange nach und onaniert. Der
Vater sagt: „Jetzt fängt sie das auch noch bei Tische an.“
Spätere Erinnerungen: Sie schläft bei den Geschwistern und verspricht
ihnen Süßigkeiten, wenn sie sofort schlafen. Sie wartet ungeduldig auf die regel-
mäßigen Atemzüge der Schlafenden, um sich dann zu befriedigen.
Später schläft sie bei der Großmutter. Hier wartet sie den Moment ab, wo die
Großmutter allabendlich in der Bibel liest und halblaut vor sich hin spricht.
Obschon Anna sehr religiös ist, konnte sie bis heute noch nie in der Bibel lesen,
und obschon sie seit Jahren eine für sich kaufen wollte, kam sie nie dazu. Sie
errötet heute noch, wenn von der Bibel die Rede ist, so, als würde sie bei etwas
Unerlaubtem ertappt. Trotzdem weiß sie viele Bibelstellen auswendig. Woher sie sie
kennt, weiß sie nicht, da zu Hause von den Eltern und Geschwistern nie in der Bibel
gelesen wurde und nie religiöse Gespräche geführt wurden.
Hatte die Großmutter fertig gelesen, dann aß sie regelmäßig einen Apfel. Da
sie ein Gebiß hatte, schmatzte sie, und das war der günstige Moment, wo Anna den
Höhepunkt des onanistischen Aktes erreichen konnte, ohne Gefahr zu laufen,
ertappt zu werden. Es kam natürlich oft vor, daß Sie gestört wurde. Dann galt
es, sich rasch zu beherrschen. Ihrer Beherrschtheit wegen wird sie heute noch oft
bewundert; selbstverständlich ist sie jetzt auf das ganze Leben übertragen,
Später, als der Vater gestorben war, schlief Anna bei der Mutter. Wieder galt
es, den günstigsten Moment abzupassen, und der war, wenn die Mutter schnarchte.
Sie zählte die Töne und wußte, wann der Schlaf am besten war. Samstags, wenn
die Mutter badete, wartete sie den Augenblick ab, wo sie das Wasser laufen ließ.
Anna konnte ihr Geheimnis durch die ganze Jugend hindurch bewahren, ohne
daß ein Mensch nur eine Ahnung davon gehabt hätte, da sie gesund und stark war.
Erst spät fiel ihr ihre Zwangsvorstellung, die sie während der Onanie hatte, auf,
als sie von anderen hörte (sie vernahm, daß 90 Prozent der ihr bekannten Mädchen
onanierten), daß sie sich dabei den Geschlechtsakt mit dem Manne vorstellten. Sie
dagegen hatte dabei die Vorstellung des Schlachtens eines Tieres oder eines
Menschen. Sie erinnerete sich, daß der von ihr innig geliebte Hund getötet worden
war. Monate vorher war davon immer wieder die Rede gewesen. Sie fühlte sich
als Kind und auch noch später zu Hause sehr zurückgesetzt und konnte nie eine
aa indung zu irgendeinem der Familienmitglieder bekommen, trotzdem sie sonst zu
den meisten Menschen sofort einer herzlichen Beziehung fähig ist.
Mit ı6 bis ı7 Jahren beobachtete sie im Institut genau ihre Kameradinnen, ob
sie dasselbe täten, wie sie, und als sie nichts entdecken konnte, kam sie auf den
Gedanken, daß sie abnormal, daß sie ein Zwitter sei und die Leiden des Mannes
und der Frau werde erdulden müssen. Daraus erwuchs ihr eine große Kraft, zu
erdulden und zu ertragen. Diese Kraft bewährte sich in allen tragischen Situationen
ihres Lebens. Sie ertrug alles, weil sie sich dazu erlesen fühlte, zu leiden, aber sie
spielte keine Märtyrerrolle, sondern sie ertrug alles gefaßt.
Später, durch Lektüre verwirrt, glaubte sie, daß sie zur Dirne bestimmt sei, weil
sie sexuell so rege war. Ihr Liebesleben war ein sehr tiefes und tragisches. Sie
wurde sehr begehrt und leidenschaftlich verlangt, aber obschon sie selbst einige Male
mit Männern schlief und ihre ganze, oft geradezu rasende Liebe erduldete, konnte
sie nie ganz gewonnen werden. Selbst einem raffinierten Vergewaltigungsversuch
entging sie, weil sie unbezwingbar war. Sie beherrschte die Situation mit Leichtigkeit.
Daher fürchtete sie auch die Welt nicht und wagte sich in die verhängnisvollsten
Abenteuer.
Alle Liebeserlebnisse endeten tragisch, immer war sie die Verzichtende. In
solchen Zeiten rettete sie sich, später bewußt, in die Onanie. Sie sagte sich: „Ich
brauche euch nicht, wenn ihr nicht fähig seid, mir treu zu bleiben, ohne daß ich
euch das Letzte gebe vor der Ehe.“ Immer wieder wurde sie in neue Erlebnisse
gezogen, die aber meist mehr den Charakter der mütterlichen Liebe trugen.
Die Onanie verlor durch die Analyse das Zwanghafte. Sie tritt nur noch dann
auf, wenn sie seelisch viel zu verarbeiten hat und sich einsam fühlt.
Als sie zum erstenmal von der ÖOnanie als Sünde hörte, war sie sehr empört;
denn nichts war ihr dabei sündhaft erschienen trotz der prüden Erziehung, die sie
genossen hatte. Sie sagte sich: Warum soll ich diesen Trieb nicht befriedigen? Die
anderen tun es auch, und bei ihnen wird es gutgeheißen. Schädige ich mich denn?
Bin ich nicht der lebende Gegenbeweis, In ihren Zwangsvorstellungen allerdings
verrät sie den Kampf gegen die Sinnlichkeit, aber er vermochte nicht, ihr Leben zu
beeinflussen. Sie wollte dort das Niedere töten. Ihre Gefühle und Regungen zum
anderen Geschlecht sind durchaus normale, Darum staunte man um so mehr über die
Leichtigkeit, mit der sie jeder Versuchung widerstand. Ihre Sexualität war eben an
das erste Liebesobjekt gebunden. Jede Liebesbeziehung endete mit dem Verzicht
auf die Ehe (obschon sie sich sehr darnach sehnte), da sie dann die Sinnlichkeit in
ihrer natürlichen Form hätte akzeptieren müssen.
Die Onanie hat sie weder zeitweise noch dauernd irgendwie geschwächt.
R. P.
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Sehnsucht und Erfüllung
Heilung eines Onanisten
Von Fritz Kleist, Strafanstaltsoberlehrer, Breslau
P. war das Kreuz der Anstalt und der Ärger der Beamten. Er arbeitete nicht, er
war unhöflich, er tat den Mund nicht auf, ein spöttisches Lächeln umspielte seine
Lippen; er stand im Verdacht, mit anderen Jungen Schmutzereien zu treiben, aber
war davon weit entfernt.
Sein Leben ist ihm eine Qual. In den frühesten Jahren seiner Kindheit war er
ein herziger Bub, die Wonne seiner Eltern, die Freude aller Bekannten. Mit fünf
Jahren wurde er menschenscheu. Er verbarg sich unter Gerät, in Strohschobern,
Remisen und unter Reisighaufen am Backofen. Er lief vor den Menschen davon in
die Einsamkeit, in halbdunkle Verstecke. In der Schule hielt er sich für sich und
beobachtete die anderen scharf. Er sah und verfolgte alles, was sie taten und sagten.
In seine Seele zog ein großes Erleben, fünf Jahre vor der beginnenden Entwicklung
— in seinem siebenten Lebensjahre.
Er sah die Welt, wie sie sich ihm nackt und unverhüllt in der Wohnung —
Wohnhöhle — zeigte, er sah sie, wie sie war und nicht, wie sie sein wollte und sich
zum Scheine gab. Er sah Freunde, Kameraden, Dienstboten, Ältere, Lehrer und
Eltern, lebte und erlebte ihr wirkliches Leben. Er sah Dinge und lernte Verhältnisse
kennen, die sich meistens dem noch verschließen, der schon Weib und Kind hat,
und in ihm wuchs — das Mißtrauen, groß, riesengroß.
Bald glaubte er keinem Menschen mehr. Sie taten gut und freundlich, aber sie haßten
sich alle miteinander, er verstand sie nicht, er ging abseits. Der Menschen Lachen
war ihm eine Komödie, er verstand die Menschen, sie ihn nicht. Er liebte die
Menschen nicht, sie ekelten ihn an.
Seine Entwicklung kam zu früh. Die Triebe entfalteten sich, sie fanden sich
aber nicht zur Harmonie. Sein inneres Leben war ein großer Mißton. Einige
Saiten seiner Seelenharfe waren in der kurzen Zeit seines Lebens eingerostet,
mit frühester Kindheit waren andere zerstört, nur die Saiten der Erkenntnis, des
Frühreifens, der Ungläubigkeit und der Menschenscheu blieben gespannt und tönten
schrill. Der letzte Rest seiner Kindheit war zu Grabe getragen, er sah kein Licht,
keine Helle, keinen Sonnenschein und keine Schmetterlinge, er war als Kind ein
alter Mensch, dem das Leben alles entschleiert hat, der das Leben verlassen hat,
der einsam und verlassen dasteht. Er floh, floh vor allem, was sich Mensch nannte,
und nahm ein beängstigendes Gefühl des Verlassenseins mit, und das verließ ihn
nicht. Er wurde ein Mensch, mit dem kein Mensch etwas anfangen konnte.
Und in ihm wuchs ein Trieb immer stärker.
Er wurde immer einsamer. Aber je größer die Finsamkeit und Verlassenheit,
desto stärker die Liebe, und er liebte alle schönen Menschen — von fern! — Doch
er fand keine Gegenliebe. Liebe des Fleisches, der Wollust konnte er viel haben,
aber die verachtete er, er wollte reine Bruderliebe, Schwesterliebe. Er liebte nicht
um des Fleisches, sondern um der Seele willen! Und er wurde immer einsamer,
immer unglücklicher und kam in immer größere Menschenferne.
Er fand keine Seele, die ihn verstand und liebte, die ihn in Menschennähe
brachte. Er erschloß sich niemandem, und ihm erschloß sich niemand.
Und er war doch allen so nah und kam ihnen näher, — — — wenn er onanierte.
Er onanierte, um sein volles Herz zu schwächen. Er war glücklich! Sekunden! Das
Glück suchte er vergeblich. Die Sehnsucht wurde immer stärker, immer größer. Je
größer die Sehnsucht, desto stärker die Onanie und desto größer die Sehnsucht.
Qual und Erschütterung ohne Ende, ein Leiden, ein einziger Schrei nach Erlösung.
Er onanierte sechs- bis zehnmal am Tage.
Stündlich klagte er sich an, er klagte die Menschen und die Welt an und haßte
sie — verachtete sie, floh vor ihr und den Menschen und suchte sie in heißem
Verlangen und kam in schlechte Gesellschaft und in die — Erziehungsanstalt — und
das Ende war — Gefängnis.
Er wurde zu den Verbrechern gesellt und von den Menschen verachtet, verworfen,
aus ihrer Gesellschaft, die er geflohen hatte, weil er sie suchte, ausgestoßen.
Und dann stand er im Gefängnis mit großen, weiten Augen, ein Suchender und
ein Nichtverstehender, Einer, der nicht zu begreifen war, der nicht will. Der
aufsässig ist. Dieser zynische Bruder, der kirre gemacht werden muß. Und er sollte
schon klein werden. Er wurde einsam eingesperrt, und schwere Arbeit sollte ihn
mürbe machen. Er soll das schon lassen. Er mıuß arbeiten, daß die Schwarte knackt.
Er muß müde in das Bett fallen; dann wird er das schon lassen. Ja, dann! Und
wenn er es nicht läßt, dann muß er eingesperrt werden bei Wasser und Brot.
Und wenn alles nicht hilft, dann muß er gefesselt werden.
Und es half alles nicht!
Er onanierte immer stärker, und er kam den Menschen immer ferner, ferner,
und er wollte ihnen nahekommen, er wollte sie lieben.
Und da kam ein Mensch, dem sich das alles erschloß.
Der nahm ihn aus der Zelle und gab ihn in den blühenden Gottesgarten der
Natur, und hier stand schon ein ebenso zerquälter Mensch, der häufig nach dem
Strick gegriffen hatte, den zehn Jahre gequält hatten, daß es kein Mensch aus-
zusprechen vermag und keine Feder es schreiben kann, dessen Herz zehn Jahre
geblutet hatte und am Ausbluten war, der die Menschen haßte, sie lieben wollte und
doch vor ihnen floh.
Und sie onanierten nicht mehr. Sie wurden blühende junge Menschen, keine
Engel, aber strebende und in der Arbeit wetteifernde Menschen, die sich sammelten, sich
konzentrierten, deren Liebe ausströmte auf die Blumen und Pflanzen, um einzuströmen
in die Herzen der Menschen durch die wundervolle Gottesgabe Blume, die, in die
Zellen gefangener Menschen gebracht, Himmel und Gott sein kann.
Und so kamen sie mit ihrer Liebe doch noch zu den Menschen.
Sie waren nicht mehr aufsässig. Und kein Kreuz der Anstalt. Und kein Ärger der
Beamten. Nicht aus Willenlosigkeit waren sie Onanisten geworden, sondern aus
einem starken Willen, in die Nähe von Menschen zu kommen.
Sie onanierten früher nicht aus Leichtsinn und Unwissenheit oder aus Krankheit,
sondern aus Sehnsucht, die sich in jeder Erfüllung zehnfach verstärkte und sie den
Menschen immer mehr entfremdete.
Jetzt stehen sie in Menschennähe. Nicht im Schmutz. Sie sind kein Ärger der
Beamten. Sie sind kein Kreuz der Anstalt. Sie sind Kämpfer und Streiter. Sie
bringen Blumen in die Zellen gefangener Menschen. Blumen, die Himmel und Gott
sein können.
— 109 —
INN
| Ä BERICHTE
HUHN
Psychoanalytische Literatur über Onanie
D Bücher
ı) Freud, Die masturbatorischen Sexualäußerungen (in „Drei Abhandlungen zur
Sexualtheorie“, Ges. Schriften, Bd. V).
2) Die Onanie. Vierzehn Beiträge zu einer Diskussion der „Wiener Psychoana-
lytischen Vereinigung“. ıgı2. Wiesbaden, Bergmann.
3) Drosnes, Über Onanie. (Broschüre in russischer Sprache.)
4) Stekel, Onanie und Homosexualität. 3. Aufl., 1923, Berlin, Urban & Schwarzen-
berg.
5) Schlesinger, Die Onanie im Lichte der modernen Seelenkunde. 1925.
Verlag Madaus.
6) Friedjung, Autoerotik des Kindes (in „Die kindliche Sexualität und ihre
Bedeutung für die Erziehung“) (mit Literaturangaben), 5. ı1—ı9. 1923.
Berlin, Springer.
7) Sadger, Beiträge zur Onanie (in „Die Lehre von den Geschlechtsverirrungen
auf psychoanalytischer Grundlage“). 1921. Wien, Deuticke. 5. 103—1ı11.
8) Schneider, Onanie (im „Ärztlichen Volksbuch“, Bd. II, S. 78ı—783, und im
„Psychoanalytischen Volksbuch“). $. 149—153, 1926. Stuttgart, Hippokrates-
Verlag.
9) Federn, Körperliche und seelische Hygiene des Geschlechtslebens (im „Arztlichen
Volksbuch“, Bd. I, $. 240— 251, 295—z1ı1,und im „Psychoanalytischen Volksbuch“,
S. 231— 249, 250— 277). Stuttgart, Hippokrates-Verlag.
ı0) Meng, Hygiene das Kindes (im „Ärztlichen Volksbuch“, Bd. I, 224—240, und
im „Psychoanalytischen Volksbuch“, $S. 176—ı92). Stuttgart, Hippokrates-Verlag.
ı1) Rank, Masturbation und Charakterbildung (in „Sexualität und Schuldgefühl“).
S. 8—40. 1926. Wien, Int. Psychoanalyt. Verlag.
ID) Aufsätze in Zeitschriften
ı) Friedjung, Erfahrungen über kindliche Onanie. Zschr. f. Kinderheilk.
Bd. IV, S. z41.
2) Hug-Hellmuth, Zur weiblichen Masturbation. Zentralbl. f. PsA. 1913.
S. 17—25.
3) Hits hank Kinderangst und Onanie-Entwöhnung. Zbl. f. PsA. 1913. 5. 37.
4) Marcus, Über verschiedene Formen der Lustgewinnung am eigenen Leibe.
Zbl. £. PsA. 1912. $. 224.
5) Stekel, Über larvierte Onanie. Sexualprobleme. Febr. 1913.
6) Ferenczi, Reiben der Augen ein ÖOnanieersatz. Int. Zschr. f. PsA., II (1914),
S:
7) Eisler Über autoerotische Mitbewegungen bei Onanie. Int. Zschr. f. PsA.,
VI (1920), S. 3509.
8) Happ el, Onanieersatzbildungen. Int. Zschr. f. PsA., IX (1923), S. 206.
9) Reich, Über Spezifität der Onanieformen. Int. Zschr. f. PsA., VIII (1922),
S.
10) D se Hitim als Erzieher, II. „Die Stellung der Eltern zur kindlichen Onanie.“
Zschr. f. psa. Pädagogik. Jahrg. I. Sonderheft „Sexuelle Aufklärung“.
ı1) Onanie und Kleidung. Zschr. f. psa. Pädagogik. Jahr. I. S. 285, 316.
Dr. Walter Cohn (Berlin)
Umschau
Das Pädagogische Institut der Technischen Hochschule Darmstadt veranstaltet unter der
Leitung von Prof. Dr. Erich Stern (Mainz) Kurse über Hei Ipäda gogik,
zunächst in Mainz (Ende Februar), später inSaarbrücken. Im Rahmen dieser
Veranstaltung wird über „Psychoanalyse und Ch arakterentwicklung“
Dr. Hemrich Meng (Stuttgart) sprechen. Genaue Zeit der Vorträge teilt das
Sekretariat Mainz, Greifenklaustraße 2—4, mit.
Das Kinderheim Winkelhof, Post Markdorf (Bodensee), versendet auf Wunsch eine
kleine Schrift, die anschaulich von den ersten zehn Jahren Kinderheim der Gründerin
Lily Land&e-Ehrlich erzählt. Diese versucht an einer Reihe bedürftigster Kinder
die Ideen Pestalozzis in einer Weise zu verwirklichen, die Bewunderung, Dank und
Unterstützung verdient.
Berichtigung. Das Buch von Wittels, „Die Technik der Psychoanalyse“, ist nicht,
wie in Heft 3 avgegeben, im Verlag Julius Püttmann, Stuttgart, sondern im Verlag
Bergmann, München, erschienen.
Radiovorträge zur Seelenkunde. Der Frankfurter Sender zusammen mit der Deutschen
Welle in Berlin veranstaltete eine Vortragsreihe über „Neue Fragen der Seelenkunde“
in der Zeit vom 8. bis 29. Januar. Es sprachen je halbstündige: Dr. Simmel
(Berlin) und Dr. Häberlin (Nauheim) über „Psychoanalyse“. Prof. Driesch
(Leipzig) und Prof. Dessoir (Berlin) über „Okkultismus“ und Dr. Prinzhorn
(Frankfurt) und Dr. Meng (Stuttgart) über „Das Unbewußte“,
Unser Mitarbeiter Dr. Karl. Landauer in Frankfurt sprach am 14. Februar
in einem Kurs der Strafanstaltsoberbeamten über „Psychoanalyse
und Strafvollzug“.
Die vom Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung veranstaltete öffent-
liche Vortragsreihe über Psychoanalyse und Geisteswissenschaften
wurde am 20. Januar durch den Vortrag von Prof. Dr. Paul Schilder über
„Gemeinschaft, Erkenntni s, Eros“ eröffnet. Am 20. Februar spricht
Dr. Fritz Wittels im Wiener Konzerthaus über „Psychoanalyse und
Strafrecht“, am ‘26. Februar Dr. Robert Wälder im Großen Saal des
Ingenieur- und Architektenvereines über „Die Psychoanalyse im Lebensgefühl des
modernen Menschen“, Des weiteren sind folgende Vorträge vorgesehen: Dr. Heinz
Hartmann, „Probleme der angewandten Psychoanalyse“, — Dr. Ludwig Jekels,
„Die Psychoanalyse über Shakespeare“, — Dr. Theodor Reik, „Das Geheimnis des
Gebets“, — Dr. Helene Deutsch, „George Sand, ein Frauenschicksal“,
Soeben erschien Heft ı des Jahrganges ı928 (Band XIV) der „Imago, Zeitschrift
für Anwendung der Psychoanalyse auf die Natur- und Geisteswissenschaften“ (heraus-
gegeben von Sigm. Freud). Das Heft enthält auf 148 Seiten u. a. folgende Beiträge:
Freud: Ein religiöses Erlebnis — Bernfeld: Über Faszination — Hitsch-
mann: Psychoanalyse des Misanthropen von Moliere — Dal y: Der Menstruations-
komplex — Marie Bonaparte: Symbolik der Kopftrophäen — usw. (Preis des
Heftes M. 6.—, des ganzen Jahrganges 1928 M. 22.—)
MINI
Herausgeber: Dr. Heinrich Meng, Arzt in Stuttgart
und Universitätsprofessor Dr. Ernst Schneider in Riga
Eigentümer, Verleger und Herausgeber für Österreich : Adolf JosefStorfer, Wien, VII., Andreasgasse z
(„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik“). — Verantwortlicher Redakteur: Dr, Pa
Federn, Wien, I., Riemergasse ı. — Druck: Elbemühl Papierfabriken und Graphische Industrie A.-G.,,
Wien, III, Rüdengasse ıı (Verantwortlicher Druckereileiter: Karl Wrba, Wien).
Soeben erschien:
S Die Zukunft einer Illusion
Von
Sigm. Freud
AU UT UT UT TUT OTTNTTN TTS
Geheftet M. 2'530, Ganzleinen M. 3'60
LU UITITTTEUUTTUTTTTT U TITTTTTT THUN TTNTTTTTTTTTTNTTTTTTTNTNTNTTTTITITTNTTTTTTTTTITMNTM
Die religiösen Ideen — führt der Schöpfer der Psychoanalyse in seiner neuen Arbeit aus — sind
sämtlich Illusionen, niemand darf gezwungen werden, an sie zu glauben. Einige von ihnen stehen so sehr
im Widerspruch zu allem, was wir mühselig über die Realität der Welt erfahren haben, daß man sie den
Wahnideen vergleichen kann.
Wohl hat die Religion der menschlichen Kultur Dienste geleistet, aber nicht genug. In den Jahrtausenden,
durch die sie die menschliche Gesellschaft beherrscht hat, ist es ihr nicht gelungen, die Mehrzahl der Menschen
glücklich zu machen, sie mit dem Leben zu versöhnen; vielmehr empfindet eine erschreckend große Anzahl
der Menschen die Gesellschaftsordnung als ein Joch, das man abschütteln muß. Die Priester konnten die
Unterwürfigkeit der Massen gegen die Religion nur erhalten, indem sie der menschlichen Triebnatur große
Zugeständnisse einräumten; die Unsittlichkeit hat zu allen Zeiten an der Religion keine mindere Stütze
gefunden als die Sittlichkeit.
Wenn man den betrübenden Kontrast zwischen der strahlenden Intelligenz eines gesunden Kindes
und der Denkschwäche des durchschnittlichen Erwachsenen ins Auge faßt, kann man ermessen, welch
großen Anteil an der intellektuellen Verkümmerung neben der sexuellen Denkhemmung und der Verzögerung
der sexuellen Entwicklung besonders auch die religiöse Erziehung hat.
Freuds Ausführungen gipfeln in der Forderung: „Erziehung zur Realität!“ Was soll dem Menschen
die Vorspiegelung eines Großgrundbesitzes auf dem Mond, von dessen Ertrag doch noch nie jemand etwas
gesehen hat? Als ehrlicher Kleinbauer wird der Mensch auf dieser Erde seine Scholle zu bearbeiten wissen,
so daß sie ihn nährt. Eine Menschheit, die auf Illusionen verzichtet, wird wahrscheinlich erreichen können,
daß ihre Einrichtungen keinen mehr erdrücken. Ganz ohne Hilfsmittel ist der Mensch dabei nicht, die Wissen-
schaft hat ihn bereits viel gelehrt und wird seine Macht noch vergrößern.
Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat; dies ist
einer der wenigen Punkte, in denen man für die Zukunft der Menschheit optimistisch sein darf. Auf die Dauer
kann der Vernunft und der Erfahrung nichts widerstehen und der Widerspruch der Religion gegen beide ist
allzu greifbar. Auch die geläuterten religiösen Ideen können sich diesem Schicksal nicht entziehen, solange
sie noch etwas vom Trostgehalt der Religion retten wollen.
Internationaler Psychoanalytischer Verlag
Wien, VIl. Andreasgasse 3
Paul Federn-Wien und Heinrich Meng-Stuttgart
geben heraus die:
Bücher des Werdenden Band I
Edward Carpenter
Wenn die Menschen reif
zur Liebe werden
Einzige autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Karl Federn.
([apenter wird der klassische Aufklärer unserer Jugend bleiben. Mit dem
ruhigen Ernst des Forschers vereinigt er den leidenschaftlichen Schwung
des Propheten. — /n Leinen Rm. 5°— Dt
Bücher des EEE Band II
Das psychoanalpytische |
Volksbuch |
Herausgegeben von Dr. Paul Federn-Wien und Dr. Heinrich Meng-
Stuttgart unter Mitarbeit von 15 bewährten Ärzten und Erziehern
Besonders wichtige Abschnitte:
Hygiene des Kindes / Kinderfehler, Entstehung und Behandlung / Zwang
und Freiheit in der Schulerziehung / Schutz durch sexuelle Aufklärung / Körper-
liche und seelische Hygiene des Geschlechtslebens / Die psychoanalytische
Heilmethode / Fehlleistungen im täglichen Leben / Die Gemütserkrankungen /
Pflege des Geisteskranken / Psychoanalyse und Sittlichkeit
550 Seiten, 11 Bilder, Größe 8°, broschiert Rm. 750, Ganzleinen Rm. 950
Bücher DE Wuranen Band Ill
Fritz Wittels. Be
Die Befreiung des Kindes
E)* Seelenleben des Kindes ‚folgt, seinen eigenen Gesetzen, die schwer
En erforschbar sind, weil die Erwachsenen nicht mehr wissen, wie sie als
es kleine Kinder gefühlt und gedacht haben. So erweist sich die Erziehung
er ” als eine sehr schwere Aufgabe, der sich Erwachsene nur selten gewachsen
7 zeigen. Eher wäre es möglich, daß die Kinder uns erzögen, als wir sie. —
Be: Das Buch von Wittels rückt die Erziehung. ins Licht der modernen Seelenkunde
Gi und gibt Eltern und Erziehern im weiteren Sinne sehr wertvolle Richtlinien
I.» 254 Seiten, 8°, broschiert Rm. 5°—, in Leinen Rm. T—
Hippokrates-Verlag / Stuttgart / Berlin / Zürich
= ErgEg